Beschaffungswesen öffentlicher Auftragsvergaben

Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch musste Kleine Anfragen im Landtag vom Mai 2021 beantworten.

Landtag Mai 2021: Kleine Anfrage des Abg. Günter Vogt an den Regierungschef

In der Mai-Sitzung des Landtags haben die Abgeordneten Kleine Anfragen an die Regierungsmitglieder gestellt. Wir haben aus den vielen Anfragen eine kleine Auswahl getroffen. So wollte der VU-Abg. Günter Vogt Antworten von Regierungschef Daniel Risch u.a. zum Thema Stärkung des Werkplatzes in Liechtenstein im Beschaffungswesen öffentlicher Auftragsvergaben.

Einleitung

Vitale Unternehmen sind das Herzstück der Liechtensteiner Wirtschaft. Das bedeutet nicht auch zuletzt eine Herausforderung für Konsumentinnen und Konsumenten:

  • Wer auf Liechtensteiner Unternehmen setzt, sichert damit auch heimische Arbeitsplätze.
  • Wer Lehrstellen in der Region und in Liechtenstein will, der muss sich bewusst sein, dass er mit seinem Konsumverhalten auch selbst einen Beitrag für oder gegen Ausbildungsplätze für unsere Jugend leistet und leisten kann.
  • Dass nationaler Wohlstand und Lebensqualität in unserer Region untrennbar mit der regionalen Wirtschaft verbunden ist.

Per 1. Januar dieses Jahres ist in der Schweiz ein neues Beschaffungsrecht des Bundes mit dem Ziel einer neuen Vergabekultur in Kraft getreten. Wichtige Punkte: Vorteilhaftestes Angebot erhält Zuschlag, Nachhaltigkeit der Beschaffung, transparente Verfahren, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung etc. Zusammengefasst: Der Fokus der Vergaben soll stärker auf einem Qualitätswettbewerb und nicht auf einem reinen Preiswettbewerb liegen. Nach wie vor machen es sich öffentliche Ausschreibungen in Liechtenstein sehr einfach – über einen reinen Preiswettbewerb in der Ausschreibung und der Aussage, dass im Schnitt der letzten fünf Jahre 84% der Aufträge sowieso in Liechtenstein verblieben seien. Aber eben: zu welchem gesamtwirtschaftlich betrachteten Preis?

Eine Anmerkung zu den Anpassungen im Schweizer Beschaffungsrecht: Es ist bekannt, dass Liechtenstein nicht die gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen wie die Schweiz besitzt.

 

Fragen

 

  1. Ist die Regierung bereit, die Beschaffungsrichtlinien nach den gesetzlichen Möglichkeiten nach dem ÖAWG für Eignungs- und Zuschlagskriterien zu optimieren und dafür Grundlagen und Richtlinien zu schaffen?
  2. Ist die Regierung bereit, Massnahmen zu definieren, welche über einen definierten Leistungsbeschrieb, Eignungs- und Zuschlagskriterien in den Ausschreibungsunterlagen nicht den niedrigsten Preis der Offerte, sondern das beste Preis-Leistungs-Verhältnis vorzieht?
  3. Ist die Regierung bereit, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, welches ein Handbuch zur regionalen Vergabe Liechtensteins nach dem Vorbild von Österreich erstellt und die Fachstelle Öffentliches Auftragswesen unterstützend in diese Arbeitsgruppe zu delegieren?
  4. Ist die Regierung bereit, die Digitalisierung im Vergaberecht zu optimieren und einen digitalen Ratgeber zu schaffen, welcher klassische öffentliche Auftraggeber, zum Beispiel bei der Wahl des Vergabeverfahrens oder der Schwellenwerte etc., im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten unterstützt?
  5. Ist die Regierung bereit, zukünftig Qualitätskriterien zu definieren, welche nachweisbare Bewertungen fördern, und dies in öffentlichen Ausschreibungen, zum Beispiel auch Lebenszykluskosten, Umweltbelange oder Nachhaltigkeit zu verankern ?

