Service public: Vorzeichen ändern sich, Politik ist gefordert

Im Podcast von Zukunft.li diskutieren die stellvertretenden Abgeordneten Thomas Hasler (FBP) und Hubert Büchel (VU) mit Moderator Sigvard Wohlwend und Zukunft.li-Projektleiterin Doris Quaderer (v. l.). Der Podcast findet sich unter www.stiftungzukunft.li /podcast, auf iTunes oder Spotify.

Ruggell – Im Service-public-Bereich ist derzeit einiges in Bewegung. Die Liechtensteinische Post hat Konkurrenz bekommen, ein neuer Stromhändler hat einen respektablen Einstieg in den liechtensteinischen Strommarkt geschafft und der Glasfaserausbau ist abgeschlossen. Damit geht die Transformationsphase im Telekommunikationsmarkt zu Ende. Was bedeutet dies nun für die betroffenen Staatsunternehmen und die Politik?

Text: Doris Quaderer, Stiftung Zukunft.li, Ruggell

Im Zukunft.li-Podcast diskutierte Moderator Sigvard Wohlwend das Thema mit den beiden stellvertretenden Landtagsabgeordneten Thomas Hasler (FBP) und Hubert Büchel (VU) sowie mit der Projektleiterin der Service-public-Studie von Zukunft.li, Doris Quaderer. Sie ist überzeugt, dass sich die Politik mit der Frage auseinandersetzen muss, welche Art von Grundversorgung in diesen Bereichen in Zukunft notwendig ist und inwieweit der Staat noch als Unternehmer auftreten muss. 

Kerngeschäft schrumpft – Auslandgeschäft wächst

Diese Frage stelle sich insbesondere im Telekommunikationsmarkt, wo die staatliche Telecom in den letzten Jahren in allen Bereichen Marktanteile an Wettbewerber verloren habe (siehe Grafik). Der Umsatz im Kerngeschäft (Mobile, Festnetz und Internet) schrumpft seit Jahren. 2019 wurden noch 85 Prozent des Umsatzes dort erwirtschaftet, 2022 waren es nur noch 61 Prozent und dies, obwohl der Bereich Cyber-Security neu auch zum Kerngeschäft gezählt wurde. 

 

Die Marktanteile der Telecom Liechtenstein schwinden – im Festnetzbereich war die Telecom 2016 noch praktisch alleine auf dem Markt, mittlerweile hat sie in diesem Bereich noch einen Marktanteil von 66 %. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Festnetzanschlüsse von rund 16’400 auf unter 11’000 verringert. Quelle: Amt für Kommunikation / Zukunft.li

 

Mittelfristig geht die Regierung davon aus, dass das Kerngeschäft nur noch 50 Prozent des Umsatzes ausmachen wird, wie eine Interpellationsbeantwortung aus dem Jahr 2022 zeigt. Dieser Umsatzrückgang ist insbesondere dem stark schrumpfenden Festnetzbereich geschuldet. Ungefähr die Hälfte der Kunden verzichtete bei der Umstellung auf Glasfaser auf einen Festnetzanschluss. Um weiterhin profitabel zu bleiben, versucht die Telecom diesen Negativtrend mit einem Vorstoss in neue Wachstumsfelder zu kompensieren. So ist sie mittlerweile Marktführerin bei «White-Label-Mobile-Produkten in der Schweiz», bis Ende 2022 hat sie in der Schweiz über 20‘300 Endkundenverträge abgeschlossen, wie es im Geschäftsbericht 2022 hiess. Als weiteren Wachstumsmarkt sieht die Telecom das IoT/M2M-Geschäft (Internet der Dinge, Machine-2-Machine-Kommunikation), das Unternehmen auf der ganzen Welt helfen soll, ihre Digitalisierungsprojekte erfolgreich umzusetzen. Hierbei liegt der Wachstumsfokus laut Telecom insbesondere auf den Märkten Afrika und Südamerika. 

Telecom: Privatisierung eingehend prüfen

Wäre die Telecom Liechtenstein eine private Firma, wäre gegen diese Wachstumsstrategie absolut nichts einzuwenden, weil sie eine private Unternehmensentscheidung wäre. Die Frage ist jedoch, ob es Sinn und Zweck eines staatlichen Anbieters ist, im Ausland zu wachsen. Schliesslich trägt in diesem Fall der Staat das unternehmerische Risiko, wie missglückte Expansionsstrategien von öffentlichen Unternehmen in der Vergangenheit gezeigt haben. Weil die Grundversorgungsrolle der Telecom Liechtenstein durch die Marktliberalisierung und die mittlerweile zahlreichen Mitbewerber nicht mehr gegeben ist, ist es laut Doris Quaderer an der Zeit, die Privatisierung der Telecom umfassend zu prüfen. Dieser Meinung ist auch Hubert Büchel. Das Thema Privatisierung «köchle» schon lange, nun sei es an der Zeit, «das Menü zu servieren». Auch ihn stört, dass die liechtensteinische Telecom in der Schweiz eine Expansionsstrategie verfolgt. Dazu sei sie aber quasi gezwungen, denn das Kerngeschäft schrumpfe, die Zahl der Festnetzkunden
nehme ab, weshalb die Telecom neue Geschäftsfelder erschliessen müsse, um die Vorgaben der Eignerstrategie der Regierung zu erfüllen. 

