Das 93 Mio. CHF-Darlehen ist das grosse Problem!

Erinnern Sie sich noch? An die Volksabstimmung über die Vorlagen zur Sanierung der maroden Pensionskassa des Staatspersonals? Es war der 15. Juni 2014. Rund 200 Mio. Schweizerfranken mussten vom Staat (sprich Steuerzahler) nachgeschossen werden, und weitere 93 Mio. Schweizerfranken in Form eines Darlehens. Und genau dieses Darlehen, das als Fremdkapital in der Buchhaltung der Pensionskassa geführt werden muss, bereitet erneut Sorgen. Text: Herbert Oehri

Bevor wir auf die aktuelle Situation, die der VU-Abg. Christoph Wenaweser an dieser Stelle beschreibt, einzugehen gedenken, lassen wir den Monate langen Kampf der Pro und Contra-Lager nochmals ganz kurz Revue passieren.

Vorweg: der «Pensionskassa-Skandal», wie er genannt wurde, war eines der düstersten Kapital im politischen Versagen in diesem Jahrhundert. Weil sich keine der traditionellen Parteien getraute, dieses heisse Eisen anzufassen, kam es zum Count-down, der darin gipfelte, dass aus dem Topf der Staatsreserven ca. 300 Mio. Franken aufgewendet werden mussten, um das grosse Finanzloch zu stopfen.

Das Pro-Lager mit dem Solokämpfer Nikolaus Frick aus Vaduz und weiteren Einzelpersonen und das Contra-Lager mit Regierung, Landtags, FBP, VU, FL, Stiftung Pensionsversicherung für das Staatspersonal, Personalverband öffentlicher Verwaltungen Liechtensteins (PVL), Finanzmarktaufsicht, IG Nein gegen einen neuen Sanierungsfall (mit mehreren Landtagsabgeordneten als Mitgliedern), weitere der angeschlossenen staatlichen Institutionen traten in öffentlichen Veranstaltungen auf. Die Initiative «Pensionskasse Win-Win» (Win-Win 90) erhielt 43,9 Prozent Zustimmung,»  während die Initiative «Win-Win 50» mit 49,7 Prozent nur sehr knapp scheiterte. Die Differenz zwischen Ja-und Nein-Stimmen betrug lediglich 57 Stimmen. Keine der beiden Initiativen erreichte das erforderliche Mehr. Das vom Landtag am 6. September 2013 beschlossenen neue Gesetz über die betriebliche Personalvorsorge des Staates konnte wie geplant am 1. Juli 2014 in Kraft treten und kostete viele Hundert Millionen Franken.

Freuten sich über das Ergebnis am 15. Juni 2014 v.l.: Markus Kaufmann, Christoph Frick, Regierungschef Adrian Hasler, Christine Wohlwend, Helmuth Büchel, Thomas Banzer, Alois Blank, Christian Hausmann.

«Es kann richtig teuer werden!»

Das Debakel der vormaligen Pensionskasse für das Staatspersonal dürfte allerorten noch schal in Erinnerung sein. Letztlich klaffte eine zu schliessende Deckungslücke von gut 300 Millionen Franken.
Text: Christoph Wenaweser · Foto: ZVG

Die Stimmberechtigten segneten im Juni 2014 die von der Regierung vorgeschlagene und auch im Landtag eine Mehrheit findende Lösung an der Urne überaus knapp ab. Diese Lösung sah entgegen mahnender Stimmen – nicht nur im Landtag – keine volle Ausfinanzierung der Deckungslücke vor. 93 Millionen Franken flossen als zinslose Darlehen der angeschlossenen Unternehmen. 

Genau diese 93 Millionen sind das Problem, eigentlich schon seit die Stiftung Personalvorsorge Liechtenstein (SPL) als privatrechtliche Nachfolgerin der als Mahnmal politischen Generalversagens der ersten Dekade dieses Jahrhunderts in die Geschichte eingehenden Pensionskasse für das Staatspersonal ihre Tätigkeit aufgenommen hat. Sie hängen wie ein Klumpen Blei als Fremdkapital in der Bilanz der SPL und ziehen den Deckungsgrad nach unten. 

Kunstgriff verfehlt seine Wirkung
Der Kunstgriff mit den zinslosen Darlehen hat seit operativer Tätigkeitsaufnahme der SPL am 1. Juli 2014 nicht in gewünschtem Masse gewirkt. Trotz halbwegs guter Börsenjahre konnte der Deckungsgrad bislang zu keinem Zeitpunkt auf wenigstens 100 Prozent erhöht werden. Von einem solide Robustheit gegen grössere Börsenturbulenzen verleihenden Zieldeckungsgrad von 116 Prozent ist die SPL um Lichtjahre entfernt. 

