«Regionales Bildungssystem dient international als Vorbild»

Liechtensteins Bildungslandschaft ist vielfältig und im grenzüberschreitenden Vergleich sehr gut aufgestellt. Die Regierung und die dem Bildungsministerium angegliederten Ämter sowie die Schulen sind äusserst aktiv und stets darum bemüht, diese Spitzenposition beizubehalten, wie die zuständige Regierungsrätin Dominique Hasler im Interview aufzeigt. 

Das Thema Nachhaltigkeit ist in der jüngeren Vergangenheit, gerade auch im Zusammenhang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und den Klimastreiks, sehr präsent geworden. Wie reagiert die Bildung darauf?
Dominique Hasler:
Es ist die ureigene Aufgabe der Bildung, auf den Wandel der Zeit und die damit verbundenen Themenstellungen einzugehen. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist daher auch Bestandteil des neuen Lehrplans «LiLe». Es handelt sich dabei nicht um ein Fach, sondern um eine inhaltliche Ausrichtung, welche allen Disziplinen als Orientierung dient, auch die Schulen als Ganzes prägt und daher im Lehrplan fächerübergreifend abgebildet ist.

Leistet auch die Berufsbildung einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit?
Ja, die Regierung hat beispielsweise beschlossen, sich an zwei Projekten der Schweizer Stiftung myclimate zu beteiligen. Es handelt sich zum einen um das Projekt «Energie- und Klimapioniere» im Bereich der öffentlichen Kindergärten sowie Primar- und Sekundarschulen und zum anderen um das Projekt «Energie- und Klimawerkstatt» im Bereich der Berufsbildung. Das Projekt «Energie- und Klimawerkstatt» gibt den Lernenden in Liechtenstein die einmalige Gelegenheit, ihre Berufskenntnisse für die Entwicklung nachhaltiger Projekte zu nutzen. Die Lernenden setzen in kleinen Gruppen ihre eigenen Projekte um und reichen sie im Rahmen eines Wettbewerbs ein. Darüber hinaus analysieren sie bestehende Prozesse im Lehrbetrieb, entwickeln eigenständig innovative Lösungen und bringen sich mit einem wertvollen Beitrag im Betrieb ein. Viele der liechtensteinischen Wirtschaftsverbände tragen das Projekt ideell mit, was ich sehr wertschätze. Es wäre schön, wenn sich möglichst viele Lehrbetriebe daran beteiligen und ihren Lernenden eine Teilnahme ermöglichen würden.

Welche Erkenntnisse hat die Beantwortung der Interpellation der VU-Landtagsfraktion aus dem vergangenen Jahr zur Bedeutung des dualen Bildungssystems zutage gefördert?
Die Interpellationsbeantwortung hat gezeigt, dass die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe und die Anzahl der Jugendlichen, welche sich für eine Lehre entscheiden, konstant sind. Zwei von drei Schulabgängerinnen und -abgängern entscheiden sich nach wie vor für eine Berufslehre. Ein grosser Vorteil sind die kurzen Wege in unserem Land. Beispielsweise ist dem Amt für Berufsbildung und Berufsberatung der aktuelle Berufswahl-Stand von allen Schulabgängerinnen und -abgängern bekannt, und die Jugendlichen werden im Bedarfsfall individuell unterstützt und begleitet. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und führt schliesslich dazu, dass fast ausnahmslos alle Schulabgängerinnen und -abgänger eine für sie geeignete Anschlusslösung finden und dass wir in Liechtenstein eine tiefe Lehrabbruchsquote haben.

Wie sieht es mit der Maturaquote aus?
Im Vergleich zur Schweiz bewegt sich die liechtensteinische Maturaquote in einer ähnlichen Grössenordnung. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch die Berufs- und Fachmaturitäten Bestandteil der Maturaquote sind. Diese Maturitätstypen wurden eingeführt, um das duale Berufsbildungssystem zu stärken. Dank dieser Durchlässigkeit sind die beiden Wege heute gleichwertig.

Welche Anreize haben Unternehmen, um Lernende auszubilden?
Dafür sprechen verschiedene Gründe. Es geht beispielsweise um den unternehmenseigenen Fachkräftenachwuchs, aber auch um soziale Verantwortung. Zudem zeigen Erhebungen in der Schweiz, dass die produktive Leistung der Lernenden die Kosten für die Ausbildung in den meis-ten Lehrberufen überwiegt.

Was ist aus Ihrer Sicht verbesserungswürdig?
Die duale Berufsbildung ist in unserer Region sehr stark verankert und darf auch als Erfolgsmodell bezeichnet werden; sie trägt massgeblich zum Wohlstand unseres Landes bei. Viele Länder unternehmen derzeit grosse Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Berufsbildungssysteme, wobei das Modell unserer Region oftmals als Vorbild herangezogen wird. Im Moment sind wir daher sehr gut aufgestellt. Wir dürfen uns aber nicht darauf ausruhen. Beispielsweise bemerkt «WorldSkills Liechtenstein», dass die Konkurrenz bei den Berufsweltmeisterschaften immer grösser wird. Wir müssen uns daher überlegen, ob der kontinuierliche Verbesserungsprozess robust genug ist. Auch befinden wir uns in Zeiten grosser Veränderungen. Beispielsweise verändern sich durch die zunehmende Digitalisierung die Anforderungen, welche an Berufsleute gestellt werden. Hier ist natürlich auch die Bildung sehr stark gefordert, die nötigen Kompetenzen zu vermitteln.

