Die Geschichte der liechtensteinischen Briefmarken ist im Postmuseum in Vaduz attraktiv dargestellt. Die Initiative für das Briefmarken-Museum ging vom Deutschen Hermann E. Sieger aus. Gegründet wurde das Museum schon im Jahr 1930, die erste Ausstellung fand aber erst 1936 statt.
Das Briefmarkensammeln war während Jahrzehnten ein beliebtes Hobby. Liechtensteins Briefmarken, die teilweise von Künstlern gestaltet wurden, erfreuten sich weltweit grosser Beliebtheit.
Die Postwertzeichen dienten zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur als Mittel zur Beförderung von Briefen und Paketen durch die Post, sondern bildeten auch ein Symbol der Eigenstaatlichkeit. Deshalb drängte Liechtenstein beim Abschluss des Postvertrags mit Österreich im Jahr 1912 darauf, eigene Briefmarken herausgeben zu können. Die Regierung hatte erkannt, dass Briefmarken aus kleinen Ländern bei den Sammlern sehr gefragt waren. Als Liechtenstein nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mit der Schweiz über einen ähnlichen Postvertrag wie mit Österreich verhandelte, stimmte der neue Vertragspartner im Jahr 1920 ebenfalls dem Wunsch Liechtensteins nach Herausgabe eigener Briefmarken zu. Seit über 100 Jahren erfreut Liechtenstein die Briefmarkensammler aus der ganzen Welt mit speziellen Marken, die nicht nur der Postbeförderung dienen, sondern auch zu gefragten Sammelobjekten geworden sind.
Ein dubioses «Konsortium» trieb die Philatelie fast in den Ruin
Wer sich für die Briefmarken- und Postgeschichte Liechtensteins interessiert, findet im Briefmarken- und Postmuseum in Vaduz eine lückenlose Dokumentation dieses wechselvollen Geschehens. Das Museum zur Geschichte der Philatelie und Post wurde im Jahr 1930 mit Beschluss von Regierung und Landtag gegründet. Bis die erste Ausstellung eröffnet wurde, dauerte es allerdings noch bis 1936, denn zuerst mussten ein Museumskonzept entworfen und geeignete Räumlichkeiten gefunden werden. Aber schon zwei Jahre vorher hatte das Briefmarken- und Postmuseum die 1. Liechtensteinische Briefmarkenausstellung organisiert, die gleichzeitig mit der Landesausstellung 1934 stattfand und international auf grosse Beachtung stiess.
Die Zeit der ersten Briefmarkenausgabe Liechtensteins und der Eröffnung des Briefmarken-Museums war eine für die liechtensteinische Philatelie anspruchs- und wechselvoll. Nachdem die ersten eigenen Briefmarken-Serien erschienen und auf grosses Interesse gestossen waren, erblickte die Regierung im Geschäft mit den Briefmarken eine willkommene Gelegenheit zur Aufbesserung der damals spärlichen Staatseinnahmen. Für das attraktive Briefmarkengeschäft interessierten sich aber auch dubiose Gestalten, die Vorschläge für die Vermarktung unterbreiteten. Die Regierung vergab unvorsichtigerweise einen Auftrag für Druck und Vertrieb der Postwertzeichen an ein sogenanntes Konsortium, das aus österreichischen und liechtensteinischen Geschäftsleuten gegründet worden war. Das Konsortium hatte der Regierung angeboten, «Weltvertrieb und Weltpropaganda» für die Briefmarken zu übernehmen. Als Gegenleistung bot das Konsortium dem Land einen jährlichen Minimalgewinn von 400’000 Kronen – nach der Übernahme des Schweizer Frankens als gesetzliche Währung, über die damals verhandelt wurde, den gleichen Betrag in der neuen Währung.
