Währungsvertrag und Geldpolitik

Den sprichwörtlichen «Fünfer und das Weggli» geniesst Liechtenstein derzeit punkto Finanzmarkt. Das Konstrukt, dass ein EWR-Staat in die Finanzmarktinfrastruktur eines EU-Drittstaates – in diesem Fall der Schweiz – eingebunden ist, ist einmalig. Doch kann das langfristig gut gehen? Und was ist der Preis, den Liechtenstein für seine Währungspolitik zahlt? Diese Fragen standen im Zentrum der Veranstaltung «Währungsvertrag und Geldpolitik: Anpassungen notwendig?» von Zukunft.li-

„Fünfer und Weggli“ für Liechtenstein
punkto Finanzmarkt

Den sprichwörtlichen «Fünfer und das Weggli» geniesst Liechtenstein derzeit punkto Finanzmarkt. Das Konstrukt, dass ein EWR-Staat in die Finanzmarktinfrastruktur eines EU-Drittstaates in diesem Fall der Schweiz eingebunden ist, ist einmalig. Doch kann das langfristig gut gehen? Und was ist der Preis, den Liechtenstein für seine Währungspolitik zahlt? Diese Fragen standen am vergangenen Mittwochabend im Zentrum der Veranstaltung «Währungsvertrag und Geldpolitik: Anpassungen notwendig?» von Zukunft.li, an der Dr. Hans Kuhn, ehemaliger Leiter des Rechtsdienstes der Schweizerischen Nationalbank und der Ökonom Prof. Dirk Niepelt als Gastreferenten auftraten.

1924 führte Liechtenstein einseitig den Schweizer Franken als gesetzliche Währung ein. Danach vergingen mehr als 55 Jahre bis die währungsrechtliche Beziehung zwischen den beiden Ländern vertraglich geregelt wurde. Mit dem Währungsvertrag von 1980 übernahm Liechtenstein das schweizerische Währungsrecht. «Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist aber nicht die Zentralbank von Liechtenstein», stellte Hans Kuhn an der Veranstaltung klar. So würde die SNB beispielsweise keine in Not geratene liechtensteinische Bank retten. Ausserdem hat Liechtenstein kein Mitspracherecht – weder bei den Nationalbankgremien noch beim Nationalbankgesetz. Mit dem Währungsvertrag erhielten die liechtensteinischen Banken aber den gleichwertigen den Zugang zum Interbanken-Zahlungssystem wie die Schweizer Banken und damit den Zugang zur schweizerischen Finanzmarktinfrastruktur, was für den Finanzplatz Liechtenstein und die Volkswirtschaft generell von zentraler Bedeutung ist.

Spannungsfelder im Finanz und Währungsrecht

Dieser Zugang steht zwar nicht auf dem Spiel, aber in den letzten Jahren zeigt sich doch ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial. Liechtenstein als EWR-Mitglied ist verpflichtet, die EWR-Finanzmarktregulierung zu übernehmen, während die Schweiz als EU-Drittland für den wirtschaftlichen Austausch mit den EU/EWR-Staaten verschiedenen Zugangsrestriktionen und Prüfungen zur Gleichwertigkeit ihrer Regelungen unterliegt. Daraus können sich Spannungen beispielsweise im Zahlungsverkehr oder bei Börsengeschäften ergeben, vor allem wenn sich die Finanzmarktregulierung in der EU und der Schweiz unterschiedlich entwickelt. Alternativen zur Teilnahme an anderen Finanzmarktinfrastrukturen gibt es keine, solange Liechtenstein den Schweizer Franken als gesetzliches Zahlungsmittel benutzt. Und Alternativen zum Schweizer Franken, wie beispielsweise eine eigene Währung oder der Anschluss an die Europäische Währungsunion sind keine erfolgsversprechenden Optionen. Liechtenstein ist laut Hans Kuhn gut beraten, wenn es unter anderem die potenziellen Konfliktfelder in der Weiterentwicklung der EU-Finanzmarktregulierung als auch die Entwicklungen bei der Digitalisierung von Zentralbankgeld gut im Auge behält.

Dr. Hans Kuhn: «Der Währungsvertrag sichert den liechtensteinischen
Banken den wichtigen Zugang zur Schweizer Finanzmarktinfrastruktur.»

