Ruggell feiert die UNICEF Zertifizierung «Kinderfreundliche Gemeinde»

Grosse Freude herrscht bei der Projektgruppe UNICEF und allen Kindern: Gruppenbild mit Vorsteherin Maria Kaiser-Eberle.

Am 20. Juni 2018, kurz vor den Sommerferien, hat die Jury der UNICEF Schweiz in Zürich einstimmig entschieden, Ruggell als erste Gemeinde Liechtensteins mit dem Label «Kinderfreundliche Gemeinde» zu zertifizieren. Besonders hervorgehoben wurde in der Evaluation die sehr gute Zusammenarbeit in Ruggell zwischen Schule, Jugendarbeit, Verwaltung und Politik. Gemeinsam laden die Gemeinde Ruggell und UNICEF Schweiz am Freitag, 21. September 2018, zu einem Festakt ein. 

 

Im Gespräch mit Gemeindevorsteherin Maria Kaiser-Eberle und Dr. Klaus Tschütscher, Vorstandsmitglied von UNICEF Schweiz

Dr. Klaus Tschütscher und Vorsteherin Maria Kaiser-Eberle.

Frau Kaiser-Eberle, am 21. September 2018 erhält Ruggell die Auszeichnung «Kinderfreundliche Gemeinde» von der UNICEF überreicht. Was bedeutet das für Sie als Vorsteherin und die Gemeinde Ruggell?
Maria Kaiser-Eberle: Ich freue mich sehr, dass Ruggell als erste Gemeinde in Liechtenstein diese Auszeichnung von UNICEF Schweiz erhalten wird. Für uns wird dies ein sehr grosser Tag. Die Kinder und Jugendlichen sind unsere Zukunft. Wir wollen sie ernst nehmen und jetzt schon in geeigneter Weise mitarbeiten und ihre Ideen einbringen lassen. Die Partizipation der Kinder und Jugendlichen in Ruggell können wir nun im Rahmen dieses UNICEF-Projektes festigen und durch den ständigen Austausch mit der UNICEF Schweiz sowie anderen UNICEF Gemeinden ständig weiterentwickeln. 

Das Projekt erreicht ein erstes Ziel, für das viele Personen aus der Verwaltung, Schule, Schulrat und der offenen Jugendarbeit intensiv gearbeitet haben. Die Kinder und Jugendlichen haben sich in den Workshops sehr gut eingebracht und engagiert. Eine besondere Freude ist es für mich zudem, dass der ehemalige Regierungschef und Ruggeller Dr. Klaus Tschütscher seit einigen Jahren als Vorstandsmitglied bei der UNICEF Schweiz mitwirkt und so ebenfalls diese Werte und Ideale mitträgt. 

Herr Dr. Tschütscher – Ruggell wird die erste Gemeinde in Liechtenstein sein, welche diese Auszeichnung erhält. Was bedeutet das für die UNICEF Schweiz?
Dr. Klaus Tschütscher: Es freut mich natürlich riesig, dass meine Heimatgemeinde die erste Gemeinde in Liechtenstein ist, welche diese Auszeichnung erhalten wird. Maria Kaiser-Eberle als Gemeindevorsteherin und die Verantwortlichen der Gemeinde haben die Initiative, die UNICEF-Zertifizierung als kinderfreundliche Gemeinde anzugehen, ohne mein Zutun als Delegierter und Vorstandsmitglied von UNICEF ergriffen. Umso grösser war dann meine Freude, als ich davon in der Vorstandssitzung erfahren habe. Diese Entschlossenheit zeugt gleichzeitig von Verantwortungsgefühl und Weitsicht. Dazu möchte ich allen Involvierten von Herzen gratulieren. Für uns bei UNICEF Schweiz war es gleichzeitig eine Bestätigung, dass unsere Organisation für Liechtenstein eine herausragende Bedeutung hat und umgekehrt. Wir sind im Namen des gesamten Kinderhilfswerks sehr dankbar dafür, dass wir schon in der Vergangenheit stets sehr grosszügige Zuwendungen und Spenden aus Liechtenstein entgegennehmen durften. Nun erfährt die Beziehung mit der Auszeichnung von Ruggell eine weitere, bleibende Vertiefung. Ich erhoffe mir, dass alle anderen Gemeinden des Landes der Vorreiterrolle Ruggells folgen und Liechtenstein so zum ersten kinderfreundlichen Land der Welt machen. 

