Wie viel und welche Sanierung unserer Sozialwerke soll der Bürger noch ertragen?

In den letzten beiden und in der laufenden Legislaturperiode wurde bei jeder Ansprache und in den Interviews der Regierung die Wichtigkeit von gesunden Staatsfinanzen, der Sanierung des Staatshaushaltes und – im gleichen Atemzug – die Notwendigkeit der Sanierung der Sozialwerke und Sozialversicherungen betont. Das ist sicher wichtig. Doch das Limit der Ausquetschung der mittelständischen Familien, Alleinerziehenden und Senioren im Rentenalter ist bereits überzogen. 

Text: Johannes Kaiser, Landtagsabgeordneter (parteifrei)

 

Wie wurde der Staatshaushalt durch die Regierung saniert? Zu einem erheblichen Teil durch massive Reduktionen der staatlichen Beitragsleistungen an die AHV und die Krankenversicherung. Ein Blick auf die zentralen Stellschrauben, derer sich die Regierung bediente, zeigt auf, dass immer wieder der Mittelstand am meisten tangiert wurde:

  • Der staatliche Beitrag zur Nichtbetriebsunfallversicherung (NBU) wurde abgeschafft und auf den Bürger überwälzt: 12,5 Millionen Franken. 
  • Der staatliche Beitrag an die Arbeitslosenversicherung ALV wurde um 4,8 Millionen Franken gekürzt.
  • Der AHV wurden 45 Millionen Franken an staatlichen Beiträgen entzogen.
  • Der staatliche Beitrag an die Krankenversicherung wurde um 24 Millionen Franken gekürzt.

Bei den Sozialversicherungen und Sozialwerken wurden diese Mindereinnahmen durch den Abbau von Leistungen bzw. die Erhöhung von Beiträgen kompensiert. So sind diese zwar gesichert, doch die Frage steht im Raum: Wie geht es den Bürgerinnen und Bürgern, den Versicherten?    

Besonders ins Gewicht fallen für den Einzelnen die hohen Krankenkassenprämien mit den massiv gestiegenen Kostenbeteiligungen (Franchise).

Johannes Kaiser, Landtagsabgeordneter

 

Keine Angst vor der Demografie
Die bescheidene Lohnentwicklung der letzten Jahre kann die gestiegenen Beiträge für ALV, NBU, AHV und vor allem betreffend der Krankenkassenprämie für den Einzelnen nicht mehr kompensieren. Für die AHV bedeutet diese nicht adäquate Lohnentwicklung de facto eine geringere Lohnsumme. Dieser Aspekt taucht in der Diskussion nicht auf. Die Schuld an der sich öffnenden Schere zwischen Lohnsumme und Ausgaben wird auf die demografische Entwicklung geschoben, obwohl diese nur einen Teilaspekt darstellt und relativiert werden kann. So wird beispielsweise bei näherer Betrachtung der Aussage, künftig werde ein Junger für einen Rentner aufkommen müssen, wo früher das Verhältnis 3:1 herrschte, schnell klar, dass die Zahl der 20- bis 64-Jährigen (und potenziell Beschäftigten) zwar abgenommen und die der über 64-Jährigen zugenommen hat. Das Verhältnis von Beschäftigten mit Lohnbeiträgen an die AHV zu AHV-beziehenden Rentnern stellt sich dennoch nicht ganz so dramatisch dar, wie dies immer wieder drastisch an die Wand gemalt wird. Im Gegensatz zu früher arbeiten immer mehr Frauen auch nach der Geburt der Kinder weiter und tragen erheblich zur Lohnsumme der AHV bei.

Erhöhung der Eigenverantwortung durch Erhöhung der Franchisen?
Besonders ins Gewicht fallen für den Einzelnen die hohen Krankenkassenprämien mit den massiv gestiegenen Kostenbeteiligungen (Franchise). Erstere sind hauptsächlich auf die Kürzung des Staatsbeitrages zurückzuführen, letztere auf die Gesetzesanpassung, die auf der Behauptung beruht, mit höherer Kostenbeteiligung werde die Eigenverantwortung des Versicherten erhöht. Die Erhöhung der Eigenverantwortung sei nötig, so die Regierung – namentlich der Gesundheitsminister –, weil der Liechtensteiner zu häufig, jedenfalls aber wesentlich häufiger als unser Schweizer Nachbar zum Arzt gehe. Mit Zahlen belegt wird dies allerdings nirgends. Zweifeln daran lässt auch die Tatsache, dass die ambulanten Arztkosten (pro Kopf) in Liechtenstein zwar erheblich höher als im Schweizer Durchschnitt oder dem Kanton St. Gallen sind, die ambulanten Spitalkosten (pro Kopf) aber um einiges niedriger ausfallen. Die totalen ambulanten Kosten pro Kopf im 2017 betragen in Liechtenstein 1‘559 Franken, im Schweizer Durchschnitt 1‘667 Franken und in St. Gallen 1‘432 Franken. Liechtenstein hat also niedrigere ambulante Kosten als der Schweizer Durchschnitt und rund 8 % höhere als der Kanton St. Gallen. Gehen wir also wirklich öfter zum Arzt oder geht der Schweizer eher in ein Spitalambulatorium?

Fazit
Bei Eingriffen in unsere Sozialwerke vorher die richtigen Fragen zu stellen, ist elementar, damit die getroffenen Massnahmen für die Einwohnerinnen und Einwohner nicht eine negative Wirkung auslösen.