«Überarztung» ist das Wort des Jahres 2015

Unwort des Jahres in Liechtenstein; "Überarztung". Foto: Pictures Alliance, Frankfurt/Main,. Imagebild

Wort und Unwort des Jahres 2015 stehen eng im Zusammenhang mit der Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Zum Wort des Jahres hat die Jury das Wort «Überarztung» gekürt, zum Unwort „Entsolidarisierung“. Dialektwort des Jahres ist „Zepfilebuach“.

Jedes Jahr im Dezember wählt eine vierköpfige Jury wichtige Begriffe, die in Liechtenstein während des Jahres den öffentlichen Diskurs wesentlich geprägt und das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben sprachlich in besonderer Weise begleitet haben.

Sowohl das Wort als auch das Unwort des Jahres stehen in Zusammenhang mit der umstrittenen Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Ein Arzt, der unnötige medizinische Leistungen erbringt und seine Patienten zu häufig einbestellt, kann der Überarztung bezichtigt werden. Es kommt also nicht nur bei Medikamenten auf die Dosis an, sondern insgesamt bei ärztlichen Leistungen. Nachdem ein Arzt im Juni von einem Liechtensteiner Gericht wegen des Vorwurfs der „Überarztung“ zur Rückzahlung von rund einer Million Franken verdonnert wurde, geriet das Wort in die Schlagzeilen.

Entsolidarisierung und schwarze Schafe

Zum Unwort des Jahres wurde „Entsolidarisierung“ erkoren. Dieses Schlagwort war das Leitmotiv des Referendumskomitees „fL21“, das gegen die Revision des Krankenversicherungsgesetzes mobil machte. Dies mit der Begründung, es handle sich um eine bewusst in Kauf genommene Lastenumverteilung von der Oberschicht zur Unterschicht und von gesund zu krank. Das Argument der «Entsolidarisierung» drang beim Stimmvolk aber nicht durch. Dies wohl deshalb, weil die Regierung glaubhaft darlegen konnte, dass im Falle einer Zustimmung zur KVG-Revision die Prämien für alle stabiler bleiben würden und die schwarzen Schafe unter der Ärzteschaft besser aufgespürt und zur Rechenschaft gezogen werden könnten.

Zepfilebuch hat sich emanzipiert

Das Dialektwort des Jahres heisst „Zepfilebuch“. Der Ausdruck rührt daher, dass im Stammtafelbuch aus dem Jahr 1989 in Schaan nur Männer aufgeführt waren und Frauen bestenfalls in der Form von Ehegattinnen aufschienen. Das in diesem Herbst erschienene neue «Stammbuch der Bürgerinnen und Bürger von Schaan» räumt nun endlich auch den Schaanerinnen den Platz ein, der ihnen gebührt. Das Zepfilebuch hat sich damit emanzipiert und muss sich einen neuen Übernamen suchen.

Ein Casino ist kein Schreinereibetrieb

Zum Satz des Jahres wurde eine Aussage von Wolfgang Egger vom Casinoprojekt Vaduzerhof gekürt. In einem Volksblatt-Interview sagte er: «Ein Casino ist kein Schreinereibetrieb». Im Interview sprach er sich gegen die von der Regierung geplante Revision des Geldspielgesetzes aus. Diese sieht vor, dass die Behörden künftig anstatt einer Casinolizenz mehrere Polizeibewilligungen vergeben werden können. Mit der Aussage wollte Egger klarstellen, dass es für ein Casino stärkere regulatorische Bedingungen braucht, als für andere Gewerbe. Er befürchtet, dass dann die nötigen Kontrollmechanismen und Sozialkonzepte nicht eingehalten werden könnten.

Ein Fall für Aktenzeichen XY

Bei der Auszeichnung der Pressemitteilung des Jahres hatte die Jury die Qual der Wahl. Die Landespolizei hat es jedoch gleich mit drei Pressemitteilungen aufs Podest geschafft: Auf dem ersten Platz, die Siegermeldung mit dem Titel: „1000 WC-Rollen gestohlen“. Platz 2 geht an: „Stehtisch beim SAL entwendet“ und Platz 3: „Weinfass während Fasnacht gestohlen“. Definitiv Fälle für Aktenzeichen XY! Schön, dass immerhin die Landeszeitungen diese Fahndungsmeldungen prominent platziert haben.

Die Jury 

Die Wort des Jahres-Jury setzt sich aus Mitgliedern des Büros «Wort des Jahres» und des Internationalen Liechtensteiner Presseclubs (LPC) zusammen. Der Jury gehören 2015 an: Daniel Quaderer (Büro «Wort des Jahres» CH, FL), Dr. Dieter Gunz (Universität Liechtenstein),  Sandra Djordjevic (1FLTV), und Günther Meier (LPC und Publizist).

Wörter des Jahres 2015 in Liechtenstein

Wort des Jahres
Überarztung

Unwort des Jahres
Entsolidarisierung

Satz des Jahres
Ein Casino ist kein Schreinereibetrieb (Wolfgang Egger)

Dialektwort des Jahres
Zepfilebuch

Pressemitteilung des Jahres
1000 WC-Rollen gestohlen (Landespolizei)

Die Liechtensteiner Wörter des Jahres der letzten zehn Jahre

2015:    Überarztung

2014:    Win-Win

2013:    Filialschliessung

2012:    Vetorecht

2011:    Landesspital

2010:    Industriezubringer

2009:    Mobilfunk-Steinzeit

2008:    Steueraffäre

2007:    Passivrauchen

2006:    Souveränität

Infos: Büro Wort des Jahres, Daniel Quaderer, Äulestrasse 2, Vaduz       daniel.quaderer@dsl.li; GSM: +41 78 757 77 77