Unterstützung Pflege daheim statt Pflege im Heim

Jeder will zwar gerne alt werden – aber alt sein? Niemand hat es in der Hand, wie sich seine Gesundheit ins hohe Alter entwickelt. Die Hoffnung, dass man nicht auf eine Rundum-Pflege angewiesen sein wird, wird für viele nicht erfüllt. Wir müssen uns darauf einstellen, als Senioren – wenn wir Glück haben, erst hochbetagt – auf Betreuung und Pflege angewiesen zu sein. Die meisten von uns möchten ihren Lebensabend zu Hause verbringen oder doch möglichst lange im gewohnten Daheim leben dürfen. 

Um diesem Wunsch nachzukommen, hat Liechtenstein bereits vor Jahren entscheidende Schritte unternommen. Neben einem gut ausgebauten und für alle finanzierbaren stationären Angebot hat Liechtenstein die häusliche Pflege massiv gestärkt. Mit der Einführung des Betreuungs- und Pflegegeldes (BPG) Anfang 2010 wurden die finanziellen Möglichkeiten der Betroffenen entscheidend verbessert. Die Höhe der finanziellen Unterstützung richtet sich nach der benötigten Pflegestufe und beträgt in deren höchster 180 Franken pro Tag bzw. 5400 Franken im Monat. Mit diesem Geld kann sich der Pflegebedürftige auf seine Situation zugeschnittene Unterstützung «einkaufen», z.B. von der Familienhilfe (Spitex) oder von anderen privaten Pflegedienstleistern. Er kann aber auch Angehörige, die ihn pflegen, entlohnen. Letzteres ist von grosser Bedeutung, da rund zwei Drittel der älteren betreuungs- und pflegebedürftigen Personen zu Hause von den Angehörigen gepflegt werden. 

Vereinbarkeit zwischen Pflege der Eltern und Beruf
Neben den Partnern und Partnerinnen übernehmen im hohen Alter vor allem die erwachsenen Kinder diese Aufgabe, überwiegend Frauen. Nach dem Konflikt zwischen der Vereinbarkeit von Familie bzw. Kindern und Beruf geraten sie in einen neuen – nämlich jenen zwischen Pflege der Eltern oder Schwiegereltern und Beruf. So gaben gemäss einer Schweizer Studie (SwissAgeCare-Studie) zwei Drittel der pflegenden Angehörigen an, ihr Arbeitspensum reduziert zu haben, 16 Prozent gaben den Beruf ganz auf. Mit dem Betreuungs- und Pflegegeld können die pflegenden Angehörigen also entscheidend entlastet werden.

Häusliche Pflege: Rückgrat der Betreuung und Pflege im Alter
Im Jahr 2010 nahmen 244 Personen das Betreuungs- und Pflegegeld in Anspruch, im Jahr 2019 waren es bereits 485 Personen – und die öffentliche Hand bezahlte 7 Millionen bzw. 10,5 Millionen Franken aus. Ein weiterer Blick in die Statistik zeigt, dass 2010 insgesamt 71 Personen die höchsten Pflegestufen 5 und 6 benötigten, 2019 waren das 108 Personen. Es ist davon auszugehen, dass diese Personengruppe aufgrund des sehr hohen Pflegebedarfs ohne das Betreuungs- und Pflegegeld mehrheitlich stationär betreut werden müsste. Liechtenstein bräuchte bereits heute mindestens ein zusätzliches Pflegeheim. Das würde für den Staat viel höhere Kosten bedeuten!

BPG nicht nur für pflegebedürftige Senioren
Wichtig zu wissen ist auch, dass das Betreuungs- und Pflegegeld nicht nur pflegebedürftigen Senioren zusteht, sondern allen Altersgruppen, auch Kindern. Ein weiteres wichtiges Merkmal des BPG besteht darin, dass bei der Ermittlung des Pflegegrades neben physischen auch psychische und kognitive Defizite berücksichtigt werden. Dadurch können z.B. auch demenzkranke Personen vom BPG profitieren. Die angeführten statistischen Daten betreffen also nicht nur Senioren. Detaildaten, wie viele der BPG-Bezüger Senioren sind, oder wieviel der ausbezahlten Summe an Senioren geht, sind nicht publiziert. Die Studie der Stiftung Zukunft.li zum Thema Pflegefinanzierung gibt aber einen Hinweis darauf, dass rund zwei Drittel des ausbezahlten Betreuungs- und Pflegegeldes an Senioren geht, ein Drittel immerhin an andere Altersgruppen.

Alle Anspruchsgruppen sind betroffen
Finanziert wird das Betreuungs- und Pflegegeld von Land und Gemeinden, kurzum vom Steuerzahler. Wenn man bei der Finanzierung der Pflege im Alter verstärkt auf Eigenverantwortung setzt, bedeutet dies, dass die «so oder so» anfallenden Kosten verstärkt dem Einzelnen aufgebürdet werden. Die unbestreitbaren Erfolge des Betreuungs- und Pflegegeldes wären infrage gestellt, wovon nicht nur Senioren, sondern auch alle anderen bisher Anspruchsberechtigten betroffen wären. Das sollten wir nicht aufs Spiel setzen.