Heute nicht mehr vorstellbar in unserer Gesellschaft, aber vor knapp hundert Jahren ein Hoffnungsschimmer in einer schwierigen Wirtschaftszeit: eine Zuchtfarm für die damals begehrten Pelze von Silberfüchsen. Eine Silberfuchsfarm züchtete ab 1931 solche Tiere. Nach dem Zweiten Weltkrieg, nachdem der Verkauf von Zuchttieren und Pelzen eingebrochen war, wurde die Farm abgebrochen.
Text: Günther Meier
Das Liechtensteiner Volksblatt brachte am 12. November 1936 eine kurze Meldung, aus der Silberfuchsfarm auf Masescha seien drei Füchse entwichen. Wer es bisher nicht gewusst hatte, dem wurde damit bekannt, dass es auf der Sonnenterrasse über Triesenberg eine spezielle Tierzucht gab. Die Silberfuchsfarm ersuchte mit dieser Mitteilung die Bevölkerung, die Tiere einzufangen – natürlich gegen «entsprechende Entschädigung». Die Silberfüchse seien zahm, es könnte sein, dass sie bei offenen Türen auch in Häuser eintreten würden. Wer ein junges, freilaufendes Silberfüchslein sehe, melde sich unter der Telefonnummer 61 bei der Farm.
Ob der Aufruf den erhofften Erfolg hatte, ist nicht berichtet worden. Aber die Meldung zeigte in der damals schwierigen Wirtschaftszeit, wie innovative Unternehmer neue Geschäftsfelder eröffneten. Gründer des Unternehmens, Edelpelztierfarm genannt, war Guntram Fehr aus Schaanwald, der 1923 nach Kanada ausgewandert war und dort in einer Pelztierfarm arbeitete. Zwei Jahre später kehrte Fehr nach Liechtenstein zurück, wie das Volksblatt berichtete, und befasste sich mit dem Gedanken, auch in unserem Land eine Pelztierfarm aufzubauen. Zuerst aber gründete Fehr in Klosters (Kanton Graubünden) eine Aktiengesellschaft für den Aufbau einer Silberfuchsfarm, die laut Volksblatt mit 50 Paar Silberfüchsen aus Amerika gestartet wurde. Fehr war bestens mit der Zucht von Silberfüchsen vertraut, denn die Farm in Kanada, wo er das Handwerk erlernt hatte, besass rund 20’000 dieser wertvollen Pelztiere. Mehrere Jahre führte Fehr die Pelzzucht in Graubünden, dann kaufte er das Bergrestaurant Masescha und errichtete dort eine Pelztierfarm, die er 1931 zusammen mit dem Triesenberger Emil Beck eröffnete. Im Freigehege auf Masescha tummelten sich bis zu 120 Silberfüchse, die für viele Wanderer ein Anziehungspunkt darstellten.
Prognosen für Rentabilität von Silberfuchsfarmen
Die Eröffnung der ersten und einzigen Pelztierfarm fand Beachtung in den Medien. «Wer an einem schönen Herbsttag gelegentlich nach Masescha oder Gaflei kommt», schrieb das Volksblatt, «sollte nicht versäumen, die Pelztierfarm zu besuchen.» Im Herbst hätten die wertvollen Pelzträger ihr schönstes Kleid angezogen, schwärmte der Berichterstatter, «mit dem sie so manche Dame beglücken». Der Silberfuchs sei der wertvollste unter den Pelztieren, dessen Pelz sich zur Verarbeitung von Mänteln oder Krägen besonders gut eigne. Die schlechte Wirtschaftslage drücke zwar den Umsatz mit Pelzen, doch dank der Zuchtfarmen seien Silberfuchspelze auch für Leute erschwinglich geworden, die nicht zu den oberen Zehntausend zählten. Der Farm auf Masescha stellte das Volksblatt ein gutes Zeugnis aus, sowohl was die Qualität der Zuchttiere als auch die Anlage selbst betreffe – ein Vergleich mit einer ähnlichen Zuchtfarm in der Schweiz könne jederzeit gemacht werden. Gleichzeitig wunderte sich die Zeitung, dass dieser neue Erwerbszweig noch keine Nachahmer in Liechtenstein gefunden habe.
Zur Rentabilität einer Silberfuchsfarm ein paar Zahlen aus der damaligen Zeit. Gute Pelze konnten in der Schweiz für 250 bis 400 Franken verkauft werden. Die Kosten für ein Gehege von einem Paar Silberfüchse betrugen 150 bis 200 Franken. Die Aufwendungen für den Unterhalt der Tiere wurde mit 80 bis 100 Franken pro Jahr beziffert. Weil die erste Silberfuchsfarm auf Masescha angesiedelt worden war, hielt sich offenbar die Meinung, eine solche Farm könne nur in einer Höhenlage errichtet werden. Auch in Kanada würden sich nicht alle Zuchtfarmen in höhergelegenen Gebieten befinden, berichtete das Volksblatt, und bei Auktionen hätte sich gezeigt, dass sich Flachland-Pelze genau so gut verkauften wie Pelze aus Höhenlagen. Kurzum: In Liechtenstein eigne sich jeder Winkel für die Aufzucht von Silberfüchsen.