Düsterer noch als diese Tatsache fällt die Prognose des Pensionskassenexperten in seinem versicherungstechnischen Gutachten per Ende 2017 aus. Aufgrund der fehlenden Risikofähigkeit bleibe die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es die SPL aus eigener Kraft nicht schaffe, in absehbarer Zeit einen Deckungsgrad von nachhaltig mehr als 100 Prozent zu erreichen. Schlimmer noch: Die Wahrscheinlichkeit bleibt gemäss Pensionskassenexperte weiterhin hoch, dass der Deckungsgrad in den nächsten drei Jahren unter 90 Prozent fällt.

Der Anschluss an die SPL ist allerdings nicht nur für die Versicherten unattraktiv und risikobehaftet, sondern auch für die angeschlossenen Unternehmen.
Christoph Wenaweser, VU-Landtagsabgeordneter

Es kann richtig teuer werden
Ein Deckungsgrad unter 90 Prozent bedeutet erneutes Sanieren. Sollte der Deckungsgrad auch nur geringfügig unter diese 90 Prozent fallen, dürfte die Finanzmarktaufsicht einen knallharten Sanierungsbefehl ausgeben. Dann kann es noch einmal richtig teuer werden. Es wäre kaum spekulativ, in diesem Fall von einem niederen dreistelligen Millionenbetrag zu sprechen. Die Zeche zahlen würden wie bei der 2014er-Sanierung die angeschlossenen Unternehmen, von diesen zur Hauptsache das Land als grösster Arbeitgeber, die Gemeinden als Mitfinanzierer der Lehrergehälter – sohin die Steuerzahler – und die
Gesamtheit der Versicherten. Letzteres sind immerhin insgesamt 3000 Aktivversicherte und fast 1000 Rentenbezüger, ein grosser Teil davon mit familiären Versorgerpflichten. 

Hauptsächlich auf dem Buckel der Versicherten konnte die SPL bislang über Wasser, sprich auf einem Deckungsgrad von über 90 Prozent, gehalten werden. Das ist dem Stiftungsrat nicht vorzuwerfen. Er hat im Rahmen des ihm zur Verfügung stehenden Handlungsspielraumes das Mögliche unternommen. Der technische Zinssatz ist auf eine adäquate Höhe reduziert, der Rentenumwandlungssatz ist auf tiefes Niveau gesenkt und die Verzinsung der Altersguthaben fiel über die letzten Jahre im Marktvergleich deutlich unterdurchschnittlich aus. 

Dies hat er in einem Umfeld tun müssen, in dem die steigende Lebenserwartung den Druck auf Rückstellungen zur Rentenbesicherung zusätzlich noch erhöht, was in Summe «zu einer Verschärfung der Umverteilung der Erträge von den Aktivversicherten zu den Rentnernz» führt, wie es im Jahresbericht der SPL per 31. Dezember 2017 formuliert ist.

Noch massiverer Rentenklau
Es mag im Augenblick ein schwacher Trost sein, doch sind die Versicherten der Stiftung Personalvorsorge Liechtenstein mit ihrem jetzigen und den künftig noch tieferen Rentenumwandlungssätzen bei einer neuen Wahrheit angelangt, die über kurz oder lang sämtliche Versicherten aller Pensionskassen wenigstens ein Stück weit einholen dürfte. Im Umfeld ausbleibender Vermögenserträge und steigendem Langleben wird keine
Pensionskasse der Welt Rentenumwandlungssätze von sechs und mehr Prozent aufrecht halten können. 

Alles andere käme einem noch massiverem Rentenklau gleich, als er heute schon stattfindet, wenn beispielsweise notwendige Rückstellungen für Rentenbesicherungen zulasten der Verzinsung von Altersguthaben der aktiven Versicherten finanziert werden. Der relevante Unterschied liegt darin, dass andere Pensionskassen in langen, guten Jahren ihre Deckungsgrade auf deutlich über 100 Prozent anwachsen lassen konnten und damit auch über einen längeren Atem bei der Senkung der
Umwandlungssätze verfügen.

Das macht es allerdings nicht attraktiver, derzeit bei der SPL versichert zu sein. Bei freier Wahl der Vorsorgeeinrichtung würde sich im Moment kaum jemand aus eigenen Stücken der SPL anschliessen. Gerade auch deshalb nicht, weil das Risiko einer weiteren Sanierungsrunde dunkel über ihr schwebt.

