VU-Bürgerpaket 2.0: «Politik für Land und Leute»

Generalsekretär Michael Winkler, Fraktionssprecher Manfred Kaufmann und der stellvertretende Abgeordnete Markus Gstöhl (v. l.) bei der Präsentation des neusten VU-Bürgerpakets.

Die VU möchte die Bevölkerung bzw. die weniger gut situierten Einwohnerinnen und Einwohner, stärker am Wohlstand des Staates teilhaben lassen. Dazu greift sie auf das bewährte Mittel des Bürgerpakets zurück. Fraktionssprecher Manfred Kaufmann und Generalsekretär Michael Winkler erläutern die Hintergründe.

Die VU hat zum zweiten Mal ein Bürgerpaket präsentiert. Was sind die Beweggründe hinter beiden Paketen?
Michael Winkler:
Wenn ein Staat kontinuierlich Gewinne schreibt, muss man diese auch an seine Bürger weitergeben. Das war bereits beim ersten Bürgerpaket der Fall, und wir wollen daran anknüpfen. Es kann nicht sein, dass man die Bürger mit Sparmassnahmen konfrontiert, wenn es für die Staatskasse eng wird und die Gewinne nicht in irgendeiner Form an die Bürger weitergibt, wenn es dem Staatshaushalt besser geht. Das hat für uns auch mit Fairness zu tun. 

Manfred Kaufmann: Gute Politik bedeutet für mich, dass man zielgerichtet jene unterstützt, die es nötig haben. Wir haben bei uns im Land sehr wohl relative Armut, obwohl wir ein reiches Land sind. Ausserdem kann eine zielgerichtete Politik Anreize schaffen, um Wünschenswertes zu unterstützen. Mir sind in diesem Zusammenhang besonders Familien mit Kindern im Schul- und Ausbildungsalter wichtig, weshalb wir im ersten Schritt des Bürgerpakets 2.0 diese Gruppe besonders in den Fokus gerückt haben. 

Wie kommt ein solches Paket zustande? 
Manfred Kaufmann:
Wir hatten im vergangenen Spätherbst einen Workshop mit der Fraktion, in dem wir Themen festgelegt haben, die wir in dieser Legislatur bearbeiten wollen. In der Folge haben wir kleine, effiziente Gruppen gebildet, die sich diesen Themen annehmen. In der Arbeitsgruppe Bürgerpaket 2.0 sind Markus Gstöhl, Michael Winkler und ich. Wir recherchieren zu den Themen, sammeln unsere Ergebnisse und führen regelmässige Treffen durch, bis die Vorstösse parat sind. Letztlich ist es wichtig, dass die Fraktion dahinterstehen kann.

Welches Fazit ziehen Sie zum Erfolg des ersten Pakets? Womit konnten Sie durchdringen und womit nicht?
Manfred Kaufmann:
Die wichtigsten Erfolge sind sicher der erhöhte Kinderabzug, den wir mit einem Postulat zur steuerlichen Entlastung von Familien auf den Weg gebracht haben. Dabei konnte auch der duale Bildungsweg steuerlich bessergestellt werden. Weiter konnten wir den Bezügerkreis für die Krankenkassen-Prämienverbilligung deutlich erweitern. Der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Unwägbarkeiten ist es jedoch geschuldet gewesen, dass wir unsere Prioritäten in Sachen Vorstösse anders gesetzt haben. 

Michael Winkler: Was wir für gezielte Entlastungen brauchen, sind fundierte Zahlen, gerade was Armut in Liechtenstein angeht. Diesbezüglich hat sich der Gesellschaftsminister beständig geweigert, sie zu erheben. Das ist sicher ein Manko in unserem Land. Ein neuer Armutsbericht – letztmals erhoben im Jahr 2008 – wurde uns nun für das Jahr 2023 in Aussicht gestellt. Das ist zum Teil frustrierend, weil das unsere Bestrebungen verzögert und der in Ausarbeit befindliche Armutsbericht dann als Ausrede gilt, bevor Taten gesetzt werden können. Mit unseren Postulaten wollen wir die Regierung dazu auffordern, verlässliche und transparente Zahlen zu liefern. So kann man die Unterstützungen zielgerichteter ausrichten und allenfalls populistische Behauptungen entkräften, die immer wieder die Runde machen.

