Die Armut in Liechtenstein nimmt zu

Regierungsrat Dr. Mauro Pedrazzini hatte u.a. auch eine Kleine Anfrage des FL-Abg. Georg Kaufmann zu beantworten.

 

Kleine Anfrage des Abg. Günter Vogt in der Landtagssitzung vom 4.bis 6. September 2019 

 «Die Armut in Liechtenstein nimmt zu». Zu diesem Schluss kommt die Caritas Liechtenstein gemeinsam mit sieben weiteren Institutionen im Land. Damit wird der Regierung in ihrem Bericht zu den UNO-Nachhaltigkeitszielen widersprochen, die meint: «Kein Mensch muss in Liechtenstein in Armut leben.» Alle beteiligten Organisationen des Runden Tisches, den die Caritas organisierte, sind einig, dass Existenznot und relative Armut in Liechtenstein existiert und, dass die Zahl der Betroffenen zunimmt», schreibt das «Vaterland» in seiner Ausgabe vom 17. August. Für viele Betroffene stelle das Sozialsystem einen Dschungel dar. «Wer sich nicht auskennt oder wehren kann, ist nicht nur im wörtlichen Sinn arm, sondern ist auch arm dran», heisst es im Bericht. Es fehle eine zentrale Anlaufstelle im Land, die im Sinne eines Case-Managements den Betroffenen unter die Arme greift. Ebenfalls fordern die Organisationen einen Armutsbericht, wie ihn die Vaterländische Union schon seit vielen Monaten fordert.

Dazu meine Fragen:

  1. Wie steht die Regierung zu den getätigten Aussagen? Wie gehen das Bild der Regierung «keine Armut» mit den Organisationen «steigende Armut» zusammen? Gibt es da einen Handlungsbedarf?
  2. Kann sich die Regierung eine zentrale Anlaufstelle im Sinne eines Case-Managements vorstellen oder gibt es für sie andere Ansätze diesem Problem zu begegnen?
  3. Inwiefern wäre es angezeigt beziehungsweise nachhaltig, Beratungsangebote beim Staat anzusiedeln und damit das nachhaltige Wachstum der wirtschaftlichen Sozialhilfe einzudämmen?
  4. Wie weit ist die Regierung mit der Suche nach Studienautoren für den dritten Armutsbericht?

Antwort:

Zu Frage 1:

Wegen des hoch entwickelten Sozialsystems und auch den Leistungen von nichtstaatlichen Organisationen muss in Liechtenstein niemand in Armut leben. Natürlich gibt es Personen, welche ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft nicht bestreiten können und auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sind. Die Regierung hat im UNO-Bericht zu den Nachhaltigkeitszielen bestätigt, dass dies so ist, dass aber das Armutsrisiko in Liechtenstein relativ gering ist.

Dank den gut ausgebauten Sozialsystemen muss niemand unter dem sozialen Existenzminimum leben. Die Regierung hat im UNO-Bericht zu den Nachhaltigkeitszielen darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Haushalte, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, in der langjährigen Tendenz eher angestiegen ist.

Bezüglich der steigenden Armut ist zu bemerken, dass aus Gründen der Demographie immer mehr Personen im Rentenalter in unserem Land leben. Der Prozentsatz der Rentenbezüger, welche AHV-Ergänzungsleistungen beziehen, liegt seit vielen Jahren zwischen 5 und 6 Prozent. Es ist demzufolge schlicht zu erwarten, dass die Anzahl Personen, welche im Rentenalter auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, ebenfalls ansteigt.

Zu Frage 2:

Es ist zutreffend, dass es eine ganze Reihe von Leistungen gibt, welche Einkommensdefizite ausgleichen, beispielsweise wirtschaftliche Hilfe, Ergänzungsleistungen zur AHV und zur IV, Prämienverbilligung oder Mietbeihilfen. Eine zentrale Anlaufstelle bei finanziellem und persönlichem Unterstützungsbedarf besteht durch das Amt für Soziale Dienste. Dort kann man sich erkundigen und sich beraten lassen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt. Die Schaffung einer weiteren zentralen Anlaufstelle erachtet die Regierung daher nicht als sinnvoll. Es ist davon auszugehen, dass sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Amt für Soziale Dienste als auch die Personen, welche bei den privaten karitativen Organisationen tätig sind, sich mit den möglichen finanziellen Leistungen sehr gut auskennen und damit eine sehr gute Beratung leisten können.

Zu Frage 3:

Aus Sicht der Regierung ist es zentral, Sozialhilfebezüger zu befähigen, ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Eine möglichst nachhaltige Eingliederung in den Arbeitsmarkt steht im Vordergrund. Durch ein geregeltes Erwerbseinkommen soll die Armut langfristig auf tiefem Niveau gehalten werden. Durch persönliche Hilfe, Beratung, Beschäftigungsprogramme, finanzielle Unterstützung von Weiterbildungen soll ein eigenverantwortliches Leben geführt werden können, um die Abhängigkeit von Sozialhilfe zu vermeiden.

Solche Beratungsangebote für Personen, die Sozialhilfe beziehen, erachtet die Regierung als sehr wichtig. Es geht nicht nur um die Leistung von finanzieller Hilfe sondern insbesondere auch um das Angebot von Beratung für diesen Personenkreis, um wo möglich Personen aus der Sozialhilfe nachhaltig abzulösen. Hier spielen private Institutionen wie die Caritas oder die Hand in Hand Anstalt neben den staatlichen Angeboten mit den schon bisher angebotenen Dienstleistungen eine wichtige ergänzende Rolle.

Zu Frage 4:

Die gleiche Kleine Anfrage des Abgeordneten (Dritter Armutsbericht oder eine Transparenzdatenbank) wurde bereits am 7. Juni 2019 beantwortet.

Die Regierung verweist diesbezüglich auf ihre Antwort vom 7. Juni 2019 zur Kleinen Anfrage, Punkt 4. Bezüglich der Definition des Untersuchungsrahmens und der Methodik sind die Abklärungen des Ministeriums für Gesellschaft noch im Gange.