Kinder sind unsere Zukunft, sie werden die Gemeinde mitgestalten und sich vielleicht später ebenfalls für die Gemeinde einsetzen. 

Maria Kaiser-Eberle, Vorsteherin Ruggell

 

Frau Kaiser-Eberle, wie war der Weg bis zu dieser Auszeichnung und was musste alles dafür unternommen werden?
Maria Kaiser-Eberle: Einen kleinen Workshop bei einem Besuch in der Primarschule oder die Einladung für ein Treffen und Kennenlernen der Verwaltung machte ich immer wieder. Bei all der Arbeit ist es aber oft schwierig, ohne klares Konzept an einer Sache dranzubleiben. Unser Gemeindesekretär Christian Öhri brachte die Information über diese Möglichkeit aus einer Weiterbildung in Olten mit. Ich war sofort begeistert und sah damit die Möglichkeit, an der Thematik dranzubleiben. Unser Gemeinderat war sehr interessiert und positiv eingestellt und so wurde gemeinsam und einstimmig als erster Schritt eine Standortbestimmung beschlossen. Die Standortbestimmung zeigte uns sehr gut auf, wo die Gemeinde bereits gute Arbeit geleistet hat. Sie zeigte aber auch auf, wo noch Potentiale sind. Es folgte ein Bevölkerungsworkshop mit einem separaten Jugendtisch sowie diverse Veranstaltungen und Workshops mit Kindern. 

Schliesslich entstand ein Aktionsplan mit zwölf Massnahmen, welche nun in den kommenden vier Jahren umgesetzt werden. Dabei geht es um Massnahmen rund um den sicheren Schulweg und Weg zu den Freizeiteinrichtungen, die Subvention von Schülerabos, so dass Jugendliche auch in der Freizeit den Linienbus kostenlos benutzen können. Im Weiteren geht es um die Überprüfung der Spielplätze sowie die Realisierung einer Pumptrack-Anlage.

Herr Dr. Tschütscher, die Auszeichnung «Kinderfreundliche Gemeinde» wird von nun an Ruggell begleiten. Was bedeutet dies, was sind die Verpflichtungen, aber auch die Vorteile?
Dr. Klaus Tschütscher: Die Vorsteherin und ich sind hier in Ruggell aufgewachsen und so wissen wir eigentlich seit langem schon, wie kinderfreundlich unsere Gemeinde seit jeher ist. Jetzt wird diese Tatsache durch eine starke Marke sowie Auszeichnung bestätigt und belohnt die Aktivitäten der Gemeinde. Die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde Ruggell und UNICEF Schweiz war während des gesamten Prozesses hervorragend, da gab es bei UNICEF Schweiz sehr viel Lob. Auch wurde die Auszeichnung im Rekordtempo erreicht, weil die Voraussetzungen optimal gegeben waren. Die Auszeichnung und Anerkennung wird die Gemeinde von nun an begleiten, sei es durch Veranstaltungen, Erfahrungsaustausche schweizweit mit den UNICEF-Gemeinden oder Weiterbildungen. Die Auszeichnung beinhaltet aber auch die Verpflichtung, den Aktionsplan umzusetzen und dran zu bleiben. Bereits nach zwei Jahren wird ein erster Zwischenbericht erwartet und nach vier Jahren erfolgt eine Re-Zertifizierung. Ruggell wird sich in der Region als kinderfreundliches Dorf positionieren und für die Gemeinde bedeutet dies, die Verantwortung für diese Verpflichtungen auch zu übernehmen. Diesbezüglich bin ich aber total entspannt, weil ich weiss, dass in Ruggell den Worten oder eben der Auszeichnung auch Taten folgen werden.

