Demenzerkrankung: Ausstellung einer Vorsorgevollmacht

Regierungsrätin Graziella Marok-Wachter musste in der Landtagssitzung einige Kleine Anfragen beantworten.   Foto: ikr

Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Hoop in der Landtagssitzung vom Juni 2023  

Aufgrund der steigenden Lebenserwartung nimmt die Zahl der Demenzfälle stark zu. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird sich die Zahl der weltweit Erkrankten bis 2030 auf über 70 Millionen verdoppeln. In Deutschland könnte sich die Zahl der Betroffenen bis 2050 von heute 1,7 auf 2,6 Millionen erhöhen, in der Schweiz auf über 300’000. Liechtenstein ist da sicherlich keine Ausnahme. Auch jüngere Menschen können davon betroffen sein. Eine Demenzerkrankung ist für Betroffene und Angehörige nicht leicht zu bewältigen.

Mit einer rechtzeitig erteilten Vorsorgevollmacht können die Betroffenen dafür sorgen, dass jemand an ihrer Stelle entscheiden und die persönlichen, finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten erledigen kann. Dies eben gerade dann, wenn sie dazu nicht mehr in der Lage sind. Die Erkrankten bestimmen somit selbst, wer sie in welchen Angelegenheiten vertreten darf, sollte der Fall eintreten, dass sie selbst nicht mehr handlungs- beziehungsweise geschäftsfähig sind. Bei allen gängigen Anlaufstellen (Seniorenbund, Demenz Liechtenstein, etc.) wird aufgrund der späteren Rechtssicherheit empfohlen, dafür einen Anwalt beizuziehen. Für so einen Sachverhalt finden sich nur vereinzelt Vorlagen.

 

Fragen

 

  1. Ist es möglich, die Interessierten (analog dem Testament) beim Landgericht erscheinen zu lassen und dort eventuell gegen eine Gebühr eine Vorsorgevollmacht erstellen zu lassen?
  2. Wenn nein, was spricht aus der Sicht der Regierung gegen dieses Angebot für die Bevölkerung?
  3. Wie viele Vorsorgevollmachten wurden in den letzten zehn Jahren (pro Jahr) beim Fürstlichen Landgericht hinterlegt?
  4. Wie viele Vorsorgevollmachten kamen in den letzten zehn Jahren (pro Jahr) zum Tragen?
  5. Gab es Vorsorgevollmachten, welche vom Gericht nicht anerkannt wurden und schlussendlich doch ein Sachwalter bestellt werden musste?

 

Beantwortung durch Regierungsrätin
Dr. Marok-Wachter Graziella

 

zu Frage 1:

Bei Einführung des Instituts der Vorsorgevollmacht war es das Ziel, zum einen Rechtssicherheit zu schaffen, und zum anderen die administrativen und finanziellen Hürden für die Erstellung einer Vorsorgevollmacht möglichst gering zu halten. § 284b Abs. 3 ABGB sieht für die Errichtung einer sog. qualifizierten Vorsorgevollmacht besondere Formerfordernisse vor. Im Gegensatz zur «einfachen» Vorsorgevollmacht ist sie vor einem Rechtsanwalt oder vor dem Landgericht zu errichten. Um eine qualifizierte Vorsorgevollmacht handelt es sich, wenn folgende Angelegenheiten ebenfalls von ihr umfasst sein sollen:

  • Einwilligungen in schwerwiegende medizinische Behandlungen im Sinne des § 283 Abs. 2 ABGB;

  • Entscheidungen über die dauerhafte Änderung des Wohnortes;

  • Besorgung von Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören,

Qualifizierte Vorsorgevollmachten können also beim Landgericht errichtet werden. Dabei ist der Vollmachtgeber über die Rechtsfolgen einer solchen Vorsorgevollmacht und auch über die Möglichkeit eines jederzeitigen Widerrufs zu belehren. Die Urkundsperson muss sich auch vergewissern, dass Einsicht- und Urteilsfähigkeit des Vollmachtgebers gegeben sind und dass beurkundet wird, was er auch wirklich will. Der Vollmachtgeber muss sich der Bedeutung und der Tragweite des Inhalts seiner Vorsorgevollmacht bewusst sein. In diesem eingeschränkten Sinn findet also eine rechtliche Beratung statt.

Grundsätzlich ist zwischen der Errichtung und der Registrierung einer Vorsorgevollmacht im Zentralen Vertretungsverzeichnis gemäss § 284e ABGB zu unterscheiden. Die Gebühr für die Errichtung oder Abänderung beträgt gemäss Gerichtsgebührengesetz CHF 500, diejenige für die Registrierung CHF 100.– Registriert werden können auch nicht bei Gericht errichtete Vorsorgevollmachten; dies stellt den Regelfall dar. Im Rahmen der Registrierung einer Vorsorgevollmacht sieht das Gesetz keine rechtliche Prüfung oder Rechtsberatung vor.

zu Frage 2:

Eine Erweiterung der Möglichkeit zur Errichtung einer Vorsorgevollmacht bei Gericht ist nicht angezeigt. Rechtsberatung ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte. Zudem wären dafür auch Kapazitäten notwendig, da der Aufwand für eine umfassende Rechtsberatung in Bezug auf die Errichtung einer Vorsorgevollmacht nicht zu unterschätzen ist. Es gibt auch keinen sachlichen Grund, genau in diesem Bereich die Möglichkeit einer Rechtsberatung durch das Gericht einzurichten.

zu den Fragen 3 und 4:

Die massgeblichen Zahlen der letzten zehn Jahre hinsichtlich der Registrierung bzw. Errichtung von Vorsorgevollmachten beim Landgericht:

Jahr

bei Gericht registriert

davon bei Gericht errichtet

Bestätigung des Wirksamwerdens

Widerruf

2013

8

0

0

1

2014

13

0

0

0

2015

10

3

0

0

2016

26

4

0

0

2017

20

1

0

0

2018

26

1

0

0

2019

53

1

4

3

2020

45

6

6

2

2021

72

1

6

3

2022

55

3

4

3

zu Frage 5:

Soweit ersichtlich, gab es bisher keinen Fall, in dem die Vorsorgevollmacht vom Gericht nicht anerkannt wurde und deshalb trotz vorliegender Vorsorgevollmacht eine Sachwalterschaft zu errichten war.