Auftrag an die die Regierung: Inländerdiskriminierung beseitigen

Johannes Kaiser und Karin Zech-Hopp beim Interview.

Interview mit den Landtagsabgeordneten Karin Zech-Hoop und Johannes Kaiser über die Motion zur Ermöglichung eines 150-Prozent-Gemeindesteuerzuschlags und damit Beseitigung der steuerlichen Inländerdiskriminierung über 40 Prozent der liechtensteinischen Bevölkerung.

Frau Zech-Hoop, was bewog die FBP, diese Motion «zur Ermöglichung einheitlicher Gemeindesteuerzuschläge – gegen Inländerdiskriminierung» zu lancieren?
Karin Zech-Hoop: Im Juni 2021 beschäftigte sich der Landtag mit der Behebung einer Ausländerdiskriminierung, welche eine Staatsgerichtshofentscheidung zutage gebracht hatte. Mit der Aufhebung dieser Ausländerdiskriminierung entstand aber gleichzeitig eine grosse Inländerdiskriminierung, von welcher über 40 Prozent unserer Bevölkerung betroffen sind. Dies sorgte für sehr grossen Unmut im Landtag. Eigentlich erwarteten wir einen Vorstoss der Regierung, doch nachdem diesbezüglich kein Signal kam, haben wir diesen parlamentarischen Vorstoss erarbeitet, um ohne grosse Systemumstellung eine Lösung auf den Weg zu bringen.

Herr Kaiser, was ist die Konsequenz dieses Landtagsbeschlusses vom Juni 2021?Johannes Kaiser: Es gibt eine Ungleichbehandlung bei der Steuerleistung, welche die Einwohner in den Gemeinden Balzers, Eschen, Mauren und Ruggell erbringen müssen. Sie zahlen beim nächsten Eintreffen der Steuererklärung in Balzers 20 Prozent, in Eschen und Mauren 30 Prozent und in Ruggell 25 Prozent höhere Gemeindesteuern als EWR-Staatsangestellte aus dem Ausland und temporäre Fachkräfte aus der Schweiz – sogenannte «Nichtrückkehrtage»  –  gemäss Doppelbesteuerungsabkommen. Das ist eine krasse Minderstellung und in diesem Sinne eine Diskriminierung der einheimischen Bevölkerung. Das sind über 10‘000 Steuerpflichtige.

Zech-Hoop: Nach diesem Landtagsbeschluss blieben bei mir ein grosser Frust und die Erkenntnis, dass es so nicht bleiben kann. Das war sozusagen der Tropfen, welcher das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Es kann nicht sein, dass wir 16‘000 Einwohner – also über 40 Prozent unserer Bevölkerung – diskriminieren. Diese sind in den Gemeinden wohnhaft, welche sich keinen tieferen Gemeindesteuerzuschlagssatz leisten können. Dabei handelt es sich um die mittelgrossen Gemeinden, welche zu wenig Steuern generieren können, um ihre Aufwände respektive ihre Investitionen zu decken und somit auf den Finanzausgleich angewiesen sind.

Können Sie ein Beispiel dieser Ungleichbehandlung bzw. dieser Diskriminierung nennen?
Kaiser: Gerne. Es geht nicht nur um die zahlreichen EWR-Staatsangehörigen, die im öffentlichen Dienst arbeiten, sondern auch um die öffentlichen Dienstnehmer aus der Schweiz sowie um «begrenzt Steuerpflichtige», zum Beispiel um einen EDV-Spezialist oder Ingenieur mit Wohnsitz in der Schweiz, welche in der Industrie in Eschen länger dauernde Einsätze haben.  Für das in Eschen erzielte Einkommen bezahlen sie 150 Prozent Gemeindesteuern, während die Eschner Einwohner 30 Prozent mehr – also einen Gemeindesteuerzuschlag von 180 Prozent – zu bezahlen haben. Oder z.B. eine Pflegekraft aus Eschen, die in der LAK oder im Spital arbeitet, zahlt 180 Prozent Gemeindesteuern, während alle ihre Arbeitskollegen mit Wohnsitz im Ausland nur 150 Prozent zahlen, unabhängig von ihrem Arbeitsort. Das ist ein Missstand, der in dieser Form nicht akzeptiert werden kann.

Wo liegt die Hauptproblematik für diese betroffenen Gemeinden?
Zech-Hoop: Die Gemeinden Balzers, Eschen und Mauren und können nicht ohne weiteres ihren Gemeindesteuerzuschlagsatz auf 150 Prozent senken und auch in Ruggell wäre das nur unter Verzicht auf Investitionen möglich. Sie würden bei diesem Satz jährlich 10 bis 13 Prozent weniger Steuereinnahmen generieren, womit ihnen dann jährlich rund 6 Millionen Franken fehlten. Solch ein massiver Einnahmenrückgang kann dauerhaft nicht über Reserven finanziert werden. Die Reserven müssen für Investitionen verwendet werden und dürfen nicht systematisch für laufende Ausgaben draufgehen. Mit unserem Vorstoss möchten wir den Gemeinden mit tiefer Steuerkraft ermöglichen, den Gemeindesteuerzuschlagssatz auf 150 Prozent zu senken, indem wir über Beiträge in der Stufe 2 des Finanzausgleichs ihre Finanzierungskraft erhöhen. Die Mittel dazu werden von unseren finanzstärksten Gemeinden über eine Absenkung der Obergrenze bei der Ertragssteuer von derzeit 25 auf 21 Prozent beigesteuert.

