Was ist mit den Beziehungen zum Kanton St. Gallen los?

 

Beispiele, die belegen, dass das Verhältnis nicht gerade zum Besten bestellt ist

Beitrag des FBP-Parlamentariers Johannes Kaiser in der lie-zeit (Print) Nr. 58/2017 vom 16.September 2017.

Die freundnachbarlichen Beziehungen über den Rhein zwischen Liechtenstein und der Schweiz – oder präziser zwischen Liechtenstein und dem Kanton St. Gallen – sind nur einseitig «lieb». Beim gemeinsamen Verzehr von OLMA- Bratwürsten mit St. Galler Senf passt die Stimmung, doch ändert sich dies, wenn es ums Eingemachte geht, dann bekam die Regierung in Vaduz stets einen Korb.

Quellensteuer für Grenzgänger aus der Schweiz:
NEIN aus St. Gallen

Rund um die Schweiz können die angrenzenden Staaten Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich eine Quellensteuer von Grenzgängern, die in der Schweiz eine Arbeitsstelle innehaben, erheben. Aufgrund von zwischenstaatlichen Verhandlungen schwankt diese Quellensteuer zwischen 2,5 und 4 %. Bei den entsprechenden Verhandlungen zwischen Vaduz und Bern gab es für Liechtenstein, wie wir wissen, ein kategorisches NEIN ! Die Liechtenstein zustehende Quellensteuer würde für den Staatshaushalt immerhin jährlich rund 30 Mio. Franken ausmachen. Ein erfolgreiches Verhandlungsergebnis des Regierungschefs und Finanzministers wäre auch ein niedrigerer – vielleicht ein hälftiger Prozentsatz von 2% gewesen: das hätte bei den jährlichen Staatseinnahmen ein Plus von ca. 15 Mio. Franken ergeben. Zudem kam die Absage an die Regierung in Vaduz nicht aus der Bundeshauptstadt Bern, wie man dies bei zwischenstaatlichen Verhandlungen erwarten könnte, sondern aus St. Gallen – und das liess sich die Regierung in Vaduz gefallen!

Kein Verhandlungserfolg für 100
betroffene Liechtensteiner/-innen

Rund 100 Spitalangestellten und Lehrkräften mit Wohnsitz in Liechtenstein und Arbeitsplatz im Kanton St. Gallen wurde im April 2017 mitgeteilt, dass sie ihre (Quellen)-Steuern ab dem 1.Januar 2018 im Kanton St. Gallen zu entrichten bzw. zu zahlen hätten. Dies bedeutet für die Betroffenen massive Einbussen und sogar eine Schlechterstellung als Arbeitnehmende, die selbst ihren Wohnort im Kanton St. Gallen haben. Es handelt sich dabei teils um Berufsgattungen, die in Liechtenstein gar nicht angeboten werden, wie z.B. seit kurzem die Geburtenabteilung im Spital Grabs oder zahlreiche andere Kaderstellungen. Die Schweizer Haltung kommentierte Regierungschef Adrian Hasler infolge einer «Kleinen Anfrage» im Landtag kleinlaut: «JA». Die Vertreter der Schweiz stellten unmissverständlich klar, dass ihnen das Besteuerungsrecht zustehen und sie dieses auch rechtlich durchsetzen werden.»

Wirtschaftsrhetorik dies-und jenseits des Rheins:
«Gleich lange Spiesse»

Seit vielen Jahren wurde von liechtensteinischen Gewerbetreibenden moniert, dass das System der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung unausgewogen ausgestaltet sei. Mit anderen Worten: Liechtensteinischen Unternehmungen wurde im Kanton St. Gallen mit Auflagen und bürokratischen Reglementierungen und Barrieren das Leben sehr schwer gemacht, während dem das Gewerbe und die KMUs von der schweizerischen Nachbarschaft in Liechtenstein ihre Aufträge ohne grossen Auflagen-Aufwand ausführen konnten. Liechtensteins Unternehmen gingen auf die Barrikaden, riefen zu einer Kundgebung vor dem Regierungsgebäude auf und verlangten «gleich lange Spiesse».

Wirtschaftsminister Dr. Risch holte das Beste raus

Mit den politischen Stellen des Kantons St. Gallen konnte in der Folge in dieser Rheintalregion, die rhetorisch sehr gerne als Chancental bezeichnet wird, nicht erreicht werden, dass jenseits des Rheins auf Schweizer Seite die bürokratischen Hemmnisse abgebaut werden, um den Ball der gesetzgeberischen Auflagen und Bürokratie-Aufwand flach zu halten. Auf Liechtensteiner Seite hatte somit Wirtschaftsminister Dr. Daniel Risch keine andere Chance, als mit Auflagen und Bürokratie-Aufwand aufzurüsten und im wahrsten Sinne des Wortes die Spiesse «auszufahren». Nur so konnte der protektionistischen Haltung jenseits des Rheins begegnet werden, da für die St. Galler Regierung ein «Spiess-Abbau» nicht verhandelbar war. Dass vorderhand keine andere Lösung zu erzielen war, bedauert insbesondere auch  Regierungschef-Stellvertreter und Wirtschaftsminister Dr. Daniel Risch, der im «Unternehmer» der Liechtensteiner Wirtschaftskammer dazu diplomatisch ausführt: «Für Liechtenstein ging es bei diesem wichtigen Schritt darum, gleich lange Spiesse für unsere Wirtschaft zu erreichen. Die Regierung hat in den Diskussionen im Rahmen der Erarbeitung des Massnahmenpakets auf kantonaler wie auch auf Bundesebene aber stets betont, dass sie ein liberales grenzüberschreitendes Dienstleistungssystem bevorzugen würde. Signalisiert die Bereitschaft, in diese Richtung zu diskutieren, sind wir offen, in diese Gespräche einzutreten.»

Bis dato ist diese Bereitschaft von Schweizer Seite weit entfernt. Der Rhein scheint in den Köpfen der Schweizer Politiker und Entscheidungsträger doch wesentlich breiter zu sein, als er effektiv ist.