Karl Marxens Mythos und Realität

S.D. Prinz Michael von Liechtenstein während seines Vortrags vor 140 geladenen Gästen anlässlich der XIV. Gottfried von Haberler-Konferenz in Vaduz mit internationalen Fachexperten Ende dieser Woche.

 

XIV. Gottfried von Haberler Konferenz in Vaduz mit internationalen Fachexperten

 

Vaduz –  Auch wenn Karl Marx’ Werk wohl am besten mit Boehm-Bawerks berühmten Zitat zusammengefasst werden kann « … ein äusserst kunstreich erdachtes, mit fabelhafter Kombinationskraft in zahllosen Gedankenetagen aufgebautes, mit bewundernswerter Geisteskraft zusammengehaltenes Kartenhaus», werden auch 200 Jahre nach seiner Geburt seine Ideen und Theorien auf der ganzen Welt lebhaft diskutiert. An der XIV. Gottfried von Haberler Konferenz widmeten sich sechs international führende Professoren und Experten am Freitag an der Universität Liechtenstein seinem Werk. Über 140 geladene Gäste verfolgten die Vorträge und Diskussionen der Konferenz unter dem Titel «Karl Marx. Mythos und Realität».

«Die marxistische Lehre, insbesondere die Illusion der Gleichheit wurde im ‚real existierenden Sozialismus‘ umgesetzt. Gleichheit, auch gemäss Marx selbst, kann nicht in Freiheit, sondern nur in der Tyrannei erzielt werden», sagt S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein, Präsident der ECAEF und Gastgeber der Konferenz. «Das Resultat des Marxismus waren Millionen von staatlich verordneten Morden weltweit, insbesondere in der Sowjetunion und in China, der Mord an einem hohen Anteil der Bevölkerung von Kambodscha sowie Tötungen und Unfreiheit in einem grossen Teil der Welt. Es ist schwer verständlich, dass der Geist von Marx, – zwar unter anderen Bezeichnungen – heute noch immer weiterlebt.»

Die Internationale Gottfried von Haberler Konferenz wird alljährlich von der European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF) ausgerichtet und fand in diesem Jahr bereits das 14. Mal in Folge statt. Sie endete am Freitagabend mit dem traditionellen Empfang auf Schloss Vaduz.

 

Das Wichtigste aus den einzelnen Referaten:

Pedro Schwartz – Das Kommunistische Manifest und die Verführungen des sogenannten wissenschaftlichen Sozialismus

Der Doyen der Europäischen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Pedro Schwartz (ES), eröffnete mit seinem Referat «A Spectre haunts Europe: The Communist Manifesto after 170 Years» die Tagung. Prof. Schwartz legte dabei die drei wesentlichen Elemente der Verführungen des Kommunistischen Manifests von Karl Marx und Friedrich Engels dar. Nicht nur beschworen Marx und Engels mit kraftvoller Rhetorik die Wissenschaftlichkeit ihrer Argumente. Sie riefen ebenso in moralischer Entrüstung zum bewaffneten Klassenkampf auf. Marx und Engels scheiterten mit ihren

Vorhersagen der Verelendung der Arbeiterklasse und des unvermeidlichen Zerfalls des Kapitalismus. Nach Prof. Schwartz lag der Fehler unter anderem in Marx’ Annahme, dass der Kapitalismus auf der primitiven Akkumulation von durch Ausbeutung gewonnenen Werten beruht. Marxismus und Sozialismus seien im Wesentlichen eine Ideologie des Neides und der Unterdrückung individueller Freiheit.

Hardy Bouillon – Marxens Mythen von der wahren Freiheit

Systematisch entzauberte der deutsche Philosoph Hardy Bouillon in seinem Vortrag über «Freiheit durch Sozialismus? Der Mythos Marx» die beiden wichtigsten Marx-Mythen. Weil Marx die Freiheit einfach so definierte, dass sie dem Sozialismus genügt, konnte er leicht behaupten, dass die wahre Freiheit nur durch den Sozialismus respektive den Kommunismus errungen werden kann. Der zweite Mythos ist laut Bouillon schwerer zu entlarven, weil er in der unkritischen gedanklichen und sprachlichen Reflexion von Marxens These begründet ist. Nach Marx ist der kapitalistische Produktionsprozess ausbeuterisch, weil es eine vermeintliche Verletzung von Freiheit und Eigentum des Arbeiters impliziert. Genauso wie Karl Marx dem kapitalistischen Produktionsprozess diesen Verstoss gegen die ausgleichende (kommutative) Gerechtigkeit unterstellt, verhindert auch die leere aber populäre Phrase einer ‚sozialen Gerechtigkeit’ in der politischen Alltagssprache das wichtige Verständnis von Marx’ zweitem Mythos.