Woran lag es, dass einige Vorstösse aus dem ersten Paket gescheitert sind?
Michael Winkler:
Wirklich gescheitert ist keiner unserer Vorstösse. Aber manchmal wurden wir von unseren politischen Mitbewerbern in ein falsches Licht gerückt. Das ist sicher auch der Parteipolitik geschuldet. Gerade der vorhergehende Finanzminister hat ja schon bei der Ankündigung unseres ersten Bürgerpakets recht allergisch reagiert, obwohl er uns dann am Ende doch aktiv unterstützt hatte – zum Beispiel beim Kinderabzug. Der aktuelle Finanzminister, Daniel Risch, ist deutlich aufgeschlossener.

Was sind die Inhalte des zweiten Bürgerpakets und warum gerade diese?
Manfred Kaufmann:
Wir sind nahe an der Bevölkerung, und uns werden Probleme zugetragen. Vielfach handelt es sich um Einzelschicksale, und zum Teil kommen wir über unsere Recherchen drauf, dass Handlungsbedarf im System gegeben ist. So war es bei unserem Postulat zum bezahlbaren Wohnen. Das ist besonders für junge Familien wichtig. Dabei geht es auch um die Bildung von Eigentum, was dabei hilft, Fixkosten zu senken, aber ebenfalls ein Thema für die Altersvorsorge ist. Klar, es wird sich niemals jeder ein Eigenheim leisten können. Das wäre auch in Sachen Nachhaltigkeit nicht sinnvoll. Viele wollen das auch nicht. Aber diejenigen, die es wollen, sollen dabei zweckmässig unterstützt werden. Um es vorauszuschicken: Unverhältnismässige Eingriffe in den Markt führen sicher nicht zum Ziel.

Michael Winkler: Ein weiterer Punkt ist die Unterstützung und Förderung von Familien. Gerade die Ausbildung von Kindern ist kostenintensiv. Wir bekennen uns durch unseren Vorstoss zum Bildungsstandort und sehen diese für Familien anfallenden Kosten als Investition in unsere Volkswirtschaft. Zudem wurden die Familienzulagen seit 15 Jahren nicht mehr erhöht. Weitere Themen werden in naher Zukunft die Ergänzungsleistungen sein: Dadurch erhalten Menschen im Alter, die finanzielle Probleme haben, gezielte Unterstützung. Auch dabei geht es darum, die Leistungen auf ihre Treffsicherheit und geeignete Höhe zu überprüfen. Und wie immer beim Bürgerpaket gilt: Wenn auch andere Parteien sinnvolle Vorstösse in wichtigen Fragen von Bürgern und deren Unterstützung bringen, werden wir diese ebenfalls unterstützen. Als Partei nehmen wir selbstverständlich auch gerne Anregungen von Einwohnerinnen und Einwohnern entgegen und prüfen daraufhin zielgerichtete Massnahmen.

Ergibt ein Vorbezug der Pensionskasse für einen jungen Menschen, der vielleicht fünf oder zehn Jahre einbezahlt hat, überhaupt Sinn? Immerhin kann er nicht sonderlich viel aus der Pensionskasse entnehmen und schmälert damit sein Alterskapital.
Manfred Kaufmann:
Wir hatten dieses System schon einmal. Und auch im Alter sind die Wohnkosten für viele ein Problem. Haben sie aber ein abbezahltes Eigenheim, fällt das weg. Eine Prüfung über ein Postulat ergibt für uns deshalb Sinn. 

