Leserbrief: Der Steinpilz des Atheisten

Ostern, vor Pfingsten und Weihnachten der höchste Feiertag der Katholischen Kirche. An Ostern feiern Christen die Auferstehung Jesu und seinen Sieg über den Tod.

Die Freude, die auch Nichtchristen auf das Osterfest, mit der Freude auf den Frühling, auf Licht und Wärme verbinden, beginnt ab Aschermittwoch mit der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern. Beim heutigen modernen Menschen sind jedoch Sinn und auch Nutzen des Osterfestes aus den zwar christlichen, aber in jener Hinsicht vollständig unbenutzten Synapsen entfleucht. Die Fastenzeit, deren Zweck er beim Besehen seines monströsen Bierbauches, welcher ihm den Blick auf sein eigentliches Wesen längst schon versperrt, insgeheim ja erkennt, braucht er nur, wenn Schwiegermutter kocht. Für das Osterfest übt er die italienische Sprache, damit er im Tessin unten den „Latte macchiato con Fungi di Pietra (Steinpilz)“ so artgerecht bestellen kann, dass sogar der Oberkellner glaubt, er wäre ein Nachkomme jener hünenhaften blonden Sizilianer, welche nach Amerika ausgewandert, sich auch dort schon in der Prohibition keinen Dreck um das Eierfärben scherten. In den Medien wurde nun berichtet, dass der Londoner Zoo sogar die Wichtigkeit von Ostern erkannte und mit den Tieren die Freude, die uns ja doch alle irgendwie, schon wegen der freien Tage bewegt, teilen wollte. So bekamen die Tiger Plätzchen mit Zimtgeschmack, um ihre Libido frühlingsgerecht anzuregen und sie dann bei der Kopulation nicht so verbittert durch die Gitter schauen müssen. Die Affen bekamen Pistazien und Erbsen, aber senza Fungi. Den Zebras wurden ihre Eier gefärbt und nachher versteckt. Aber was rührt sich eigentlich in einem Atheisten und in seinem Magendarmtrakt, wenn er faktisch dazu gezwungen wird, christliche Feiertage mitfeiern zu müssen? Er, dem das Gebet fremd und alles verabscheuungswürdig zuwider ist, was mit dem christlichen Glauben an Gott zu tun hat? Macht er da auch mit und freut sich sogar an dem, was er zutiefst verdammt?

Jo Schädler