Wie wird sichergestellt, dass die künftigen Schulabgänger und damit Fachkräfte die Anforderungen der Gegenwart und möglichst auch der Zukunft erfüllen?
Im neuen Liechtensteiner Lehrplan «LiLe» wurden die zu erreichenden Kompetenzen im Bereich «Medien und Informatik» neu umschrieben. Dadurch sollen die Kinder und Jugendlichen befähigt werden, digitale Medien sinnvoll und effizient einzusetzen. Dazu gehört auch die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen sowie eine zeitgemässe und praxisnahe Ausstattung der Schulen. Die Schule legt den Grundstein, den die Berufsbildung dann zielgerichtet ausbaut. Der Staat und die Wirtschaft arbeiten hier sehr eng zusammen, da die Berufsbildung eine Verbundaufgabe ist, bei der die erforderlichen Kompetenzen für einen Beruf definiert und kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Bildungsministerin Dominique Hasler anlässlich ihres Besuches der next-step Berufs- & Bildungstage 2018 am Stand der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer und der ArbeitsGruppe IndustrieLehre.

Die neue Bildungsstrategie der Regierung befindet sich in der Ausarbeitung. Wer ist alles in den Prozess involviert, was versprechen Sie sich von der Strategie, und inwiefern geht sie auf die Berufsbildung ein?
Die Berufsbildung ist ein wichtiger Teil unseres Bildungswesens, und es ist daher klar, dass sich die neue Bildungsstrategie auch mit einer Stärkung der Berufsbildung auseinandersetzt. Im Projektteam, welches den Erarbeitungsprozess der Bildungsstrategie organisiert, sind das Bildungsministerium, das Schulamt und das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung vertreten. Bei der inhaltlichen Erarbeitung ist mir als Bildungsministerin ein breiter Einbezug aller Anspruchsgruppen sehr wichtig. Es hat daher am 17. Juni 2019 ein Workshop stattgefunden, an dem erfreulicherweise zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Anspruchsgruppen wie beispielsweise der Schulleitungen der öffentlichen und privaten Schulen und Bildungsinstitutionen, der Eltern- und Lehrervereinigungen, der Jugendlichen, der Gemeinde- und Landespolitik, der Wirtschaft, des LANV sowie Vertretungen aus Ämtern und weiteren interessierten Kreisen teilnahmen. An diesem Abend wurde nach der «World-Café-Methode» die Bedeutung der globalen Entwicklungstrends auf das liechtensteinische Bildungssystem diskutiert. Die Ergebnisse werden derzeit von der Projektgruppe ausgewertet.

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Mit dem Finanzbeschluss des Landtags zum SZU II erhält auch die BMS eine neue Heimat. Was verbessert sich für diesen Schultyp, und was macht seine besondere Bedeutung aus?
Die Berufsmaturitätsschule Liechtenstein ist ein wichtiger Teil der Berufsbildung in unserem Land. Sie stellt sicher, dass auch über den dualen Berufsbildungsweg alle Stufen in unserem Bildungssystem erreicht werden können. An der BMS kann berufsbegleitend oder in Vollzeit die Berufsmatura abgelegt werden. Wie die Schweizer Berufsmatura berechtigt auch die liechtensteinische Berufsmatura zu Studien an allen Fachhochschulen der Schweiz. Darüber hinaus berechtigt die liechtensteinische Berufsmatura zu Studien an allen Hochschulen und Universitäten in Liechtenstein und Österreich. Die BMS Liechtenstein ist derzeit auf das Schulhaus des Freiwilligen 10. Schuljahres am Giessen und auf das SZM I (Gymnasium) in Vaduz aufgeteilt. Diese Aufteilung ist in organisatorischer Hinsicht schwierig, die BMS ist an den Standorten nur Juniorpartner, was auch für die Visibilität der Schule nicht optimal ist, und die Infrastruktur ist nicht erwachsenengerecht. Im SZU II in Ruggell kann die BMS an einem Standort vereint werden – mit einer eigenen, bedarfsgerechten Infrastruktur, die der Bedeutung der BMS gerecht wird.

Die next-step Berufs- & Bildungstage werden am 13. und 14. September 2019 zum fünften Mal im SAL in Schaan durchgeführt. Inwiefern hat sich das Konzept bewährt? Was erwartet die Besucher?
Die Berufswahl ist eine sehr prägende Entscheidung für einen jungen Menschen. Daher ist es wichtig, sich vorher gut zu informieren. Mit knapp 40 Ausstellern aus den Bildungsbereichen der Brückenangebote, der Berufslehre, der Berufsmaturitäts- und Mittelschulen, der Höheren Berufsbildung sowie aus dem Hochschulbereich erhalten Interessierte eine gute Gelegenheit, sich vor Ort in unserem Land über das Angebot zu orientieren. Die Messe bietet den Jugendlichen, ihren Eltern und allen Interessierten einen sehr breiten Einblick in das Berufs- und Bildungsangebot. Man kann sich über verschiedene Berufe informieren, damit verbundene Tätigkeiten ausprobieren und sich mit Berufspraktikern austauschen.

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