Rosinenpicken stellt Post vor Herausforderungen

Auch das Marktumfeld für die Post ist schwieriger geworden, da das Briefgeschäft seit Jahren zunehmend durch digitale Alternativen konkurrenziert und auch der Zahlungsverkehr immer weniger nachgefragt wird (siehe Grafik rechts). Erschwerend kommt hinzu, dass der Postmarkt erst kürzlich durch die Umsetzung einer EU-Richtlinie liberalisiert wurde. Kaum umgesetzt, kündigte bereits ein kleines Unternehmen, das unter anderem von ehemaligen Post-Mitarbeitern gegründet wurde, den Markteintritt ins Massengeschäft an. Sollten diese Konkurrenten Erfolg haben, könnte es für die Post schmerzhaft werden. Denn während sich diese nur die Rosinen aus dem Kuchen picken können, muss die Post die flächendeckende Grundversorgung weiterhin auf dem von der Politik definierten hohen Niveau anbieten. Wettbewerb belebt zwar den Markt, wovon die Konsumenten profitieren, die Politik ist aber auch in der Verantwortung, für faire Marktbedingungen zu sorgen. Für die Podcast-Teilnehmer ist klar, dass es zunächst Transparenz darüber braucht, was der Grundversorgungsauftrag der Post überhaupt kostet. Erst wenn darüber Klarheit herrsche, könne über den Umfang und eine allfällige Abgeltung des Grundversorgungsauftrags diskutiert werden.

 

In Liechtenstein stellte die Post 2022 fast ein Drittel weniger Briefe zu als zehn Jahre zuvor. Die Anzahl am Schalter getätigter Bareinzahlungen ging im gleichen Zeitraum sogar um mehr als zwei Drittel zurück. Gestiegen ist hingegen die Zahl der Paketsendungen. Die Post geht aber davon aus, dass dieses Wachstum insbesondere der Pandemie geschuldet war und daher nicht nachhaltig ist. Da der Paketmarkt schon länger liberalisiert ist, sind die Margen dort stark unter Druck. Quelle: Post Geschäftsbericht 2022 / Zukunft.li, Veränderung 2012 bis 2018 linear dargestellt.

 

Energiehandelsplattform als Anreiz für private Investitionen 

Auch auf dem Strommarkt könnte der Eintritt eines inländischen Wettbewerbers zu einer Anpassung der Strompreise beigetragen haben. Weil der Strommarkt in Liechtenstein schon länger liberalisiert ist, müssen die LKW-Wettbewerbern zu regulierten Preisen Zugang zur Netzinfrastruktur gewähren. Der Strommarkt hat aber noch mehr Potenzial, ist Doris Quaderer überzeugt. So hänge die Attraktivität privater Photovoltaikanlagen nicht nur von der staatlichen Förderung, sondern auch von den Rahmenbedingungen des Gesetzgebers oder der Struktur der Stromtarife ab. Derzeit können private Erzeuger ihren überschüssigen Strom zwar an die LKW verkaufen, nicht aber direkt an Verbraucher, etwa in der Nachbarschaft. Für diesen Handel mit Strom aus dezentralen Anlagen (z. B. Solar- oder Biogasanlagen von Privatpersonen, Unternehmen oder Energiegenossenschaften) müssten entsprechende Rahmenbedingungen mit flexiblen Tarifstrukturen geschaffen werden. Eigentlich hatten die LKW angekündigt, bis 2022 eine Energiehandelsplattform zu starten, über die beispielsweise Besitzer von Photovoltaikanlagen Strom handeln können. Ein Vorhaben, das für mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt sorgen könnte und daher von den Diskussionsteilnehmern begrüsst würde.

Private nicht konkurrenzieren

Insgesamt wurde im Podcast deutlich, dass es die beiden stellvertretenden Abgeordneten kritisch sehen, wenn öffentliche Unternehmen jenseits ihres Service-public-Auftrags in privatwirtschaftlichen Märkten unterwegs sind. Schliesslich haben die beiden Regierungsparteien FBP und VU im Koalitionsvertrag festgehalten, dass der Service public durch öffentlich-rechtliche Unternehmen sichergestellt werden soll, möglichst ohne private Unternehmen zu konkurrenzieren. Thomas Hasler hielt jedoch fest, dass der Leidensdruck zum Handeln wohl noch zu gering sei, schliesslich sei es für die Politik praktisch, wenn bei den staatlichen Unternehmen Dividenden abgeschöpft werden könnten. Das sei aber der falsche Weg, denn mit Service public sollte der Staat keinen Gewinn machen müssen, betonte er.