Leonhard Hasler aus Eschen ist 19 Jahre jung, hat am Liechtensteinischen Gymnasium maturiert und Mitte September dieses Jahres an der ETH in Zürich sein Mathematik-Studium begonnen. Grund für das Jugend-Interview ist aber insbesondere der Gewinn der Bronzemedaille an der 66. Internationalen Mathematik-Olympiade in Australien.

Leonhard, wie entdeckt man das Gen für die Mathematik? Warst du schon immer ein Zahlenmensch oder was ist die Vorgeschichte, dass du nach der letztjährigen Teilnahme an der Internationalen Mathematik-Olympiade im englischen Bath in Australien nun sensationell mit Bronze einen Podestplatz erobert hast?
Leonard Hasler: In der Primarschule wollte ich immer Ingenieur werden, so wie Daniel Düsentrieb, und habe mir dazu stets einige Bücher angeschaut. Das waren aber meist nur Bilderbücher, gross an meine Zukunft zu denken habe ich erst im Gymnasium begonnen, wo ich dann Physiker werden wollte. Mathe fand ich dabei nützlich als ein Tool für die Physik. Ich war nie schlecht in Mathe, meine Begeisterung dafür habe ich aber tatsächlich durch die Matheolympiade gefunden. Dort trifft man etliche Personen, die das Fach lieben, sich dafür interessieren, was enorm hilft, sich auch selbst für etwas zu interessieren. Das Beste, das meiner Meinung nach aus der Olympiade kommt, sind nicht irgendwelche Erfolge oder etwas Gelerntes, sondern die Leute, die ich kennenlernen und mit ihnen Freundschaft schliessen durfte.

Bronzemedaille für Leonhard Hasler.

Vom 5. bis zum 21. Juli 2025 fand in Australien die 66. Internationale Mathematik-Olympiade statt. Wie kamst du auf die Idee, ein drittes Mal an einer internationalen Olympiade teilzunehmen?
Mein Oberstufenlehrer Martin Holzer hat mich auf die Schweizer Mathematik-Olympiade aufmerksam gemacht. Liechtenstein ist zu klein, um eine eigene Olympiade durchzuführen, und nimmt daher in der Schweiz teil. Allerdings möchte das Schulamt das Budget für Teilnahmen an der Schweizer Olympiade kürzen, weswegen solche Teilnahmen in der Zukunft eher seltener werden, von irgendwelchen Erfolgen gar nicht erst zu sprechen. Die Schweizer Olympiade ist dabei ein Wettbewerb für sich, mit eigenen Lagern, Prüfungen et cetera, fungiert aber auch als Qualifikation für die internationale Ebene für die Schweizer und Liechtensteiner. Meine erste Teilnahme hat mich dazu motiviert, in den folgenden Jahren wieder mitzumachen, wobei ich dreimal auch an Internationalen Olympiaden mitmachen durfte.

Leonhard Hasler bei der Eröffnungszeremonie.

Wie geht ein solcher Wettbewerb vor sich? Wie kann man sich die Olympia-Disziplin Mathematik vorstellen?
Ich würde gerne eine Analogie einer guten Freundin von mir nutzen: «Die Mathematik an der Olympiade ist sehr verschieden von der an der Schule, und sie ist viel näher an der Mathe, die man später an der Universität sehen wird. Nicht aufgrund des Inhaltes, der Inhalt der Theorie die man schliesslich braucht ist sehr klein, es ist eher die Kreativität, wie man sich mit Problemen auseinandersetzt. An der Schule wird einem ein Rezept mit Zutaten gegeben, und es wird hauptsächlich darauf geachtet, mit immer neuen Zutaten zu arbeiten und mit den sehr simplen Rezepten zum Kochen, die der Lehrer immer zur Verfügung stellt. Es wird also keine Kreativität gefordert, sondern nur ein Nachmachen. An der Olympiade wird von mir gefordert, ein sehr exotisches Gericht zu kochen. Ich kann betrachten, wie das Endgericht aussehen soll und erwarten, dass die Zutaten Standard sind. Ich weiss aber nicht, wie ich das Gericht kochen kann, muss also herumexperimentieren, bis ich dann vielleicht eine richtige Sauce gekocht habe und das gesamte Gericht. Das dauert viel länger. In der Schule dauert eine Prüfung maximal 90 Minuten und hat vielleicht zehn Aufgaben, an der Olympiade dauert die Prüfung viereinhalb Stunden und hat genau drei Aufgaben. Am Ende ist das Gericht aber um ein Vielfaches besser als das, was mir an der Schule beigebracht wurde.»

Die Mathematik-Olympiade 2025 in Australien mit 630 Teilnehmern.