Michael Winkler: Wir haben gegenüber der Schweiz in der Frage der Pensionskassen sicher einige Vorteile. So ist der Umwandlungssatz beispielsweise bei uns kein Spielball der Politik. Ein wesentlicher Unterschied ist aber dieser Vorbezug, den wir bei uns nicht vornehmen können. Ja, es sind damit auch die von Ihnen angesprochenen Risiken verbunden. Aber die Regierung erhält durch das Postulat die Möglichkeit, die Situation darzulegen und dann können wir darauf reagieren. 

Welchen Erfolg rechnen Sie sich mit diesem Bürgerpaket aus?
Manfred Kaufmann:
Ein Erfolg des Bürgerpakets ist auch immer ein Erfolg für unsere Einwohnerinnen und Einwohner. Daher hoffe ich schon, dass wir auch von unseren Mitbewerbern unterstützt werden. Denn schliesslich soll die Politik für das Land und die Leute gemacht werden.

Bis wann könnten die angestrebten Neuerungen umgesetzt sein?
Michael Winkler:
Das hängt davon ab, wie schnell die Regierung arbeitet. Die Prüfungen sind das eine, die Handlungen dann das andere. Bei den steuerlichen Abzügen für Kinder haben wir beispielsweise gesehen, dass die Regierung schnell agierte. Bei anderen Vorstössen wird die Regierung vielleicht unsere Begeisterung nicht derart teilen, und wir müssen gegebenenfalls noch einmal verbindliche Vorstösse einreichen. Ziel ist es jedenfalls, dass wir bis Ende der Legislatur wichtige Reformen auf die Spur gebracht haben.

Sie haben schon angekündigt, dass es weitere Vorstösse zur Entlastung des Mittelstands geben wird. Können Sie schon verraten, in welche Richtung sie gehen sollen?
Manfred Kaufmann:
Wir behalten natürlich neben den Familien auch immer die Situation der Rentner im Auge. Michael hat vorhin die Ergänzungsleistungen angesprochen. Aber auch andere Bereiche schauen wir uns genauer an. Denn nach zielgerichteten und wirksamen Direktzahlungen ist die zweitbeste Möglichkeit, Menschen zu entlasten, indem sie steuerlich entlastet werden. Im Vergleich zu den Nachbarländern haben wir bei uns gute steuerliche Rahmenbedingungen. Das hindert uns aber nicht daran, zu überprüfen, wo man die Dinge für unsere Einwohner noch besser machen kann.

Michael Winkler: Wir erwarten auch gespannt den Armutsbericht und die von der Regierung in Aussicht gestellte Altersstrategie. Wenn die Fragen, die wir diesbezüglich aufgebracht haben, beantwortet werden, ergibt sich daraus mit Sicherheit die Möglichkeit für weitere zielgerichtete Massnahmen. Wie bereits erwähnt: Nur wenn wir in wichtigen Bereichen mehr Transparenz haben, können wir bessere Lösungen finden.

Heisst das, die VU wird vorerst keinen weiteren Vorstoss zur Erhöhung der AHV-Rente unternehmen?
Michael Winkler:
Die AHV-Rente kommt aus einem Umverteilungssystem. Jene, die im aktiven Erwerbsleben stehen, finanzieren die AHV-Bezüger. Die Erhöhung der Rente bedeutet, dass dieses Geld irgendwann jenen Generationen fehlen wird, die heute die Beiträge leisten. Daran müssen wir auch immer denken. Daher halten wir es für richtig, dass wir jenen, die auf die AHV angewiesen sind, zielgerichtete Instrumente schaffen, um sie zu unterstützen bzw. sie zu entlasten. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel auch unser Vorstoss zu verstehen, bei dem wir die Krankenkassen-Prämienverbilligung einfacher zugänglich machen wollen. Von einer AHV-Erhöhung profitieren auch jene, welche die Möglichkeit hatten, eine grosszügigere Altersversorgung einzurichten. Diese würden sich sicher über einen Zustupf freuen, brauchen ihn aber nicht unbedingt. Wir müssen mit Mass und Ziel vorgehen und die Mittel dort einsetzen, wo sie wirklich gebraucht werden.