Monetäre Staatsfinanzierung ist alltäglich

Prof. Dirk Niepelt ging in seinem Referat vertieft auf die Geldpolitik der Zentralbanken und das digitale Zentralbankengeld ein. Die Geldpolitik ist seit Jahren auf aussergewöhnlichen Pfaden. Käufe von Wertpapieren, tiefe oder sogar Negativzinsen sowie eine Aufblähung der Zentralbankbilanzen sind Beispiele für entsprechende Symptome. Zeitgleich mit der expansiven Geldpolitik ist weltweit ein genereller Anstieg der Staatsschulden zu beobachten und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Unter diesen Voraussetzungen ist in den nächsten Jahren mit einem Anstieg der Inflation zu rechnen. «Bei den Staatsschulden ist das Augenmerk leider meist nur auf die expliziten Schulden gerichtet, ohne Berücksichtigung der impliziten Schulden, also der Verpflichtungen von Staaten, die in Zukunft anfallen wie beispielsweise Rentenversprechungen an zukünftige Generationen», bemängelte Dirk Niepelt.

Aussagekräftiger als die Bruttoschulden wäre zudem die Betrachtung des Nettovermögens des Staates. Darüber Auskunft gibt eine konsolidierte Bilanz, welche die öffentlichen Haushalte, die Sozialversicherungen und die Nationalbank mit Vermögenswerten und Verbindlichkeiten gegenüber Dritten umfasst. Dabei wird ersichtlich, dass Staatsdefizite durch Herausgabe von Anleihen oder durch Emission von Geld – also monetär – gedeckt werden können. Zentralbankgeld ist also eine Staatsschuld, die billiger ist als Staatsanleihen.

Prof. Dirk Niepelt: «Politische Forderungen, wie sie heute an die
SNB gestellt werden, waren vor 10 Jahren noch undenkbar.»

Monetäre Staatsfinanzierung ist laut Niepelt demnach alltäglich, auch in der Schweiz. Anhand einer konsolidierten Bilanz machte er deutlich, dass die Gewinne der Nationalbank früher oder später in die Rechnung der öffentlichen Hand einfliessen. Die Diskussionen in der Schweiz über die Gewinnausschüttung der SNB oder die Bildung eines Staatsfonds sind deshalb aus fiskalischer Sicht nicht von Bedeutung, sondern lediglich politisch motiviert. Die Unabhängigkeit der SNB dient denn auch dazu, kurzfristige politische Einflussnahmen abzuwehren.

Digitales Zentralbankgeld als unausweichliche Zukunft

Digitales Zentralbankgeld gibt es schon lange, aber nur für die Banken, die bei ihren Zentralbanken ein Konto halten können. Aktuell beschäftigen sich Notenbanken weltweit mit der Einführung von digitalem Zentralbankgeld für alle Bürger, so dass jedermann Zugang zu Zentralbankgeld erhält und damit elektronisch bezahlen kann. Denn bis heute können Privatpersonen und Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors nur mit von Banken herausgegeben Forderungen (Bankengeld) elektronisch oder bar mit Noten und Münzen bezahlen. Beim Bankengeld besteht jedoch laut Dirk Niepelt ein Liquiditäts- und Kreditrisiko, welches durch elektronisches Zentralbankgeld eliminiert würde. Damit würden auch Bankenkrisen für die Volkswirtschaften an Schrecken verlieren.

Ein weiterer Treiber für digitales Zentralbankgeld ist die abnehmende Bedeutung bzw. die fortschreitende Ablösung des Bargeldes als Zahlungsmittel. Der Zugang zu elektronischem Zentralbankgeld für das breite Publikum wäre für die Finanzindustrie eine Herausforderung, weil die Bürger eine Alternative zum Bankengeld hätten. Wie in allen anderen Bereichen birgt die Digitalisierung auch beim Zentralbankgeld Chancen und Risiken. «Es ist die Aufgabe der SNB, die Lage zu beobachten und zu analysieren. Letztlich wird digitales Zentralbankgeld aber die unausweichliche Zukunft sein», ist Niepelt überzeugt.

Der Stiftungsratspräsident von Zukunft.li und Ökonom Peter Eisenhut vertiefte die beiden Themen mit den Referenten und gab auch dem Publikum Raum, Fragen an die Experten zu stellen.

Thomas Lorenz von der Stiftung Zukunft.li während der Ansprache.