Das Teilnehmerfeld war mit 630 Jugendlichen riesengross. Wie schafft man es aus dem Ministaat Liechtenstein bei dieser interna­tionalen Konkurrenz auf einen Podestplatz?
Hauptsächlich durch viel Arbeit. Ich betrachte mich selbst nicht als hochbegabt, sondern sehe das Resultat eine Folge von Tausenden Stunden aufgebrachter Zeit über die Jahre. Dabei ist es beinahe ein Vorteil, aus einem kleinen Land zu kommen: Ein Trip an die Olympiade ist grossartig. Er ist eine riesige Motivation, sich für das nächste Jahr vorzubereiten, um noch besser und stärker anzutreten. Die Antwort ist also wie für viele Dinge im Leben, dass alles möglich ist, wenn man etwas will und bereit ist, die Zeit dafür aufzuwenden.

Als 18-Jähriger prasselten mit Sicherheit in Australien unglaublich viele Impressionen auf dich ein. Welches waren für dich die absoluten Wow-Erlebnisse?
Natürlich ist es einfach toll, in ein anderes Land zu reisen. Liechtenstein ist ein sehr verschlafenes Fleckchen, und es passiert wenig. In meinem Heimatdorf leben knapp 4000 Leute, in Australien konnte ich eine Stadt besichtigen, die allein ein Vielfaches grösser ist als Liechtenstein, an Landfläche und an Bevölkerung. Hochhäuser sind auch sehr imposant für ein Dorfkind. Das Schönste und Aufregendste war aber definitiv der Austausch mit Leuten aus der ganzen Welt. Das Stereotyp, dass alle Mathematiker langweilig sind, ist definitiv nicht wahr. Man könnte vielleicht erwarten, und das habe ich auch gemacht, bevor ich das erste Mal an die Mathe-Olympiade ging, dass es dort nur Nerds gibt, aber das könnte nicht weiter weg von der Wahrheit sein. Jemanden, den ich kennengelernt habe, hat eine Goldmedaille gewonnen. Er ist nebenbei aber auch begeisterter Fussball- und Formel-1-Fan, spielt gerne Videospiele und macht Sport. Es ist eine Gruppe von Jugendlichen, die sich alle freuen, sich zu treffen, die verschiedensten Hobbys haben, gleichzeitig als einen gemeinsamen Nenner aber zumindest die Liebe zur Mathematik aufweisen.

Konntest du auch Kontakte mit Jugendlichen aus anderen Ländern und Kontinenten knüpfen, die über diese Olympiade hinaus bestehen?
Definitiv, auch schon bei der Schweizer Olympiade. Einige meiner besten Freunde sind Leute, die durch die Schweizer Mathematik-Olympiade kennengelernt habe, mit denen ich auf täglicher Basis spreche, und auch bei der Internationalen Olympiade konnte ich dieses Jahr viele Leute wiedersehen, die ich bereits kannte, aber auch neue kennengelernt. Ich habe einen Grossteil meiner Zeit mit Teilnehmern aus Deutschland und Algerien verbracht, habe mit dem indischen Team für eine Weile gesprochen sowie mit dem niederländischen, britischen, australischen. Die Liste wächst und wächst. Auch jetzt an der ETH studieren einige, die ich bei der Schweizer Mathe-Olympiade getroffen habe, und ich verbringe viel Zeit mit ihnen. Auch studiert jemand aus dem deutschen Team in meinem Jahrgang an der ETH.

Mitte September hast du dein Studium der Mathematik an der ETH in Zürich begonnen – du hast es angetönt. Welches sind deine Ziele und persönlichen Wünsche an deine Zukunft?
Meine Zukunftspläne sind generell recht vage. Ich bin mir sicher, dass das Mathestudium die richtige Wahl für mich ist, habe auch viel Spass damit. Auch würde ich nach dem Bachelor gerne einmal ein Auslandssemester absolvieren, am liebsten in Singapur, Hong Kong oder Korea. Fixe Pläne habe ich aber nicht. Ich werde bestimmt einen Masterabschluss machen, aber ob das in Mathe sein wird, weiss ich nicht. Ich finde Astrophysik sehr interessant, auch kann ich mir eine Karriere in Informatik oder Ingenieurwesen vorstellen. Ob ich jemals einen Doktor machen werde, steht in den Sternen.

Was machst du in der Freizeit?
Ich lese gerne Bücher, gehe spazieren und höre Musik. Auch schaue ich gerne Serien, und jetzt, wo ich allein lebe, muss ich auch für mich selbst kochen, was mir sehr viel Spass bereitet. Ich treibe keinen Sport, obwohl ich damit gerne bald wieder beginnen würde, gehe nur ab und an in ein Fitnessstudio.

Danke, Leonhard, für dieses sehr sympathische, interessante und inspirierende Gespräch.