Landtagssitzung vom: 2./ 3./ 4. November 2016
Anfrage des/der Abgeordneten: Eugen Nägele
zum Thema: Rechtsextreme Veranstaltungen
Beantwortung durch: Regierungschef-Stellvertreter Thomas Zwiefelhofer

 

Frage:
Vor einigen Wochen, Mitte Oktober, fand im kleinen Tourismusdorf Unterwasser eine Veranstaltung mit rund 5000 Anhängern rechtsextremer Bands aus halb Europa statt. Sie versammelten sich zum «Rocktoberfest» – eingeladen von der „Reichsmusikkammer“. Angekündigt war ein Konzert mit Schweizer Nachwuchsbands und 600 bis 800 erwarteten Besuchern. Der Präsident der Standortgemeinde Wildhaus, Alt St. Johann, Rolf Züllig, erklärte gegenüber Medien, dass man von der Art und dem Ausmass des Anlasses „völlig überrumpelt“ worden sei.
In einzelnen Artikel in der Schweizer Presse wurde darauf hin angedeutet, dass es in der Schweiz weniger Verbote gebe und die Rechtslage in der Schweiz eine Rolle für die Organisation von solchen Anlässen spielen könne. Ein Rechtsextremismus-Experte, Bernd Wagner, sagte, dass beispielsweise Deutschland die Aktivitäten von Rechtsextremen Deutschen im Ausland nicht auf dem Radar habe.
1. Werden in Liechtenstein die Aktivitäten von rechtsextremen Liechtensteinern im Ausland verfolgt?

2. Wäre in Liechtenstein die Durchführung eines ähnlichen Konzerts wie in Unterwassser möglich? Dort wurden falsche Tatsachen vorgetäuscht

3. Falls die Frage 2 mit Ja beantwortet wird: Wie kann die Durchführung eines solchen Konzerts verhindert werden?

4. Wie ist die Rechtslage in Liechtenstein in Bezug auf rechtsextreme Anlässe? Gibt es bei uns auch weniger Verbote? Es ist mir bewusst, dass die allgemeine Formulierung dieser Frage eine präzise Beantwortung schwierig macht.

 

2015_RR_thomas_zwiefelhofer_DSC7030 Antwort:
Zu Frage 1:
Die Landespolizei pflegt mit ausländischen Diensten zum Thema Rechtsextremismus einen permanenten Informationsaustausch. Wenn in Liechtenstein wohnhafte Personen im Ausland in einem rechtsextremen Umfeld (Veranstaltungen wie Konzerte, Versammlungen etc.) festgestellt werden, werden der Landespolizei die entsprechenden Erkenntnisse übermittelt. Diese prüft dann, ob seitens der Landespolizei Massnahmen in Liechtenstein angezeigt sind (z.B. Gefährderansprache zur Deanonymisierung; Anzeige etc.).

Zu Frage 2:
Rechtsextreme Kreise versuchen laufend Lokalitäten für einschlägige Versammlungen oder Konzerte anzumieten. Dabei werden oft Strohmänner vorgeschoben. Solche Anbietversuche von Lokalitäten sind auch schon in Liechtenstein vorgekommen. Bis auf einen Fall, wo es Rechtsextremen gelang, ein Objekt im Berggebiet von einer Gemeinde anzumieten, konnten in den letzten Jahren sämtliche Versuche von Raumanmietungen dank der guten Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Landespolizei verhindert werden. Die Veranstaltung im Alpengebiet wurde nach Bekanntwerden von der Landespolizei beendet.
Dennoch kann natürlich nicht völlig ausgeschlossen werden, dass es auch in Liechtenstein zu einem Anlass – wenngleich nicht in der Grössenordnung wie in Unterwasser – kommen könnte.

Zu Frage 3:
Die Landespolizei hat zusammen mit der Gewaltschutzkommission der Regierung in den letzten Jahren die Gemeinden wiederholt für diese Anbietversuche rechtsextremer Kreise sensibilisiert. Auffällige und verdächtige Raumanfragen können daher von den Gemeinden im Rahmen der Amtshilfe zur Beurteilung der Landespolizei übermittelt werden. Diese nimmt dann entsprechende Abklärungen vor und gibt eine Empfehlung an die Gemeinden ab. Aufgrund dieses Kooperationsprozesses zwischen Gemeindeverwaltungen und der Landespolizei konnten bisher einschlägige Veranstaltungen weitgehend verhindert werden.

Zu Frage 4:
Öffentliche Veranstaltungen, die behördliche Massnahmen oder Kontrollen technischer, gesundheits-, bau- oder fremdenpolizeilicher Art verlangen, bedürfen zur Durchführung einer Bewilligung der Regierungskanzlei. In der Praxis wird hierfür die Einwilligung der zuständigen Gemeinde als Beilage zum Antrag an die Regierungskanzlei vorausgesetzt. Die Ersuchen werden auch der Landespolizei zur Kenntnis gebracht und dort geprüft. Aufgrund dieses Bewilligungsprozesses ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein rechtsextremer Anlass frühzeitig erkannt wird.
Für die rechtliche Beurteilung solcher Anlässe ist § 283 StGB (Diskriminierung) massgeblich. Wird an Veranstaltungen öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Sprache, Nationalität, Ethnie, Religion oder Weltanschauung, ihres Geschlechts, ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Ausrichtung zu Hass oder Diskriminierung aufgereizt oder werden Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung von Personen wegen ihrer Rasse, Sprache, Nationalität, Ethnie, Religion oder Weltanschauung, ihres Geschlechts, ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Ausrichtung gerichtet sind, ist dies strafbar.
Öffentlich wird eine Handlung dann begangen, wenn sie unmittelbar von einem grösseren Personenkreis wahrgenommen werden kann. Von der Rechtsprechung wird ein grösserer Personenkreis ab etwa zehn Personen angenommen. Veranstaltungen ab zehn Personen, an denen im oben beschriebenen Rahmen diskriminierende Ideologien verbreitet werden – z.B. auch in Liedertexten – sind daher verboten.

 
Artikelfoto: CC BY-SA 2.0 | Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen / flickr.com.