Frau Kaiser-Eberle, warum soll man sich die Ideen und Anregungen von Kindern überhaupt anhören?
Maria Kaiser-Eberle: Kinder sind sehr wohl fähig, sich einzubringen. Es ist uns wichtig, dass sie ihre Ideen darlegen und dass darüber diskutiert wird. An der Kinderkonferenz waren «Luftschlösser» – wie zum Beispiel ein Einhorn-Laden – erwünscht. Die Kinder nahmen dabei diese Möglichkeit auch wahr, frisch von der Leber ihre Wünsche aufzuschreiben oder aufzuzeichnen. Nur war es dann wichtig aufzuzeigen, warum die Realisierung mancher Ideen nicht möglich ist. So waren an den Workshops auch Fachplaner und Experten dabei, die sich den Fragen der Kinder stellten. Ich denke, so lernen die Kinder früh sich einzubringen, zu Argumentieren und dass man auch in einem demokratischen Prozess etwas bewirken kann, wenn man sich aktiv einbringt. Kinder sind unsere Zukunft, sie werden die Gemeinde mitgestalten und sich vielleicht später ebenfalls für die Gemeinde einsetzen. 

Wir Erwachsene planen, bauen etwas und denken dabei, das ist das Beste für unsere Kinder und unsere Jugendliche. Ist es dies auch wirklich?
Maria Kaiser-Eberle: Ich habe es so wahrgenommen, dass die Kinder und Jugendlichen es sehr geschätzt haben, dass ihre Anregungen gehört wurden. Ich werde von den Kindern auf der Strasse angesprochen, wie es mit den einzelnen Massnahmen läuft. Sie erhalten die entsprechenden Rückmeldungen und Informationen über den aktuellen Stand, und dies gehört ebenfalls zum Prozess  dazu. So werden die Kinder auch als Erwachsene vielleicht einmal mit grossem Stolz auf etwas zeigen, was sie als Kind verwirklicht oder mitgewirkt haben. 

Dr. Klaus Tschütscher: Wir wissen, dass wir in Liechtenstein in einer privilegierten Situation leben, wo wir sicher noch mehr für unsere Kinder und Jugend machen können. Unsere Kinder dürfen einen hohen Bildungsstandard geniessen und die meisten leben in guten Verhältnissen. Da ermöglicht und fördert der partizipative Prozess und Ansatz die Auseinandersetzung mit Kindern, denen es nicht so gut geht, die in Krisensituationen oder gar im Krieg leben. Diese Bewusstseinsbildung ist ein wichtiger Teil der Bildung, um ein Verständnis für humanitäre Hilfe zu entwickeln und die eigene Lebenssituation stets aufs Neue schätzen zu lernen.  

Herr Dr. Tschütscher, am Wochenende vom 21. September 2018 findet auch die Delegiertenversammlung in Ruggell statt. Was für Entscheide werden da gefällt?
Dr. Klaus Tschütscher: Die Delegiertenversammlung ist das oberste Organ der UNICEF Schweiz. Zum ersten Mal findet die Delegiertenversammlung nun in Liechtenstein statt. Ohne zu wissen, dass Ruggell die Auszeichnung «Kinderfreundliche Gemeinde» erhalten wird, haben wir vor einem Jahr entschieden, dass die diesjährige Delegiertenversammlung in Ruggell stattfinden soll. Dass die Delegiertenversammlung damit die Feier zur Auszeichnung der Gemeinde umrahmt, ist doch wunderbar und grossartig. Die anstehende Delegiertenversammlung wird zudem der Startschuss für eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Liechtenstein und der Schweiz sein. Wir werden inskünftig als «Komitee UNICEF Schweiz und Liechtenstein» auftreten und können so die Interessen als Kompetenzzentrum bezüglich Kinderrechte noch besser wahrnehmen.