Grenzenlose Mobilität der Arbeitnehmer? Achtung Falle!

Liechtenstein und die Schweiz kennen seit bald 100 Jahren offene Grenzen. Dadurch ist ein erfolgreicher, überregionaler Wirtschaftsraum entstanden. Auf beiden Seiten des Rheins boomt die Wirtschaft, Arbeit ist reichlich vorhanden. Viele Arbeitnehmende, die in Liechtenstein arbeiten, wohnen in der Schweiz und täglich pendeln mehr als 10’000 Personen aus der Schweiz nach Liechtenstein. So weit, so gut. Die negativen Folgen dieser starken Pendlerströme sind verstopfte Strassen und zunehmend stockender Verkehr. Das Pendeln nach Liechtenstein wird dadurch mehr und mehr ineffizient.

Homeoffice als Lösung…
Vermehrt wird deshalb versucht, mit modernen Arbeitsformen auf diese Nachteile zu reagieren. So kann z.B. durch Homeoffice die Zeit effizienter genutzt werden, der Arbeitnehmer steckt nicht im Verkehr fest. Die Möglichkeiten werden auch durch die fortschreitende Digitalisierung stets attraktiver. Auch hat sich in vielen Bereichen die Arbeitsweise stark verändert, so dass Aufgaben je länger je weniger ortsgebunden erfolgen müssen. Das Homeoffice bietet eine mögliche Lösung für verschiedene Herausforderungen der heutigen Zeit in unserer Region.

… aber die Sozialversicherungen als Falle
Neben diesen Chancen birgt das Homeoffice aber zumindest ein Risiko bei den Sozialversicherungen. Bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen gilt nämlich innerhalb der EU und seit 2002 auch im Verhältnis zur Schweiz eine spezielle Regelung. Diese soll verhindern, dass Personen entweder in keinem Land oder parallel in mehreren Ländern den Sozialversicherungen unterstellt werden.

25% machen den Unterschied
Grundsätzlich ist eine Person am Arbeitsort sozialversichert. Ein Arbeitnehmer, der in Liechtenstein arbeitet und in der Schweiz oder in einem EU-Staat wohnt, ist somit in Liechtenstein in der 1. und 2. Säule zu versichern. Entscheidend ist, dass die Arbeit effektiv in Liechtenstein erbracht wird.

Überschreitet die Tätigkeit am Wohnort die Grenze von 25%, hat dies einen Wechsel der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung zur Folge. Der Arbeitnehmer ist dann am Wohnort zu versichern, was zu hohem administrativem Aufwand und zu Leistungseinbussen führen kann.

Dazu ein kurzes Beispiel: Ein Arbeitnehmer wohnt in der Schweiz und arbeitet Vollzeit bei einem Unternehmen in Liechtenstein. Damit ist er den liechtensteinischen Sozialversicherungen (1. und 2. Säule) unterstellt. Wenn der Arbeitnehmer nun beschliesst, an zwei Tagen im Homeoffice zu arbeiten, ist er zu 40% in der Schweiz unselbständig tätig und damit nicht mehr in Liechtenstein, sondern neu in der Schweiz zu versichern. Insbesondere in der 2. Säule kann dies zu Problemen führen, wenn der Arbeitgeber nicht über eine entsprechende Lösung für die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz verfügt. Im Extremfall muss sogar ein Anschluss an die Stiftung Auffangeinrichtung BVG geprüft werden. Diese fungiert im Auftrag des Bundes als Auffangbecken und Sicherheitsnetz der 2. Säule. Als einzige Pensionskasse in der Schweiz nimmt sie ausnahmslos jeden anschlusswilligen Arbeitgeber und jede anschlusswillige Einzelperson auf, sofern diese die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.

Die «Falle» Sozialversicherungen entschärfen
Das Sozialversicherungsrecht sollte in einem liberal ausgestalteten Arbeitsmarkt keinen Einfluss darauf haben, in welcher Form die Arbeit erbracht wird. Im Interesse beider Staaten sollten die Regelungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz so angepasst werden, dass sie moderne Arbeitsformen nicht behindern oder gar verhindern. Zudem sollten im Hinblick auf die von der Digitalisierung ausgehenden Veränderungen im Arbeitsmarkt die Sozialversicherungen dahingehend überprüft werden, ob die Regelungen für diese bereit sind.

Publikation «Fokus Arbeitsmarkt»
Diese und andere Fakten zum Arbeitsmarkt Liechtenstein, unter anderem auch einen Vergleich des Arbeitsrechts zwischen Liechtenstein, Schweiz und Österreich finden Sie in unserer Publikation «Fokus Arbeitsmarkt: Fit für die Zukunft?».