Regierungsrat Emanuel Schädler hatte in seiner Funktion als Gesellschaftsminister Ende September die undankbare Aufgabe, eine starke Kostensteigerung bei den OKP-Prämien zu verkünden. Er ist sich der Belastung, die dies für die Bevölkerung darstellt, mehr als bewusst und arbeitet an einer Reihe möglicher Lösungsansätze. Ein Massnahmenpaket nimmt derzeit konkrete Züge an, eine grössere KVG-Revision könnte ebenfalls Linderung versprechen. Doch die verschiedenen im Raum stehenden Massnahmen sind für ihn immer ein Abwägen, was ihre Auswirkungen kosten, was sie Nutzen und wie nachhaltig sie auf längere Sicht sind.
Vor zwei Monaten haben Sie gesagt, dass sie keinen Prämienschock in der OKP erwarten. Die durchschnittliche Erhöhung um 5,1 Prozent dürfte aber wohl als solcher angesehen werden. Was sind die Gründe dafür, dass Ihre Erwartungen nicht eingetreten sind?
Regierungsrat Emanuel Schädler: Für den grösseren Sprung waren Abrechnungsverzögerungen bei den Spitälern verantwortlich. Zudem mussten wir gewisse Tarife anpassen, was zu Mehrkosten geführt hat. Spannend ist für mich aber auch die Tatsache, dass vor allem die grösste Krankenkasse die Prämien massiv erhöht hat. Zwei Kassen sind unter 2 Prozent geblieben.
Ich bin ein grosser Anhänger der Selbstverantwortung. Das wäre der beste Hebel, um Prämienzahlende zu entlasten. Zeitgleich sind die Leistungserbringer gefordert, effizient und wirtschaftlich zu handeln.
Emanuel Schädler
Gesundheitsminister
An der Pressekonferenz zur Verkündung der OKP-Prämien für 2026 haben Sie von begrenztem Einsparpotenzial gesprochen. Anschliessend hiess es von manchen Seiten, Sie hätten kapituliert. Haben Sie?
Natürlich nicht. Wir arbeiten an einem Massnahmenpaket, das gegebenenfalls dabei helfen kann, die Kosten einzubremsen. Was mir aber wichtig ist: Für grosse Prämienschnitte müssten wir sehr schmerzhafte Massnahmen ergreifen. Nach meiner Einschätzung sind aber die Wenigsten zu solchen Massnahmen bereit. Ein Beispiel: Wenn wir die Mindestfranchise auf 1500 Franken anheben, hätte das grosse Auswirkungen auf die Senkung der Prämienhöhe. Die letzte grössere Prämienbremse wurde vor zirka zehn Jahren beschlossen. In diesem Zusammenhang wurden die Selbstbehalte massiv erhöht. Für solche Aktionen sehe ich derzeit allerdings keine Mehrheiten. Eine weitere Möglichkeit wäre es, die staatlichen Subventionen auszubauen. Das wäre aber fahrlässig, wenn wir auf die Finanzplanung schauen. Darum werden wir unterdessen versuchen, eher mehrere minimal-invasive Eingriffe vorzunehmen.
Vorschläge zur Entlastung der Prämienzahler gibt es einige. Die Freie Liste liebäugelt beispielsweise seit längerem mit einer erwerbsabhängigen Prämie. Wie stehen Sie dazu?
Auf den ersten Blick scheint Umverteilung immer eine attraktive Variante zu sein. Allerdings ist sie niemals nachhaltig. Mit dem OKP-Staatsbeitrag subventionieren heute schon die einkommensstarken Steuerzahlenden letztlich tiefere Prämien. Auch die Franchisenbefreiung für Rentnerinnen und Rentner sowie die Prämienbefreiung für Kinder geht auf Steuerzahlerkosten, genauso wie 55 Prozent der stationären Leistungen in Spitälern, welche das Land bezahlt. Am Ende sind es auch solche Subventionen, die unser Prämiensystem im Vergleich sogar noch relativ günstig halten. Dies wiederum dürfte ein Grund dafür sein, weshalb in Liechtenstein auch mehr Leistungen bezogen werden.