 

Beantwortung durch Regierungschef Dr. Risch Daniel

 

zu Frage 1:

Das liechtensteinische Gesetz über das Öffentliche Auftragswesen (ÖAWG bzw. ÖAWSG) und die dazu erlassenen Verordnungen beinhalten sowohl die nationalen Bestimmungen betreffend die öffentlichen Auftragsvergaben, als auch die internationalen Vorgaben der EU sowie der WTO. Die Schweiz als Nicht-Mitglied des EWR kann in der Regel nicht zu Vergleichszwecken herangezogen werden.

Die Eignungskriterien sind in Art. 35a ÖAWG und in den Artikeln 35 und 36 ÖAWV definiert. Die Nachweise der Eignung dürfen nur soweit verlangt werden, wie es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Die Vergaberichtlinien enthalten eine verbindliche abschliessende Liste der qualitativen Kriterien, die bei der Auswahl der Offertsteller herangezogen werden können.

Die Zuschlagskriterien sind in Art. 44 ÖAWG geregelt. Die wirtschaftlich günstigste Offerte erfolgt auf der Grundlage des Preises oder der Kosten mittels eines Kosten-Wirksamkeits-Ansatzes, wie der Lebenszykluskostenrechnung, und kann das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beinhalten. Der Auftraggeber kann weitere als die in Art. 44 Abs. 2 ÖAWG erwähnten Zuschlagskriterien verwenden, allerdings muss das Diskriminierungsverbot beachtet werden und darüber hinaus müssen diese Kriterien einen wirtschaftlichen Vorteil für den Auftraggeber mit sich bringen.

Bei nationalen Ausschreibungen erfolgten die Auftragsvergaben in den Jahren 2015 bis 2019 zu mehr als 84 % an liechtensteinische Unternehmen. Im selben Zeitraum wurden bei nationalen Ausschreibungen die Aufträge zu 98 % und mehr an Unternehmen aus Liechtenstein oder der Schweiz vergeben. Das bedeutet auch, dass hier grundsätzlich auch einheimische Arbeitskräfte berücksichtigt wurden.

Die Regierung bekennt sich zu einer liberalen, offenen und wettbewerbsorientierten Wirtschaft. Da es schon bisher im Kompetenzbereich des Auftraggebers liegt weitere Zuschlagskriterien zu definieren, widerspricht eine weitere Auflistung von Zuschlagskriterien im Gesetz überdies dem Grundsatz von schlanken Gesetzen und ist im Sinne von Bürokratieabbau fraglich. Ziel soll ein effizientes und rechtssicheres Vergabeverfahren mit einem einfachen Zuschlagssystem sein. Es ist daher nach Ansicht der Regierung keine Änderung im ÖAWG erforderlich, da der bestehende Rechtsrahmen ausreichend ist.

zu Frage 2:

Die öffentlichen Auftraggeber erstellen in der Regel detaillierte Ausschreibungsunterlagen, welche einen konkreten Leistungsbeschrieb des zu offerierenden Auftragsgegenstandes beinhalten. Des Weiteren werden in den Ausschreibungsunterlagen die geforderten Eignungskriterien, wie z.B. das benötigte Personal oder die Referenzen, aufgeführt, und die massgebenden Zuschlagskriterien aufgelistet. Mit dieser Vorgehensweise wird grundsätzlich der Qualitätswettbewerb sichergestellt, und der Preiswettbewerb kann nur stattfinden, nachdem die Qualität des zu offerierenden Auftragsgegenstandes gewährleistet ist. Es geht also auch heute schon um das beste Preis-Leistungs-Verhältnis.