Michael Wohlgemuth – Der moderne Sozialismus und die Kritik der Österreichischen Schule

Der Wirtschaftswissenschaftler Michael Wohlgemuth (D) zeigte in seinem Referat «Der moderne Sozialismus und die Kritik der Österreichischen Schule» die methodologischen Grundunterschiede zwischen der Österreichischen Schule und der gegenwärtig vorherrschenden Lehre auf. Nach Wohlgemuth analysiert die dominierende Wohlfahrtsökonomie kaum je die institutionellen Bedingungen erfolgreicher Marktwirtschaften, sondern zeigt bestenfalls die Baupläne einer Nirwana-Vision sozialistischer Planwirtschaften auf, deren Vorausetzung das Wissen aller individuellen Präferenzen oder der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Bedürfnisse ist. Für Wohlgemuth war es Friedrich A. von Hayek, der als einer der ersten erkannte, dass jede Art moderner Sozialismen an der Unkenntnis dezentralen Wissens scheitern wird. Der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus zu dem Zeitpunkt als die Welt von der Wissensgesellschaft gesprochen hat und hieraus Wertschöpfung gewann, ist daher nicht verwunderlich.

Philipp Batthyány – Liberalismus oder Sozialismus, die Zukunftsfrage der Menschheit

Der deutsche Wirtschafts- und Gesellschaftsphilosoph Philipp Batthyány konzentrierte sich auf die Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und Sozialismus. Im dialektischen Sinn gibt es nach Marx zwischen These und Antithese keine Synthese, sondern nur die Möglichkeit einer klaren Grundsatzentscheidung zwischen einem von beiden. Nach Batthyány sind in unserem Menschen- und Gesellschaftsbild, aber auch in unserem Rechts- und Staatsverständnis, Liberalismus und Sozialismus unvereinbar. Während im marxistischen Denken Determinismus und Begrenztheit durch Zwang und Gewalt von Menschen über Menschen vorherrschen, finden im evolutionären Verständnis des klassischen Liberalismus – namentlich der Österreichischen Schule – abstrakte Prinzipien kultureller Evolution, Moral und Recht der Freiheit die bestimmende Anerkennung.

Enrique Ghersi – Perus «Leuchtender Pfad» als Beispiel einer scheiternden Idee, die im Terror endete

Ein praktisches Beispiel der verheerenden Auswirkungen angewandter kommunistischer Ideologie zeigte der Peruaner Enrique Ghersi in seiner Präsentation «A not-so Shining-Path: Just one Case in Point of a Failed Idea ending in Terror». Der Politikwissenschaftler beschrieb den blutigen und sinnlosen Bürgerkrieg, den die PCP-SP (Shining Path) gegen den Willen der Mehrheit der peruanischen Gesellschaft unter Abimael Guzmán Reynoso gegen den peruanischen Staat führte. Nach ungezählten Toten, Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen konnte nach zwölf Jahren im September 1992 Guzmán und ein Grossteil des inneren Zirkels des Leuchtenden Pfads gefangen genommen werden.

Timothy Garton Ash – Ein Geist verfolgt Mitteleuropa

Den Abschluss der 14. Gottfried von Haberler Konferenz machte der mehrfach ausgezeichnete Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford, Timothy Garton Ash, mit seinem Referat «Is a Spectre Still Haunting Central Europe? Reflections of an Eyewitness». Garton Ash warf seinen Blick auf das Mitteleuropa unserer Zeit, in dem aktuell eine dramatische Reaktion auf fast 30 Jahre Transformation, Liberalisierung, Europäisierung und Globalisierung zu beobachten sei. Als «Augenzeuge» ging Timothy Garton Ash der Frage nach, wie es zu dieser Situation kommen konnte, inwiefern die derzeitige, von Populismus geprägte Situation in der mitteleuropäischen Politik ungelöste Traumata aus vier Jahrzehnten sowjetischer-kommunistischer Herrschaft widerspiegelt, ob es einen besseren Weg gegeben hätte, das marxistisch-leninistische Erbe zu demontieren und ob die Europäische Union einen undemokratischen Liberalismus bewirkte.

ECAEF in Kürze

European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF) ist ein liberaler Think Tank mit Sitz in Vaduz/Liechtenstein. ECAEF begrüsst die Tradition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und fördert durch verschiedene Aktivitäten das Verständnis für die Theorien und das Wissen dieser Denkschule. ECAEF steht ein für Selbstverantwortung, Unternehmertum, freie Marktwirtschaft und ein sinnvolles Mass an staatlichen Aktivitäten. Mit der Gottfried von Haberler Konferenz möchte ECAEF der Öffentlichkeit eine andere Perspektive auf volkswirtschaftliche Entwicklungen aufzeigen und zur positiv-kritischen Auseinandersetzung mit relevanten Zeitthemen bewegen. Das Ziel von ECAEF ist, auf wirtschaftspolitische Entwicklungen aufmerksam zu machen und aus der Perspektive der Österreichischen Schule der Nationalökonomie Lösungsmöglichkeiten resp. Alternativen für Probleme unserer Zeit aufzuzeigen. (Karin Brigl, LGT)