Das Interesse vor der Abstimmung war in der Bevölkerung gross. Aufnahme vom Juni 2014.

Unattraktive, risikobehaftete Einrichtung
Der Anschluss an die SPL ist allerdings nicht nur für die Versicherten unattraktiv und risikobehaftet, sondern auch für die angeschlossenen Unternehmen. Einige von ihnen hätten schon 2014 oder wie zum Beispiel die Post AG noch viel früher liebend gerne vollständig ausfinanziert und das Weite gesucht, wenn es die Regierung nicht stets zu verhindern gewusst hätte. Die Wahrscheinlichkeit, die zinslosen Darlehen oder Teile davon ab einem Deckungsgrad von 105 Prozent zurückzuerhalten, ist um Potenzen geringer als das Risiko, bei einer nächsten Sanierungsrunde wieder zur Kasse gebeten zu werden oder auf Teile der Darlehen ab einem Deckungsgrad von 85 Prozent verzichten zu müssen.

Gerade deshalb haben sie wohl samt und sonders ihre Darlehensforderung an die SPL in den Bilanzen abgesichert. Es wundert auch nicht, dass aus Kreisen der angeschlossenen Unternehmen zur Risikosenkung der Ruf nach einer Umwandlung der Darlehen in Eigenkapital der SPL wahrzunehmen ist. Schliesslich kann die Teilnahme an einer Sanierungsrunde für ein Unternehmen nicht nur teuer, sondern schlimmstenfalls sogar existenzgefährdend werden. Die Post AG brachte 2014 die erforderliche Liquidität nicht auf, um den nicht ihr anzulastenden Ausfinanzierungsanteil aus eigener Kraft zu stemmen. Sie brauchte ein Darlehen ihres Minderheitsaktionärs Schweizerische Post AG, das wiederum durch eine Bürgschaft des Landes Liechtenstein als Mehrheitsaktionär besichert werden musste. Ohne das Darlehen der Schweizerischen Post AG und die Bürgschaft durch das Land hätte die Liechtensteinische Post AG damals das Licht löschen und den Schlüssel drehen können. Es wären grad auch noch dreihundert Arbeitsplätze dahin gewesen. Gut, dass sich die Post AG seither erholen und das Darlehen bereits zurückzahlen konnte.

Kein neuer wirtschaftlicher Schaden
Diese Erholung oder noch besser eine echte Gesundung zur Erhöhung des unternehmerischen Handlungsspielraums und zur Senkung des Sanierungsrisikos würde man auch der SPL wünschen. Der Schlüssel liegt bei den zinslosen Darlehen der angeschlossenen Unternehmen. Es ist höchste Zeit, diese vom Fremd- ins Eigenkapital der Stiftung zu überführen. Das würde auf den 2017er Zahlen basierend zu einem Deckungsgrad von rund 106 % führen, den hohen, auf der Stiftung lastenden Druck mildern und die Stiftung risikofähiger machen. Die Gelder sind geflossen, das Land und die übrigen darlehensgewährenden Arbeitgeber haben das Ausfallrisiko in ihren Bilanzen abgesichert. Es entstünde kein neuer wirtschaftlicher Schaden. Dennoch braucht es politischen Mut, das Notwendige zu tun und damit auch einzugestehen, dass der Kunstgriff mit den zinslosen Darlehen unter Umständen wohl an der Urne für die notwendigen Ja-Stimmen gesorgt, aber darüber hinaus die erhoffte Wirkung nicht entfaltet hat. 

Nicht nochmals ähnliche Fehler
Auf die Märkte, auf die Vorsehung oder darauf zu hoffen, dass eine mögliche weitere
Sanierung erst ins Haus steht, wenn einem der Ruf nach der politischen Verantwortung nicht mehr einholen kann, hiesse, ähnliche Fehler wie 2008 noch einmal zu machen. Damals hatten Regierung und Landtag nicht den Weitblick oder nicht den Mut, das sich
anbahnende, grösste finanzielle Debakel der jüngeren Geschichte unseres Landes zu erkennen und zu verhindern. Mit der damaligen Revision des Gesetzes über die Pensionskasse für das Staatspersonal wurde der Weg ins bereits absehbare 300-
Millionen-Loch sogar noch betoniert. Die Pensionskasse für das Staatspersonal war schon damals ein Sanierungsfall, aber die Sanierung wäre sehr viel billiger zu haben gewesen. Das darf nicht nochmals passieren. Zudem bin ich der Meinung, dass das Sanierungskonzept 2014 im Grundsatz richtig aufgesetzt war. Auch die damals alternativ zur Wahl stehenden WinWin-Varianten mit ihren Parametern würden die SPL heute nicht besser dastehen lassen. 