Ist die Finanzausgleichssystematik aus den Fugen geraten?
Kaiser: Den mittelgrossen Gemeinden fehlt zusehends eine ausreichende Grundfinanzierung, um ihre dringenden Aufgaben erfüllen zu können. Die Gründe gehen auch auf die Staatshaushaltssanierung zurück. In den letzten zehn Jahren wurde der Finanzausgleich deutlich gekürzt. Der Mindestfinanzbedarf als wichtige Ausgleichsgrösse wurde künstlich nach unten gedrückt.  Auch das modifizierte Subventionsgesetz führte dazu, dass es die Kostenbeteiligung des Staates bei Investitionen in dringende Gemeindeprojekte und -infrastrukturen nicht mehr gibt. Auf der anderen Seite sind die verpflichtenden Kostenbeteiligungen vonseiten der Gemeinden an den Staat – so bei den massiv gestiegenen Sozial- und Beitragsleistungen, bei der hälftigen Beteiligungen an den Lehrerlöhnen in den Gemeinden usw. – enorm gestiegen. Es bleibt für die mittelgrossen Gemeinden somit nur noch ein minimaler Einnahmen-Flow übrig, um Investitionen tätigen zu können.

An welchen Stellschrauben setzt der Lösungsvorschlag der FBP-Motion an?
Zech-Hoop: Wir haben einen systematischen Ansatz gewählt und setzen an der effektiven Steuerkraft der Gemeinde an. Dieses Element wird im aktuellen Finanzausgleich nicht verwendet, weshalb es nicht mit anderen Elementen im Finanzausgleich direkt interagiert.  Die effektive Steuerkraft zeigt ein sehr gutes Bild der Finanzkraft einer Gemeinde pro Einwohner. Folglich können die für die Grundfinanzierung benötigten Beiträge pro Einwohner in Abhängigkeit von der effektiven Steuerkraft systematisch festgelegt werden.

Gleichzeitig bewegen wir uns nur in der Stufe 2 des Finanzausgleiches. Dadurch bleibt das Ganze übersichtlich und nachvollziehbar. Mit der Einwohnerzahl ≥3300 kann eine Abgrenzung zu den bereits bestehenden Finanzausgleichszahlungen an kleinere Gemeinden vorgenommen werden. Eine weitere Stellschraube ist die bestehende Obergrenze bei der Ertragssteuer. Indem diese Obergrenze leicht gesenkt wird, können die benötigten Mittel von den finanzstarken Gemeinden für die verbesserte Grundfinanzierung freigemacht werden.

Die Regierung hat bei einer Motion, würde sie überwiesen, grundsätzlich zwei Jahre Zeit, die gesetzliche Grundlage dem Landtag vorzulegen. Die Motionäre erwarten jedoch eine schnelle Implementierung.
Kaiser: Es handelt sich hier nicht um eine Reform des Finanzausgleichs, sondern um einen konkreten pragmatischen Lösungsansatz dieses inakzeptablen Missstandes, dass über 40 Prozent der inländischen Bevölkerung beträchtlich mehr Steuern zu bezahlen haben, als EWR-Staatsangestellte aus dem Ausland und temporäre Fachkräfte aus der Schweiz – steuertechnisch als Nicht-Grenzgänger gemäss DBA mit der Schweiz bezeichnet.  Diese Motion ist in der Umsetzung sehr überschaubar, das heisst, dass die Regierung diese Gesetzesanpassung bis in den Sommer vorlegen und der Landtag diese Beseitigung der Inländerdiskriminierung im Herbst beschliessen kann. So wird für das Steuerjahr 2022 für alle Gemeinden Liechtensteins die Möglichkeit geschaffen, einen Gemeindesteuerzuschlag von 150 Prozent anzuwenden.

Was spricht dagegen, jetzt nichts zu machen – mit dieser Diskriminierung zu leben – und die Lösung dieser Problematik in eine generelle Reform des Finanzausgleichs einfliessen zu lassen, wie es der Regierungschef in einem Volksblatt-Interview am 29. Dezember 2021 gemeint hat?
Zech-Hoop: Jetzt nichts zu machen, ist keine Option für mich. Diese Motion schafft schnell und unkompliziert die Inländerdiskriminierung ab. Nachdem kein wirklicher Steuerwettbewerb besteht, sollten alle Bürger gleichbehandelt werden. Gerade dies sollte die Basis für eine umfassende Reform im Finanzausgleichssystem mit gleichzeitiger Aufgabenentflechtung sein.

Welches sind die Gründe der These, dass diese Motions-Implementierung eine sehr gute Ausgangslage für eine künftige Überarbeitung bzw. Neugestaltung des Finanzausgleichs darstellt?
Kaiser: Wie bereits mehrfach ausgeführt, ist eine generelle Reform des Finanzausgleichs sowie der Aufgabenentflechtung dringend notwendig, doch nimmt eine solche Umsetzung und Einigung zwischen Land und Gemeinden einen grossen Zeitraum in Anspruch. Unser Lösungsansatz geht deshalb dahin, zuerst die jetzt entstandene Diskriminierung und die steuerliche Ungleichbehandlung einzelner Gemeinden zu lösen. Darauf aufbauend kann dann das Finanzausgleichssystem revidiert werden. Wenn das nicht geschieht, wird jeder Reformvorschlag diese Ungleichbehandlung mitziehen, weil das Fundament schief ist.  Die entscheidenden Parameter der Finanzausgleichsreform liegen in einer realen Spiegelung der Steuerkraft und der Finanzbedarfsanforderungen.  Es ist auch die Unlogik zu beseitigen, dass bei Mehreinnahmen einer Ausgleichsgemeinde die Steuereinnahmen neutralisiert werden und der Finanzausgleich gar minder ausfällt. Mit dieser Motion wird für diese künftige Arbeit an der Reform des Finanzausgleichs eine sehr gute Basis geschaffen.