Vor 125 Jahren wurde das Telefonnetz in Liechtenstein in Betrieb genommen

Was die Einführung technischer Anlagen betrifft, befand sich Liechtenstein früher im -Hintertreffen gegenüber den Nachbarländern. Erst am 15. November 1898 erfolgte die -Inbetriebnahme des Telefonnetzes. In allen elf Gemeinden standen ab diesem Datum -öffentliche Sprechstellen zur Verfügung. Aufgrund der hohen Installationskosten gab es in den ersten Jahren nur wenige private Telefone: Im Jahr 1900 waren erst vier Anschlüsse installiert.  

Text: Günther Meier

Das Telefon ist in ­kurzer Zeit zum ständigen Begleiter vieler ­Menschen geworden,­ die ständig nachprüfen, ob es Neuigkeiten gibt oder jemand eine Nachricht, ein Filmchen oder ein Selfie geschickt hat. In den Anfängen des Telefonverkehrs in Liechtenstein, der vor 125 Jahren­ begann, war das noch anders. ­Obwohl es in jeder Gemeinde eine sogenannte öffentliche Sprechstelle gab, wurde das neue Kommunikationsmittel nur selten genutzt. 

Das erste Telefonnetz in Liechtenstein, erstellt von der Telegrafendirektion Innsbruck, wurde am 15. November 1898 in Betrieb genommen. Über die Inbetriebnahme gibt es keine Medienberichte: Kein Band wurde durchschnitten, keine Musik untermalte die Ansprachen von Regierungsvertretern. Die damals einzig erscheinende Zeitung im Land, das Liechtensteiner Volksblatt, berichtete kurz vor der Inbetriebnahme, in wenigen Tage könne man in Liechtenstein telefonieren. Mitgeteilt wurde auch, dass die gleichen Bestimmungen gelten würden wie in Österreich, wo der Telefonverkehr schon längere Zeit vorher aufgenommen worden war. Ansonsten beschränkte sich die Berichterstattung auf Hinweise­ auf die Debatte im Landtag, als der Kredit für die Erstellung der Telefon-Infrastruktur bewilligt wurde. 

Dass zum damaligen Zeitpunkt die Telefonie noch keine grosse Rolle in unserem Land spielte, lässt sich anhand der Infrastruktur illustrieren: Es gab zwei Anschlüsse für die Regierung sowie je eine öffentliche Sprechstelle in den Ortschaften, zusätzlich noch auf Sücka und Rotaboda – was wohl mit dem damals einsetzenden Tourismus zu tun hatte. Die öffentlichen Sprechstellen waren bedient, es konnte dort telefoniert werden und ausserdem wurden Telegramme entgegengenommen.

Vorläufer des Telefons war der Morse-Telegraf

Liechtenstein war allerdings nicht erst vor 125 Jahren mit der Welt verbunden. Schon vor der Einrichtung des Telefonverkehrs gab es die Morsetelegrafen, mit denen man Nachrichten über grosse Distanzen verschicken konnte. Nachdem Vorarlberg in der Mitte des 19. Jahrhunderts an das österreichische Telegrafennetz angeschlossen worden war, bekundete auch Liechtenstein sein Interesse an diesem neuartigen Kommunikationsmittel. Doch es dauerte bis 1869, bis die österreichische Post im Postamt Vaduz eine Telegrafenstation einrichteten. Interesse hatten vor allem die Regierung und die sich im Aufbau befindliche Industrie bekundet – die Regierung, um schneller mit der Fürstlichen Hofkanzlei in Wien in Verbindung treten zu können, die Industriebetriebe für die Kommunikation zwischen Mutter- und Tochterfirmen. 

Die Regierung unterbreitete am 15. April 1867 dem Landtag den Antrag für die Einrichtung eines Telegrafenbüros in Vaduz. Die offizielle Begründung lautete: «Durch die erfreuliche Tatsache der Hebung der hierländigen industriellen Tätigkeit tritt auch im Fürstentum allmählich die Notwendigkeit einer Telegrafenverbindung in den Vordergrund.» Die österreichischen Postbehörden setzten die Kosten für die Telegrafenleitung von Feldkirch nach Vaduz auf 3200 Gulden fest, wozu noch die Apparate in Vaduz und Feldkirch hinzugerechnet werden mussten. Ein ansehnlicher Betrag für das Landesbudget, das der Landtag aber bewilligte – und der Fürst aus Wien einen Zustupf von 500 Gulden überweisen liess. Nachdem die Leitung von Feldkirch nach Vaduz verlegt worden war, konnte der Telegrafenbetrieb am 1. Dezember 1869 aufgenommen werden. Der Telegrafenverkehr hielt sich zuerst allerdings in ziemlich bescheidenen Grenzen, wie Christoph Maria Merki in seiner Beschreibung der «Infrastrukturen Liechtensteins» festhält: Jährlich gab es bis Ende des 19. Jahrhunderts zwischen 600 und 1200 Telegramme, also durchschnittlich maximal drei Stück pro Tag. Etwa die Hälfte stammten von den staatlichen Stellen – vor allem Schriftverkehr zwischen Regierung Vaduz und Fürst in Wien. Für den Fall der Fälle sorgte eine Innovation, als die Bahnverbindung von Feldkirch nach Buchs 1870 gebaut wurde: Entlang der Eisenbahnlinie von Feldkirch bis nach Schaan wurde eine zusätzliche Telegrafenleitung installiert. «In Notfällen konnten private Telegramme bei den Bahnstationen Schaan und Nendeln über den bahneigenen Telegraphen aufgegeben werden», heisst es dazu in der Jubiläumsbroschüre «100 Jahre Telegraph im Fürstentum Liechtenstein». 

