Corona-Krise: Zeit des Umbruchs und der Unsicherheit

Daniela Ospelt

Die Corona-Krise ist etwas, das keiner von uns je zuvor erlebt hat. Einerseits die Kontaktverbote, «Social Distancing» und das Schliessen von Unternehmen – auf der anderen Seite bekommen Arbeitsmodelle wie Homeoffice eine völlig neue Bedeutung. Vor über zehn Jahren bereits wurde Skype als neues Konferenzmodell propagiert und als baldiges Besprechungstool ohne Reisen vorgestellt, etabliert hat es sich jedoch in dieser Zeit nie wirklich komplett. Das hat sich nun im Corona-Zeitalter definitiv geändert.  

Praktisch keiner fährt oder fliegt mehr zu einer Sitzung und die meisten Besprechungen laufen über Skype, Zoom, MS Teams und andere digitale Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Der digitale Arbeitsplatz und damit zusammenhängend die Veränderung der Arbeitswelt haben uns schneller erfasst, als uns wahrscheinlich lieb war.

Doch wie wirkt sich ein Lockdown, wie wir ihn Mitte März erlebt haben, auf Menschen im Arbeitsleben aus? Was macht es mit der Wirtschaft und vor allem auch mit Arbeitnehmern, wenn alles plötzlich von Kurzarbeit spricht und vielleicht auch der Job in Gefahr ist? Können Geschäfte einfach so wieder öffnen und alles läuft nahtlos weiter wie vor sechs Wochen? Diese und noch viele weitere Fragen beschäftigen zahlreiche Menschen in dieser ungewöhnlichen Zeit und es ist nicht einfach, treffende Antworten zu liefern – keiner weiss, wie die Arbeitswelt nach Corona aussehen wird. 

Schaut man sich die verschiedenen Branchen an, wird klar, dass es nur wenige sind, in welchen Homeoffice überhaupt möglich ist. Betriebe beispielsweise aus der Gastrobranche haben diesbezüglich keine Chance. Dort wurden viele Unternehmen kreativ, indem sie Lieferservices oder Take Aways aus dem Boden gestampft haben. Dies erfordert viel Energie, viele Ressourcen, eine grosse Motivation und letztlich auch Menschen, die es mitmachen. 

Die Herausforderung des Homeoffice
Auch Homeoffice ist für viele eine Herausforderung. Als Arbeitszeitmodell für spezielle Arbeitskräfte auf den Markt gekommen, bietet Homeoffice viele Vorteile, für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber – es birgt aber auch diverse Nachteile. Es ist nicht jedermanns Sache, zu Hause zu arbeiten. Man muss sich Strukturen zurechtlegen, Disziplin an den Tag legen und nicht immer ist die Ruhe, die man zum Arbeiten braucht, garantiert – gerade wenn wir an das Homeschooling denken, das zurzeit ein weiteres Thema ist. Oft hört man in diesem Zusammenhang, dass am Anfang die Motivation für Homeoffice sehr hoch ist, sich aber mit der Zeit verändert. Die Arbeitnehmer haben keine direkten sozialen Kontakte mehr, der Austausch ist nur über digitale Medien möglich und wozu muss man sich überhaupt am Morgen arbeitstauglich anziehen? 

Betrachten wir unsere Lebensweise in den vergangenen Jahrzehnten, wird klar, dass wir uns in einer mehr oder weniger steten Komfortzone bewegt haben. Wachstum war die Prämisse und Stagnation war Rückschritt. Nun fordert uns ein Virus in einer Weise heraus, die völlig neu ist: Wir müssen uns an Vorschriften halten, uns neuen Begebenheiten anpassen und einfach mitmachen. Alles herunterfahren heisst aber auch, einen Moment stehenzubleiben, das Tempo zu verlangsamen und einmal zu checken, was überhaupt möglich ist und wo wir stehen. Corona heisst in diesem Fall, eine Standortbestimmung zu machen – für viele ungewollt. 

Einkommen kann wegbrechen
Mitmachen heisst es für die Belegschaft im Moment, wenn der Arbeitgeber unter der wirtschaftlichen Situation zu leiden hat. Wenn nur noch Kurzarbeit die Firma retten kann, bleibt dem Arbeitnehmer keine Option – er wird sich mit der Kurzarbeit abfinden müssen oder der Arbeitgeber wird ihm vielleicht kündigen. Die Kurzarbeit ist eine Massnahme, um Kündigungen abzuwenden, wenn ein Unternehmen in finanzielle Nöte gerät. Kurzarbeit bedeutet aber auch immer eine belastende Situation. Bedenken muss man immerhin, dass bei einer 100-prozentigen Kurzarbeit auch der Mitarbeiter eine Lohneinbusse von 20 Prozent tragen muss. In Familien, in welchen beide Elternteile erwerbstätig sind und zum Beispiel ein Elternteil im Stundenlohn auf Abruf arbeitet, kann es durchaus sein, dass ein Einkommen infolge von Corona komplett wegbricht. Das andere Einkommen ist dann bei Kurzarbeit auf 80 Prozent geschrumpft und es stellt sich die Frage, wie die Fixkosten fürs Überleben gedeckt werden können. 

