«Die gelebte Inklusion hat mir zugesagt»

Gerda Schwindt, Vorstandsmitglied «FOOTBALL IS MORE»

«Sie hat das Herz am rechten Fleck», sagt Hanspeter Rothmund, CEO der «FOOTBALL IS MORE»-Foundation, über Vorstandsmitglied Gerda Schwindt. Die ehemalige Personalchefin von Glencore International AG bringt neben ihrer Menschenkenntnis ein grosses Netzwerk und unternehmerisches Wissen in die Arbeit der Stiftung mit Sitz in Schaan ein, die im Juni auf der Sportanlage Rheinwiese ein Turnier mit reichhaltigem Rahmenprogramm für physisch sowie psychisch beeinträchtigte und nichtbeeinträchtigte Jugendliche durchführt. 

In den kommenden Ausgaben gibt die lie:zeit jeweils einen Einblick in Teilaspekte der Arbeit von «Football is more».

Frau Schwindt, um ein altes Klischee zu bemühen, ist Fussball Männersache. Sie sind die einzige Frau im Stiftungsrat von «FOOTBALL IS MORE», was das Klischee ein wenig bestätigt und ihm doch widerspricht. Was ist Ihre Verbindung zum Fussball?
Gerda Schwindt:
Dieses Klischee ist heute meines Erachtens wirklich veraltet. Auch der Frauenfussball sorgt inzwischen für volle Stadien, und der Sport hat ein hohes Niveau. Ich selbst schaue mir einfach gerne ein gutes Spiel an – ob von Frauen oder Männern. 

Was hat Sie bewogen, sich für «FOOTBALL IS MORE» zu engagieren? Wie definieren Sie das «more»?
Bereits in meiner früheren, leitenden Funktion im HR-Bereich von Glencore International AG war es dem Unternehmen und mir wichtig, lokales Engagement zu unterstützen, um benachteiligten Menschen zu helfen. So bin ich mit «Football is more» ins Gespräch gekommen. CEO Hanspeter Rothmund hat mich dann gefragt, ob ich mich selbst einbringen möchte. Ich habe gerne «ja» gesagt, das Motto der Stiftung, dass jeder mitmachen darf, unabhängig davon, ob er eine Beeinträchtigung hat oder nicht und egal aus welchem sozialen Umfeld ein Mensch kommt, die gelebte Inklusion also, hat mir zugesagt, und es widerspiegelt den Teamgedanken des Fussballs im Allgemeinen.

Eine Aufgabe des Fussballs ist für Sie demnach die Inklusion. Wo lebt «FOOTBALL IS MORE» diese ganz konkret?
Im gemeinsamen Wettkampf von beeinträchtigten mit nichtbeeinträchtigen Spielern, aber auch in der Ausbildung von Trainern, bei der diesen die Bedeutung der Inklusion nahegebracht wird und bei der sie lernen, auf spezielle Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Inklusion hat aber auch mit Bildung zu tun. «FOOTBALL IS MORE» geht daher ebenfalls in die Schulen und bringt den Kindern und Jugendlichen das Thema nahe. Ausserhalb der westlichen Welt legt die Stiftung ihren Fokus nicht nur auf Beeinträchtigungen, sondern auch auf den Gegensatz von arm und reich. Der Fussball ist Türöffner zu Bildungsprojekten, die von «FOOTBALL IS MORE» unterstützt werden. In Laos zum Beispiel bildet die Stiftung derzeit 40 Jugendliche aus verschiedenen sozialen Schichten und Gegenden zu Coaches aus, die das erworbene Wissen nach der Ausbildung in ihren Heimatregionen weitergeben, sich dazu verpflichten, Fussballmannschaften ohne Ansehen der Herkunft der Teammitglieder zu gründen, und so als Übungsleiter und Sozialarbeiter tätig sind. Diese Coachingausbildung beinhaltet nicht nur Fussballerisches, sondern vermittelt auch Sozialthemen wie Gruppenführung, Konfliktlösung, Sozialverhalten und Gesundheit. Ziel ist es, die körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sowie ihr Selbstvertrauen zu fördern und ihre Talente zu entfalten. Ausserdem nutzt «Football is more» seine Netzwerke, um Bildungsmöglichkeiten, beispielsweise durch das Erbauen oder Renovieren von Schulhäusern für einen sichern Schulbesuch oder die Bezahlung von Lehrern sicherzustellen.

Um noch auf die Situation in Europa einzugehen: Wer profitiert hierzulande alles vom Engagement von «FOOTBALL IS MORE» und wie genau?
Die Kinder, Beeinträchtigte wie Nicht-Beeinträchtigte, freuen sich über den gemeinsamen Wettkampf. Beide Seiten können dabei feststellen, dass sie gar nicht so unterschiedlich sind. Für viele Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen gibt es ausserdem nicht viele Möglichkeiten, einmal ein paar Tage von zu Hause weg zu sein und etwas ganz Neues zu erleben. Während des Camps im Juni in Schaan sind sie in einem Hotel untergebracht und haben ein reichhaltiges, abwechslungsreiches Tagesprogramm. Auch für das familiäre Umfeld ist dies eine Entlastung. Die Funktionäre der teilnehmenden Vereine können überdies Erfahrungen austauschen. Ausserdem können sich die Sponsoringpartner präsentieren. Aber dies steht für sie nicht im Mittelpunkt. Sie unterstützen den Anlass vor allem, um einen wichtigen Beitrag an das Projekt zu leisten. Nicht zuletzt aber auch, Möglichkeiten und Ideen zu finden, um mehr Inklusion im Betrieb zu leben. Ich freue mich jedenfalls auf das Camp und die vielfältigen Möglichkeiten, die es eröffnet.