Aus der Absicht, den Briefmarkenverkauf weltweit anzukurbeln und dem Staat zu zusätzlichen Einnahmen zu verhelfen, entwickelte sich allerdings ein dubioses Geschäftsgebaren, das die Philatelie an den Rand des Ruins brachte. Kaum hatte das Konsortium die Herausgabe der Briefmarken übernommen, zeigten sich Fehler bei der Herstellung der Postwertzeichen – entweder aus Unvermögen oder mit der Absicht, gezielt Abarten zu schaffen, die auf dem Markt höhere Gewinne abwerfen sollten. Von besorgten Sammlern wurde die Regierung bedrängt, den Vertrag mit dem Konsortium aufzulösen, die dafür aber kein Verständnis zeigte. In der Folge nahm der Landtag die Angelegenheit in die Hand: Aufgrund eines Berichtes, der die unlauteren Machenschaften des Konsortiums auflistete, forderte das Parlament kurz vor Jahresende 1921 die Vertragsauflösung. Die Regierung hatte nun keine andere Wahl mehr und löste den Vertrag am 25. April 1922 auf.

Ein Deutscher hatte die Idee für ein Briefmarken-Museum
Das Briefmarkengeschäft lag nach diesen Machenschaften am Boden, bot aber weiterhin Perspektiven für den Staatshaushalt. Die Regierung verpflichtete deshalb den deutschen Philatelie-Experten Hermann E. Sieger, um das angeschlagene Image der Liechtenstein-Philatelie zu reparieren. Sieger hatte in Briefmarkenkreisen einen ausgezeichneten Ruf, war der Gründer des bekannten Briefmarkenhauses Sieger und besass eine lückenlose Sammlung der bis dahin ausgegebenen Marken des Fürstentums Liechtenstein. Ihm gelang es aufgrund seines Einflusses auf die Fachpresse in Deutschland, Österreich und der Schweiz in kurzer Zeit das Vertrauen der Sammler in die liechtensteinischen Briefmarken wiederzugewinnen. Für seinen Plan, in Vaduz ein Briefmarken-Museum aufzubauen, fand er deshalb offene Ohren in der Regierung. Spruchreif war das Projekt im Jahr 1930, als sich der Landtag mit einem entsprechenden Antrag der Regierung befasste. Hermann E. Sieger leistete für das künftige Post- und Briefmarken-Museum einen beachtlichen persönlichen Beitrag, indem er ihm seine Liechtenstein-Spezialsammlung vermachte. Die Schenkung bezeichnete er als «Grundstock für die geplante Postwertzeichen-Sammlung». Dieser Grundstock umfasste 2667 Wertzeichen, dazu Probedrucke und Entwürfe für Briefmarken, also alles, was zu jenem Zeitpunkt an liechtensteinischen Briefmarken und über deren Herstellung vorhanden war.
Als der Landtag am 28. November 1930 in einer sogenannten Konferenzsitzung über das geplante Post- und Briefmarken-Museum debattierte, standen die Statuten für das Museum und die Bestellung von Hermann E. Sieger zum Kurator im Mittelpunkt. Nicht alle Abgeordneten waren anfänglich damit einverstanden, liessen sich aber von Regierungschef Josef Hoop überzeugen. Der Regierungschef bezeichnete Sieger als «Stifter der Sammlung» und würdigte die Verdienste für den Aufbau eines Museums für Briefmarken und Post. «Wenn einmal Räume vorhanden sind, diese Sammlung unterzubringen», betonte Hoop gegenüber den Landtagsabgeordneten, «so wird es eine Sehenswürdigkeit von Liechtenstein darstellen.» Der Landtag stimmte nach der Erwähnung der Verdienste Siegers dem Antrag zu, zwei Kuratoren zu bestellen: Als erster Kurator der jeweilige Regierungschef, als «zweiter Kurator auf Lebenszeit der Stifter der Liechtenstein-Spezialsammlung», also Hermann E. Sieger.