Abstimmungskampf 2014: v.l. Nikolaus Frick, Michael Biedermann, Moderator und Regierungschef Adrian Hasler

Ansonsten null und nichts gelernt
Der Verzicht der angeschlossenen Unternehmen auf ihre Darlehensforderung könnte sohin auch als letzter noch zu vollziehender Sanierungsschritt der Stiftung Personalvorsorge Liechtenstein ohne neuerliche Kostenfolgen betrachtet werden. Tun wir diesen Schritt nicht, droht uns die Geschichte einzuholen, vielleicht schneller als wir denken. Und einmal mehr hätte die Politik dann aus eben dieser Geschichte null und nichts gelernt.

Zudem bedeutet die oft zitierte Finanzhoheit des Landtags nicht nur auf Vorlagen der
Regierung zu warten. Bei offensichtlichem Handlungsbedarf begibt sich die Volksvertretung selbst in die Verantwortung, wenn sie notwendige Massnahmen von der Regierung nicht einverlangt, in diesem Fall vom dossierverantwortlichen Herrn Regierungschef!

 

Zitat: Volksblatt 16. Juni 2014
Regierungschef Adrian Hasler: «Anspannung bis zuletzt»

Nach der Abstimmung zeigte sich Regierungschef Adrian Hasler im Gespräch mit dem «Volksblatt» erleichtert über das Ergebnis. Wir zitieren aus dem Volksblatt vom 16. Juni 2014.

Volksblatt: Herr Regierungschef, was sagen Sie zu dem Ergebnis?
Adrian Hasler: Ich bin erleichtert und froh, dass wir die Abstimmung für uns entscheiden konnten. Mit 50,3 Prozent steht am Ende zwar ein ganz knappes Resultat, aber ich bin wirklich froh.

Wie gross war die Anspannung in den vergangenen Wochen?
Sehr gross. Es war eine sehr wichtige Abstimmung und man hat gespürt, dass das Ergebnis sehr schwer vorherzusagen war. Auch ich war mit nicht sicher. Ich habe gehofft, dass wir mit unseren Argumenten zu den Stimmbürgern durchdringen können. Insofern war der heutige Tag ein Wechselbad der Gefühle. Es war bis zur letzten Gemeinde nicht klar, ob wir die Abstimmung für uns entscheiden können oder nicht. Nun bin ich aber wirklich froh. 

Im Volksblatt-Interview sprachen Siekürzlich von einer «Roten Karte». Rot war sie nun nicht, aber dunkelgelb dann schon. Das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und der Politik scheint angespannt zu sein. Kann die Politik Lehren daraus ziehen?
In diesem konkreten Fall muss man ganz klar zwischen der jetzigen Regierung und der Vergangenheit unterscheiden. In der Vergangenheit sind viele Fehler gemacht worden, das habe ich auch mehrfach öffentlich gesagt. Dafür ist aber nicht die aktuelle Regierung verantwortlich. Wenn man nun die aktuelle Politik wegen der Fehler der Vergangenheit abstrafen möchte, ist das für mich einfach das falsche Zeichen. Wir haben wirklich versucht, die beste Lösung herbeizuführen. Natürlich nehmen wir das Signal aus der Bevölkerung wahr. Dass eine gewisse Skepsis gegenüber der Politik besteht, ist für mich aber auch klar. Daher versuchen wir immer wieder, unserer Arbeit dazulegen, offen und transparent zu sein und wir hoffen, dass uns das auch gelingt.

Die Abstimmung zeigt eine gewisse Diskrepanz zwischen Ober-und Unterland. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Nein. Ich habe auch festgestellt, dass im Unterland eine Ablehnung beider Initiativen überwiegt, im Oberland aber ein stärkerer Zuspruch für «Win-Win 50» beseht. Wir ist aufgefallen, dass es grössere Unterschiede zwischen den Gemeinden gibt. Dies zeigt auch etwas die Stimmung, die ich in den vergangenen Tagen wahrgenommen habe. Ich hätte überhaupt nicht einschätzen können, wie die Abstimmung endet. Das sich nun bestätigt.