Düstere Wirtschaftsprognosen
Eine Überlegung wert ist auch, dass es im Moment noch einige Firmen gibt, die laufende Aufträge abarbeiten können. Doch was passiert in ein paar Monaten? Da weltweit ein grosser Teil der Wirtschaft heruntergefahren wurde, werden sich in den nächsten Monaten die Auftragseingänge verschieben und somit wird eine Lücke folgen. Viele Prognosen sehen eine Folgewelle in Form der Arbeitslosigkeit auf uns zukommen. Dabei wird nicht von einer Phase bis zu den Sommerferien gesprochen, sondern von einer Krise, die erst im Herbst auf uns zukommt und sich über mehrere Jahre hinziehen kann. 

An diesem Punkt fragen sich viele, warum es nach der Corona-Krise nicht einfach wie vorher weiter gehen kann. Tagesablauf, Auftragseingänge- und Abläufe wie gehabt? Wohl kaum. Gerade kleine Firmen kommen an ihre finanziellen Grenzen. Ein Kredit ist derzeit einfach zu bekommen – aber das Geld ist geschuldet. Der Staat unterstützt zusätzlich – aber für viele werden diese Hilfen nicht ausreichen, man muss sich einfach vor Augen halten, dass Löhne oder ein Teil davon, die Miete und sonstige Fixkosten bezahlt werden müssen, aber viele Unternehmen keine oder sehr geringe Einnahmen generieren. Wie lange kann ein Unternehmen dies aushalten? Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben keinen so langen Atem – der Druck auf die Wirtschaft ist riesig und es wird sich wahrscheinlich erst nach Corona zeigen, ob es richtig war, vieles auf null herunterzufahren. Man muss davon ausgehen, dass einige die Motivation für einen Neuanfang nach der Talfahrt nicht mehr finden werden – zumal die Krise ja noch nicht ausgestanden ist. Immer noch dürfen wir uns nicht treffen, voraussichtlich in Kürze erst unter Auflagen ins Restaurant gehen und Events werden reihenweise abgesagt. 

Die positiven Aspekte sehen
Alle Firmen, die direkt oder indirekt mit der Eventbranche im Zusammenhang stehen, sind mitbetroffen und viele mittelbar betroffene Firmen haben das Jahr 2020 praktisch abgeschrieben. Es ist davon auszugehen, dass auch die Kurzarbeit nicht so schnell enden wird und wahrscheinlich werden die Staaten weitere Gelder sprechen müssen, um die Firmen und damit auch die Mitarbeitenden zu unterstützen. 

Vielleicht hat die Krise im Kern aber auch etwas Positives: Wir verlangsamen das Tempo, kommen aus der Komfortzone und das Wachstum hat für einmal einen Bremser erhalten. Manch einer hat sich in den vergangenen Jahren gefragt, ob es richtig und gut ist, wie sich die Wirtschaft entwickelt hat und auch in puncto Arbeitslosigkeit konnte man immer nur staunen. Viele meinten immer wieder, dass es irgendwann einen Wandel geben muss. 

Nun haben wir den Wandel in Form einer Krise bekommen. Der Begriff stammt vom
altgriechischen Wort krísis und beschreibt eine Entscheidungssituation, einen Wende- oder Höhepunkt einer gefährlichen Entwicklung. Auch das chinesische Wort für Krise hat eine ähnliche Bedeutung, ein Teil des Wortes bedeutet Chance oder Gelegenheit, der zweite Teil Bedrohung oder Gefahr. Grundsätzlich fühlen wir uns in Krisen bedroht, haben Angst um unsere Existenz und wissen nicht, wie es weiter gehen soll. Gleichzeitig zeigt aber die chinesische Bedeutung, dass die Bedrohung auch immer das Potential des Wandels in sich trägt. 

Die Wandlung einzusehen, ist wesentlich. Besonders, wenn es keine Perspektiven mehr zu geben scheint, ist es entscheidend, neue Wege zu finden, die aus alten Gewohnheiten herausführen und Neues ermöglichen.

Krise als Neuanfang nutzen
Damit etwas Neues entstehen kann, müssen wir etwas Altes aufgeben, bzw. unsere festgefahrenen Vorstellungen loslassen, neue Wege gehen und ungewohnte Entscheidungen treffen. Es hängt von uns ab, was wir aus Krisen machen, ob wir nur die Bedrohung sehen und erstarren oder die Gelegenheit wahrnehmen, uns zu wandeln und Neues zuzulassen.

In diesem Sinne konnten wir in der Krise schon etwas Neues erleben. Beispielsweise wurde aus dem G7-Gipfeltreffen eine Videokonferenz. Dies bedeutet in der Konsequenz viele Einsparungen an Kosten und Zeit und weniger Klimabelastung. Etwas, was wir zudem erleben, ist die gesellschaftliche Solidarität. Corona hat uns gezeigt, dass wir zueinanderstehen, kreativ sind, aufeinander schauen und uns gegenseitig unterstützen. Wenn wir es nun noch in der Folge der Krise gemeinsam schaffen, die Wirtschaft anzukurbeln und so die Arbeitnehmer auf unserem Markt unterstützen, können wir die Corona-Krise vielleicht auch als Chance für einen Neuanfang sehen.