Elektronisches Gesundheitsdossier: Ausdrückliche Einwilligung muss Vorrang haben

Die von der EU übernommene Datenschutzverordnung (DSGVO) hat zum Zweck, die Grundrechte zu stärken und den Bürgern mehr Kontrolle über ihre Daten zu geben. So haben alle Bürger das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Art. 9 der DSGVO normiert jene Daten, die als besonders schutzwürdig erachtet werden. Dazu gehören unter anderem die biometrischen Daten einer Person und die Gesundheitsdaten. 

Text: Erich Hasler

Eine Verarbeitung gesundheitsbezogener Daten (= sensible Daten) ist nur ausnahmsweise erlaubt,  wenn ein «erhebliches öffentliches Interesse» vorhanden ist. Was unter «öffentlichem Interesse» zu verstehen ist, führt Art. 9 DSGVO beispielhaft aus: der Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren oder die Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gesundheitsversorgung. 

Die Regierung hat sich bei der Schaffung des Gesetzes über das elektronische Gesundheitsdossier (eGD) auf diese Ausnahmeregelung berufen, konkret auf die Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gesundheitsversorgung, wobei die Argumente der Regierung nach meiner Auffassung das Aushebeln des Grundrechts der informationellen Selbstbestimmung nicht rechtfertigen. Auch konnte bislang nicht nachgewiesen werden, dass in Ländern, in denen ein erheblicher Teil der Bevölkerung über eine elektronische Gesundheitsakte verfügt, die Qualität der medizinischen Leistungen nachweislich besser geworden ist oder die Gesundheitskosten eingedämmt wurden. 

Österreich, ein schlechtes Beispiel

Österreich, selbst Vorbild für das liechtensteinische eGD, hat die elektronische Gesundheitsakte (kurz: ELGA) im Jahr 2015 eingeführt. Zuerst im Spitalbereich und in Pflegeeinrichtungen und ab dem Jahr 2018 auch im niedergelassenen Bereich. Trotzdem haben sich die Gesundheitskosten seither massiv erhöht. Diese sind trotz ELGA zwischen 2015 und 2022 um sage und schreibe 40 Prozent gestiegen (www.statista.com; Gesundheitsausgaben in AT). Die Aussage der Regierung, dass das eGD einen positiven Effekt auf die Entwicklung der Gesundheitskosten haben wird, kann jetzt schon als grob falsch bezeichnet werden. Tatsache ist hingegen, dass die Gesundheitsdienstleister durch die Führung des eGD einen Mehraufwand haben, der auf die eine oder andere Art den Krankenkassen in Rechnung gestellt wird. Die Zunahme der Gesundheitsausgaben der ersten sechs Monate des laufenden Jahres um 8,22 Prozent scheint dies zu belegen. 

Argumente der Regierung nicht stichhaltig 

Die Kostenwarnung der Regierung bei einer Annahme der Initiative ist fehl am Platz, denn die durch die Gesetzesänderung verursachten Kosten sind im Vergleich zu den Kosten, die das eGD an und für sich schon verursacht, vernachlässigbar (siehe diesjährige Kostensteigerungen von 8,22 Prozent). Ausserdem ist es befremdlich, wenn die Regierung mit angeblichen Kostenwarnungen gegen eine demokratische Initiative argumentiert. Schliesslich muss sie in einer Demokratie immer damit rechnen, dass Bürger gegen ein Gesetz ein Referendum ergreifen oder selbst als Gesetzgeber aktiv werden. 

Zwang zur Digitalisierung von oben?

Die Regierung meint, dass «im Sinne der Patientensicherheit und des Patientennutzens die Digitalisierung auch im Gesundheitswesen Einzug halten muss.» Es stellt sich die Frage, wer denn die Digitalisierung in diesem Ausmass fordert und ob die Ziele damit tatsächlich erreicht werden (siehe oben). Ein Gleichschritt mit der Schweiz wäre auf jeden Fall sinnvoller gewesen.

Auch verweist die Regierung darauf, dass die im eGD gespeicherten Daten vom eGD-Inhaber ein- und ausgeblendet bzw. gelöscht werden können. Soll dadurch die Vollständigkeit sichergestellt und gegebenenfalls Doppelbehandlungen vermieden werden? Ein Widerspruch in sich. 

Ausdrückliche Einwilligung ist beim Datenschutz Standard

Die ausdrückliche Einwilligung bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist heute überall Standard. In jedem Verein, beim Besuch einer Webseite oder bei der Bestellung eines Produkts im Online-Shop muss der Nutzer seine Einwilligung zur Verarbeitung seiner persönlichen Daten geben. Nur im Gesundheitsbereich, in dem es um die Verarbeitung hochsensibler Daten geht, soll es anders sein. Ich meine, dass auch beim eGD die Freiwilligkeit Vorrang haben muss, denn jeder muss die Verantwortung für seine eigenen höchstpersönlichen Daten übernehmen. Deshalb: Ja zur Opt-in Lösung und nein zu Entscheidungen über die Köpfe der Bürger hinweg!