In der schweizerischen Nachbarschaft war die Entwicklung des Telegrafenverkehrs schon weiter fortgeschritten als in Liechtenstein. Schon im Jahr 1852 war ein Teil des St. Galler Rheintals an das schweizerische Netz angeschlossen. Zwei Jahre später gab es bereits eine telegrafische Verbindung zwischen St. Gallen und Vorarlberg, der bald ein Anschluss an die deutschen Telegrafennetze folgte. 

Das Telefon – eine nicht unwichtige Verbesserung

Auch beim Aufbau des Telefonnetzes stand Liechtenstein nicht in der vordersten Reihe. Interessant ist, dass die erste telefonische Leitung nicht vom Staat in Betrieb genommen wurde, sondern von privater Seite: Schon ein Jahr vor der offiziellen Inbetriebnahme des Telefonnetzes war eine Leitung zwischen der Fabrik «Jenny» in Triesen und der Fabrik «Jenny und Spoerry» in Vaduz gelegt worden. Dann aber folgte 1898 das staatliche Telefonnetz, das Landtagspräsident Albert Schädler als «eine nicht unwichtige Verkehrsverbesserung» für Liechtenstein bezeichnete. Zwei Jahre vorher hatte die Regierung der Telegrafendirektion in Innsbruck den Auftrag erteilt, das erste öffentliche Telefonnetz in Liechtenstein aufzubauen. Der Landtag war bei der Kreditbewilligung davon ausgegangen, den Telefonbetrieb in eigener Regie zu führen. Wie Landtagspräsident Schädler nach Auskunft der Regierung berichtetet, käme «der Betrieb in eigener Verwaltung unverhältnismässig teuer», weil damit der Anschluss an die von Österreich betriebenen Poststellen unmöglich wäre. Ausserdem würden sich Verbindungen zum Ausland nur schwer bewerkstelligen lassen. Die Regierung empfehle deshalb, mit Österreich, das schon die Post- und Telegrafendienste besorge, ein Telefon-Abkommen zu schliessen. 

Wie das Liechtensteiner Volksblatt am 11. November 1898 berichtete, übernehme die staatliche Telegrafenverwaltung Österreichs die Herstellung des Telefonnetzes gegen Ersatz der gesamten Kosten des Leitungsbaus und der betriebstechnischen Einrichtungen. Die Zentrale des Telefonnetzes befinde sich im Postamt Vaduz, die Postbüros in Balzers, Triesen, Schaan und Nendeln würden in einer gemeinsamen Leitung hintereinander geschaltet. Ausdrücklich legte das Abkommen mit Österreich fest, dass Liechtenstein das Eigentumsrecht am Telefonnetz zustehe. Die Nachfrage nach einem Telefon im eigenen Haushalt hielt sich damals in engen Grenzen. Der Grund dafür lag wahrscheinlich bei den hohen Kosten, wie das Volksblatt berichtete: «Der Abonnent hat die erstmalige Anschaffung des Apparates und die Leitung von der Zentrale in seine Wohnung selbst zu bestreiten; die Kosten hiefür betragen 80 Gulden.» Vor diesem finanziellen Hintergrund ist nicht erstaunlich, dass 1890 erst 4 Privatanschlüsse bestanden, und deren Zahl in den folgenden Jahren nur langsam anstieg. 

Liechtenstein – erstes Land mit vollständig automatisiertem Telefonnetz

Nachdem die Telefon-Entwicklung zu Beginn des 20. Jahrhunderts angezogen hatte, verursachte der Erste Weltkrieg (1914 – 1918) praktisch einen Stillstand. Im Jahr 1911 regelten Liechtenstein und Österreich zwar das Fernmeldewesen in einem Postvertrag, der aber 1920 durch Liechtenstein gekündigt wurde. Schon ein Jahr später konnte Liechtenstein einen Postvertrag mit der Schweiz unterzeichnen, der das Postwesen sowie das Telefonie und Telegrafie an die Schweiz übertrug. Nur die Herausgabe von Briefmarken blieb vom Postvertrag unberührt, was Liechtenstein für einige Zeit erhebliche Einnahmen durch die Philatelie bescherte. 

Die Umschaltung auf den automatisierten Telefonverkehr erfolgte am 20. September 1951, punkt 11 Uhr, im Rahmen einer Feierstunde mit Regierungs-und Landtagsvertretern sowie der Telefondirektion St. Gallen.

Nach einer Zunahme des Telefonverkehrs in den 1920er-Jahren stockte jedoch die Entwicklung aufgrund der Weltwirtschaftskrise wieder. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) setzte wieder ein Aufschwung ein, begleitet von technischen Neuerungen, insbesondere die Automatisierung der Telefonverbindungen. Bis dahin mussten die Verbindungen in den Telefonzentralen von Hand gesteckt werden. Einer Automatisierung des Telefonverkehrs stand Liechtenstein am Anfang etwas skeptisch gegenüber, weil damit etliche Arbeitsstellen in den Telefonzentralen wegfielen. Auch die hohen Kosten der Automatisierung schreckte anfänglich ab, doch 1947 bewilligte der Landtag einen Kredit von 2,2 Millionen Franken für die Automatisierung des Telefonverkehrs. 

Die Umschaltung auf den automatisierten Telefonverkehr erfolgte am Donnerstag, 20. September 1951, punkt 11 Uhr – im Rahmen einer Feierstunde mit Vertretern der Regierung und des Landtags sowie der Telefondirektion St. Gallen. Die Feierstunde stand unter einem ganz besonderen Vorzeichen: Denn Liechtenstein wurde mit der Inbetriebnahme das erste europäische Land, das den Telefonverkehr vollständig automatisiert hatte!