Im Sinne einer liberalen Wirtschaftsordnung soll es der Kompetenz der öffentlichen Auftraggeber überlassen werden, welche Zuschlagskriterien bei den sehr unterschiedlichen Auftragsarten zur Anwendung gelangen. Diese Möglichkeit ist für den öffentlichen Auftraggeber bei der Vielfalt und der Komplexität von Beschaffungen von zentraler Bedeutung und gewährleistet einen effizienten Beschaffungsprozess.

zu Frage 3:

Es gab bereits früher eine Arbeitsgruppe, welche sich mit dem Handbuch zur Regionalvergabe der Wirtschaftskammer Vorarlberg beschäftigt hat. Bei der Überprüfung dieses Handbuches im Jahr 2013 musste jedoch festgestellt werden, dass diverse Vorschläge aus diesem Handbuch nicht mit dem EWR-Recht vereinbar waren. Die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines «Handbuch zur Regionalvergabe Liechtenstein» obliegt der Wirtschaftskammer Liechtenstein, wie dies in Österreich durch die Wirtschaftskammer in den einzelnen Bundesländern erfolgt ist. Die Fachstelle öffentliches Auftragswesen wird das Handbuch zur Regionalvergabe Liechtenstein nach dessen Erstellung gerne einer Überprüfung auf die Gesetzes- und EWR-konformität unterziehen.

zu Frage 4:

Mit der Vergaberechtsreform 2018 hat die Digitalisierung auch im Vergaberecht massgebend Eingang gefunden. Seit dem 1.1.2018 müssen öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte grundsätzlich elektronische Mittel zur Kommunikation nutzen. Bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte erfolgt die Übermittlung der Bewerbungen und Offerten grundsätzlich auf elektronischem Weg. Ebenfalls seit 1.1.2018 sind die Auftraggeber bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte zur Entgegennahme und Verarbeitung von elektronischen Rechnungen verpflichtet.

Derzeit wird eine elektronische Vergabeplattform erarbeitet, mit welcher die elektronische Beschaffung (eVergabe) vollständig abgewickelt wird. Der Vergabeprozess wird somit effizienter. Auf der Homepage der Fachstelle öffentliches Auftragswesen (www.faw.llv.li) findet man überdies alle Informationen (Schwellenwerte, Vergabeverfahren, Ausschreibungsunterlagen etc.), welche für die Durchführung eines Vergabeverfahrens relevant sind.

zu Frage 5:

Gemäss Art. 17 Abs. 2 ÖAWG gehören die liechtensteinischen Bestimmungen über den Umweltschutz zu den zwingenden Auftragsbestimmungen. Die Berücksichtigung von Umweltbelangen und Nachhaltigkeit ist bereits bisher möglich (vgl. z.B. Art. 44 Abs. 2 Bst. a ÖAWG, Art. 36 Abs. 1 Bst. m und Art. 38 ÖAWV). Die Berücksichtigung von Umweltschutzkriterien kann nur dann erfolgen, wenn diese Kriterien mit dem Gegenstand des Auftrags eng zusammenhängen, dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen, im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung ausdrücklich genannt sind und alle wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, vor allem das Diskriminierungsverbot, erfüllen. Es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob ein Umweltkriterium als Zuschlagskriterium zulässig ist oder nicht.

Bei Lieferaufträgen über die Beschaffung von Strassenfahrzeugen oberhalb der Schwellenwerte haben die Auftraggeber oder Betreiber öffentlicher Personenverkehrsdienste zumindest den Energieverbrauch, die CO2-Emissionen und die Emissionen von Stickstoffoxiden, Nichtmethan-Kohlenwasserstoffen und Partikeln während der gesamten Lebensdauer zu berücksichtigen (vgl. Art. 20a ÖAWG).

Die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten ist ebenfalls gemäss Art. 44 und Art. 44a ÖAWG schon bisher möglich. Zu den Lebenszykluskosten gilt es jedoch anzumerken, dass indirekte Vorteile, wie z.B. die Transportwege, Reaktionszeit etc., nur zulässig wären, sofern sie einen sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand hätten. Es liegt ein Verstoss gegen das Vergaberecht vor, wenn die Ausschreibung Regelungen enthält, die auf die Vergabe an einheimische Offertsteller ausgerichtet ist, und damit direkt oder indirekt ausländische Offertsteller diskriminiert.