Fehlende Absatzmöglichkeiten während der Kriegszeit
Schon vor der Eröffnung der Silberfuchsfarm auf Masescha gab es Zeitungsberichte über Zuchtfarmen mit Pelztieren, die in Kanada ihren Anfang nahmen. Dort wurde berichtet, dass die Silberfuchszucht gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Kanada begonnen habe. Ein Jäger habe dort mit zwei wilden Silberfüchsen eine Aufzucht begonnen. Zuerst habe man gelacht über die Zuchtidee, aber als man gesehen habe, wie viel Geld sich mit Zuchttieren und mit Pelzen verdiene lasse, habe eine wilde Spekulation eingesetzt. Kein Wunder, nachdem Zahlen bekannt wurden, wie eine ausländische Zeitung berichtete: Zwei Frauen hätten im Jahr 1905 in Amerika 1500 Dollar für ein Silberfuchspaar angelegt und dann bis 1918 insgesamt 88 Paare verkauft, die im Durchschnitt 4000 Dollar einbrachten.
Solche goldenen Zeiten erlebte die Silberfuchsfarm auf Masescha nicht. Die Zucht der Silberfüchse begann kurz nach der Weltwirtschaftskrise. In den 1930er-Jahren war der internationale Markt gesättigt, die Preise für Pelze waren gesunken, nicht zuletzt auch deshalb, weil Pelze nicht mehr nur für sehr gut Betuchte erschwinglich waren – und damit der Reiz für einen exklusiven Pelz fehlte. Dann folgte der Zweite Weltkrieg und die Absatzmöglichkeiten gingen weiter zurück. Im Jahr 1944 wurde die Silberfuchszucht auf Masescha wegen Rentabilitätsproblemen aufgegeben, und die Zuchtfarm abgebrochen.
Silberfuchsfarmen auch in der Nachbarschaft
Der Zucht von Silberfüchsen war in unseren Breitengraden nur eine relative kurze Zeit beschieden. Im Unterschied zu heute, wo das Tragen echter Tierpelze unter gesellschaftlicher Ächtung steht, erfreute sich das Pelztragen gegen Ende des 19. Jahrhunderts grosser Beliebtheit. Aufgrund der grossen Nachfrage waren Trapper in Kanada nicht mehr in der Lage, den hohen Pelzbedarf aus der Natur zu decken. Aus diesem Grund begannen Trapper in Kanada, Silberfüchse in Gefangenschaft zu züchten. An den Pelzbörsen erzielten Silberfuchsfelle sensationell hohe Preise, was zur Folge hatte, dass bald Zuchtanstalten auch ausserhalb Kanadas gebaut wurden. Die Silberfuchszucht auf Masescha blieb in Liechtenstein die einzige Zuchtfarm, in den Nachbarländern Schweiz und Österreich entstanden zahlreiche solcher Anlagen: Im Jahr 1931 wurden beispielsweise 51 Silberfuchsfarmen gezählt!
Beim Aufbau der Silberfuchsfarm in Graubünden hatte, wie bereits erwähnt, der Liechtensteiner Guntram Fehr eine bestimmende Rolle. Zusammen mit einem Schweizer Partner gründete Fehr, nachdem er in Kanada und in den USA in solchen Farmen gearbeitet hatte, im Jahr 1925 die «Gebirgs-Silberfuchsfarm Klosters». Fehr sah in der Pelztierzucht in den wirtschaftlich schwierigen Jahren der Nachkriegszeit eine Chance für den Aufbau eines neuen Wirtschaftszweigs. Sein Partner wollte mit der Zucht von Silberfüchsen eine
Neuorientierung der Berglandwirtschaft einleiten. Das Unternehmen florierte anfänglich, doch die Weltwirtschaftskrise machte dem Unternehmen zu schaffen. Später kamen Produktionsprobleme und Absatzsorgen während des Zweiten Weltkriegs dazu, verbunden mit grosser Konkurrenz durch Anbieter aus anderen Ländern, so dass bald nach Kriegsende die Zucht aufgegeben wurde – wie die Farm auf Masescha.
Angora-Hasen aus Schaan für die Wollindustrie
Die Pelztierfarm auf Masescha ist nicht das einzige Unternehmen, das sich mit der Zucht von exotischen Tieren beschäftigte. Schon im Jahr 1926 gab es Berichte über eine Kaninchenfarm in Schaan. Die Liechtensteiner Nachrichten schrieben darüber: «In einem Stall in der Nähe alten Kirchturms sind seit Sonntag interessante Gäste aus England untergebracht: 16 Edel-Angorakaninchen mit roten grossen Augen und einem seidenweichen, blendendweissen langhaarigen Pelz. Sie haben die lange Reise wie richtige englische Globetrotter scheinbar gut überstanden, denn sie sind munter und lassen sich das neue Futter schmecken.» Wie die Liechtensteiner Nachrichten berichteten, sei damit der Grundstock für die geplante Wollindustrie gelegt worden. Die Hasen würden etwa alle sechs Wochen geschoren, was pro Jahr rund ein halbes Kilogramm Angora-Haar ausmache: Auf dem Markt könnten damit rund 50 Franken gelöst werden. Die Tiere selbst hätten einen stolzen Preis von etwa 100 Franken, dafür aber seien die Unterhaltskosten sehr gering: Heu, Rüben und Hafer! Nachdem es in England und Frankreich solche Farmen mit Tausenden von Hasen gebe, drückte die Zeitung die Zukunftshoffnung aus, damit könnte eine neue Verdienstmöglichkeit für unsere Bevölkerung geschaffen werden: Als Heimindustrie, die sich gut in die sonstigen landwirtschaftlichen Verhältnisse einfügen liesse.