Mit dem Landtagsbeschluss von 1930 war zwar der Grundstein für das Briefmarken-Museum gelegt, doch dauerte es noch sechs Jahre bis zur Eröffnung. Erst im Herbst 1936 öffnete das neue Museum seine Türe für Philatelisten und Briefmarkenfreunde. Untergebracht war die Ausstellung im ersten Stock des neu erbauten Postgebäudes in Städtle Vaduz. In der Zwischenzeit war der Bestand an Postwertzeichen erheblich angewachsen – auf 11’022 Einzelstücke. Hinzu kamen 42’338 Briefmarken, die das Land von den anderen Mitgliedstaaten des Weltpostvereins erhalten hatte. Auf dieser Grundlage hat sich das Briefmarken- und Postmuseum in Vaduz über Jahrzehnte weiterentwickelt. Auf der aktuellen Website heisst es, das Museum vermittle einen repräsentativen Querschnitt durch die gesamte Philatelie Liechtensteins. Ausserdem Originalentwürfe der Briefmarkengestalter sowie Druckplatten und Druckbögen, die den Entstehungsprozess einer Briefmarke zeigen. Nicht alle Briefmarken können im Museum gleichzeitig gezeigt werden. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, kann sich beim Online-Briefmarkenkataloge bedienen – ein einziger Klick und alle Briefmarken stehen im digitalen Katalog bereit!

Sieger war Vertrauensperson der Regierung für «Deutschlandfragen»
Ohne die Initiative von Hermann E. Sieger und seiner Schenkung wäre das Museum wohl kaum verwirklicht worden. Seine engen Verbindungen zu Liechtenstein waren einerseits die Briefmarken, auf der anderen Seite aber auch seine Freundschaft mit Josef Hoop, dem liechtensteinischen Regierungschef von 1928 bis 1945. Laut dem Historischen Lexikon war der deutsche Briefmarkenhändler eine Vertrauensperson der Regierung in Fragen der Briefmarkengestaltung und des Briefmarkengeschäfts, aber ebenso in «Deutschlandfragen», was insbesondere nach der Machtergreifung von Adolf Hitler von besonderer Bedeutung war. Die Regierung stattete Sieger im Jahr 1936 mit einem Diplomatenpass aus, womit seine Rolle in aussenpolitischen Fragen unterstrichen wurde. Politik und Briefmarkengeschäft waren auch in Deutschland die wichtigsten Agenden des umtriebigen Geschäftsmannes: In seiner Heimat galt er als ein prominentes NSDAP-Mitglied und leitete die Reichsorganisation des deutschen Briefmarkenhandels. In der politisch und wirtschaftlich schwierigen Vorkriegszeit, als sich eine Gruppierung für den Anschluss Liechtensteins an das Deutsche Reich stark machte, nahm Sieger eine Sowohl-als-auch-Haltung ein: Einerseits empfahl er dem Regierungschef den Abschluss einer Wirtschaftsunion mit Nazi-Deutschland, auf der anderen Seite unterstützte er Hoops Politik der Selbständigkeit Liechtensteins.
Am Kriegsende flüchtete Sieger nach Liechtenstein. Die Regierung erteilte ihm die Aufenthaltsbewilligung, womit Fürst Franz Josef II. nicht einverstanden war. Nach der Darstellung des Historikers Peter Geiger im Buch «Kriegszeit – Liechtenstein 1939 bis 1945» habe der Fürst nach einer Gelegenheit gesucht, um Regierungschef Josef Hoop abzulösen. Der Fürst habe den Regierungschef angewiesen, Sieger sofort wieder auszuweisen. Als sich Hoop weigerte, soll es laut Geiger zur Konfrontation zwischen Fürst und Regierungschef gekommen sein: «Der Fürst stellte Hoop zur Rede, Hoop bot sofort den Rücktritt an, der Fürst nahm ihn an.» Damit war Siegers Schicksal besiegelt. Nach der Ausweisung nach Deutschland wurde er zuerst als NSDAP-Mitglied interniert, dann aber von einem Gericht nur als «Mitläufer des Nazi-Regimes» eingestuft. Vier Jahre später legte Sieger die Leitung des Postmuseums zurück. Aus Anlass des 75-jährigen Bestehens des Postmuseums gab Liechtenstein 2005 eine Sonderserie heraus, die auf einer Briefmarke auch die Verdienste von Hermann E. Sieger würdigte, der 1954 im Alter von 52 Jahren verstorben war.





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