Die FBP hat im Landtag ein Postulat zur Senkung der Medikamentenpreise eingereicht. Welches Potenzial sehen Sie darin?
Bei den Medikamenten gibt es sicher Potenzial. Der Ersatz durch Generika ist nicht immer möglich. Die Co-Marketing-Präparate, welche mit dem Original komplett identisch sind, haben wir bereits in der einschlägigen Verordnung berücksichtigt. Potenzial gäbe es vor allem dort, wo die Margen betroffen sind. Also bei den Medikamenten, welche von den Ärzten direkt abgegeben werden. Man könnte beispielsweise überlegen, ob man eine Pauschale für die Praxen einführt, welche die Medikamente selbst abgeben wollen. Zudem könnte man höhere Selbstbehalte für die Abgabe von Originalpräparaten einführen. Diese Massnahmen sind alle Teil des Massnahmenpakets, das wir seit Längerem erarbeiten. Darum brauchten wir das Postulat nicht, weil wir von uns aus schon tätig geworden sind.
Spätestens nächstes Jahr vor der Sommerpause werden im Landtag wieder Stimmen laut, den Staatsbeitrag an die Krankenkassen zu erhöhen. Sie haben das Thema bereits angeschnitten und die Finanzplanung als Gegenargument gebracht. Können Sie Ihre Ansicht bitte noch etwas ausführlicher darlegen?
Wir würden mit dieser Umverteilung zwar erreichen, dass die Prämien tiefer bleiben, und wir könnten das Kostenwachstum bremsen. Die Wirkung wird aber sein, dass die Eigenverantwortung weiterhin auf der Strecke bleibt und Gesundheitsdienstleistungen –
ob notwendig oder nicht – auch in Zukunft zu Niedrigpreisen erhältlich sind. Das kann nicht der Sinn des Staatsbeitrages an die Krankenkassen sein. Längerfristig werden wir uns mit grosser Wahrscheinlichkeit weiterhin an der Schweiz orientieren und so erscheint die Einführung der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, auch bekannt unter dem Kürzel EFAS, als sehr realistisch. Im Zuge dessen können wir uns dann auch über Sinn und Unsinn des OKP-Staatsbeitrags unterhalten. Meines Erachtens ist dieser Beitrag derzeit zu sehr ein Mittel für Symbolpolitik.
Wie ist der Stand Umsetzung des von Ihnen erwähnten EFAS-Systems nach dem Vorbild der Schweiz und was könnte dies bewirken?
Das wird mit Sicherheit ein grosses Projekt. Wir sind derzeit mit dem Amt für Gesundheit bestrebt, einen Weg zu finden, wie wir EFAS für Liechtenstein ebenfalls umsetzen könnten. Damit einher ginge eine grössere Revision des Krankenversicherungsgesetzes, kurz KVG, die uns die Gelegenheit gäbe, Reformen anzustossen, welche eine nachhaltigere Wirkung entfalten als andere, kurzfristige Massnahmen.
Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie, um die Prämienzahlenden zu entlasten?
Absicherung und Qualität haben ihren Preis. Gesundheitliche Dienstleistungen kosten Geld. Ich bin in dieser Hinsicht ein grosser Anhänger der Selbstverantwortung. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir mit unserem Verhalten selbst am meisten für oder gegen die Kosten im Gesundheitswesen tun können. Wir müssen uns von der Vorstellung trennen, dass uns der Staat alles finanziert, und selbst noch mehr Verantwortung übernehmen.
Das wäre der beste Hebel, um diejenigen Prämienzahlenden zu entlasten, die einzahlen, aber selbst Gesundheitsdienstleistungen wenig bis gar nicht in Anspruch nehmen beziehungsweise nehmen müssen. Zeitgleich sind jedoch auch die Leistungserbringer gefordert, ihre Dienstleistung effizient und wirtschaftlich zu erbringen.




