Wie weit geht die Pressefreiheit – was dürfen Journalisten sich erlauben?

Christoph Pirchl, Karlheinz Ospelt, Ernie Walser, Dr. Gert Risch (v. l.).

Sie haben gegen das Vaduzer Medienhaus AG sowie deren Journalisten Gary Kaufmann, Patrik Schädler und David Sele geklagt. Was war der Grund?
Referendumskomitee: Eigentlich war es die schlechte und nicht neutrale Berichterstattung im Zusammenhang mit der 5,43 Millionen-Franken-Schenkung der Gemeinde Vaduz an die Landesbibliothek, nachdem die Gemeinde bereits zusätzlich 3,3 Millionen zugesagt hatte. Der Landtag hatte zuvor den Kredit abgelehnt. Das «Vaterland» hat unseres Erachtens völlig einseitig die Position der VU-Regierungsrätin Graziella Marok-Wachter übernommen und von uns vorgebrachte kritische Äusserungen ins Lächerliche gezogen. Aber gegen einseitige Berichterstattung kann man bekanntlich nicht vorgehen, obwohl das Medienhaus vom Land eine Förderung in Höhe von rund einer Mil-
lion Franken pro Jahr erhält, die künftig noch um rund 0,5 Millionen aufgestockt werden soll. Wir waren der Ansicht, dass gleich mehrere unsachgemässe Anschuldigungen erfolgten, die das Ausmass an normaler Berichterstattung und auch Kritik bei weitem überschritten hatten.

 

Wir sind ja definitiv nicht
die einzigen, die sich über
die Berichterstattung des
«Vaterlands» beklagen.

 

Was konkret haben Sie eingeklagt?
Gemäss Paragraf 112 des Strafgesetzbuches ist, wer einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung bezichtigt oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstossenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, wenn er weiss, dass die Verdächtigung falsch ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Wer die Tat in einem Druckwerk, im Radio oder Fernsehen oder sonst auf eine Weise begeht, wodurch die Verleumdung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Es ging uns um die Feststellung, wie weit eine Zeitung mit ihren Darstellungen gehen darf, bis dieser Tatbestand vor Gericht greift. Anders gesagt: Was dürfen sich Journalisten erlauben, wenn sie über Privatpersonen öffentlich schlecht reden. Wir sind ja definitiv nicht die einzigen, die sich über die Berichterstattung des «Vaterlands» beklagen. Die Macht der Medien ist sehr gross. Wenn sie vorwiegend ihre eigene Meinung in der Bevölkerung verbreiten, hat dies natürlich Einfluss. Das wäre dann aber keine seriöse Berichterstattung, sondern Meinungsmache. Eine entsprechende Stellungnahme haben wir am
7. Mai 2025 veröffentlicht und geschrieben: «Ehrlich wäre, wenn sich die drei ‹Vaterland›-Redaktoren und allen voran Gary Kaufmann einfach offiziell zu den Ja-Sagern und Befürwortern bekennen würden, anstatt vorzutäuschen, neutralen Journalismus zu betreiben.»

 

Ehrlich wäre, wenn sich die drei ‹Vaterland›-Redaktoren
und allen voran Gary Kaufmann einfach offiziell
zu den Ja-Sagern und Befürwortern
bekennen würden, anstatt vorzutäuschen,
neutralen Journalismus zu betreiben.

 

Was konkret waren die Vorwürfe?
Zuerst war es David Sele, der in seinem Sapperlot behauptete, dass wir «irreale Alternativphantasien» propagieren würden. Wir hatten statt des Umbaus des Post- und Verwaltungsgebäudes einen Bibliotheksneubau als Alternative befürwortet. Dann behauptete er, dass wenn die Vaduzer am 18. Mai mit einem Nein stimmen, werde weder das eine noch das andere Realität. Die Landesbibliothek werde dann Vaduz verlassen, und im Städtle bleibe eine Landesruine. Dazu meinte er noch, dass unser wahres Motiv sei, dass wir um den Erhalt der Fussgängerbrücke fürchten, ohne die künftig die Fussgänger den Autoverkehr auf der Äulestrasse belästigen könnten und endete wie folgt: «Mischverkehr. Igitt. Haram!» Gut, dass die Brücke so oder so bleibe, wie die Gemeinde Vaduz nun klargestellt habe.

Das war eine reine Behauptung. In diesem Zusammenhang wurden Sachen veröffentlicht, die gemäss unserer Meinung schlicht und einfach
journalistisch unhaltbar sind. Man versteckt sich dann einfach hinter einem Sapperlot, einem Kommentar oder hinter Paul Zinnober, wo nicht einmal der Schreiberling bekanntgegeben wird. Das ist der «Journalismus» im «Vaterland», den wir nicht mehr akzeptieren wollten.

Was war der Vorwurf an Gary Kaufmann?
Gary Kaufmann hat sich in der Ausgabe des «Vaterlands» vom 6. Mai 2025 auf Seite 3 über uns in seinem Kommentar unter anderem wie folgt geäussert: Wir, das «edle Quartett», verhinderten den Abbruch einer nahegelegenen Brücke, damit alle, denen es nach Wissen dürstet, weiterhin die Strasse sicher überqueren können etc. Dies höre sich nach dem klassischen Happy End an. Dann unterstellt er uns: «Das Referendumskomitee hat dieses Märchen frei erfunden, um die Vaduzer Stimmbürger in die Irre zu führen.» Und einige Zeilen später meinte er: «Es ist bedauerlich, was für Unwahrheiten die Projektgegner verbreiten.»

Diese öffentliche Äusserung unterstellte uns ohne Einschränkung, dass wir die Absicht hätten, die Vaduzer Stimmbürger in die Irre zu führen! Bei Gary Kaufmann handelte es sich um ein Mitglied der Redaktionsleitung des «Vaterlands». Wir haben per E-Mail vom 8. Mai 2025 unseren Brief an den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung vorab an die Redaktion und später auch unterzeichnet und in schriftlicher Form per Post an beide Gremien der Vaduzer Medienhaus AG zugestellt. Darin wurde verlangt, die Unterstellung öffentlich zurückzunehmen, ansonsten wir Strafanzeige erstatten müssen.

Im «Vaterland» war zu lesen, dass die Strafanzeige nach der Gemeindeabstimmung vom 18. Mai 2025 eingereicht wurde.
Die Aussage, dass wir erst nach der Gemeindeabstimmung Anzeige erstattet hätten ist zu präzisieren: Sie suggeriert, dass wir schlechte Verlierer seien. Wir haben dem «Vaterland» bereits am 8. Mai, also zwei Tage nach den beleidigenden Äusserungen von Gary Kaufmann mitgeteilt, dass wir solche öffentlichen Diskreditierungen nicht akzeptieren und Strafanzeige erstatten werden, falls die Äusserungen von der Zeitung nicht zurückgenommen werden. Die Anzeige konnten wir natürlich erst einreichen, nachdem sich sowohl der Verwaltungsrat als auch der Geschäftsführer Daniel Bargetze geweigert hatten, das zu tun. Bis es so weit war, dauerte es bis nach der Abstimmung.

Was waren die Äusserungen von Patrik Schädler, die Sie zur Anzeige veranlasst haben?
Patrick Schädler hat wohl unsere Schelte an der unseres Erachtens oftmals fragwürdigen Berichterstattung im «Vaterland» während der ganzen Zeit nicht gefallen und vor allem unser folgendes Statement: «Wir haben aufgrund der vielfältigen Unterstützer des Projekts von Anfang an mit einer Niederlage rechnen müssen. Die Regierung, die Gemeinde Vaduz, die Institution Liechtensteinische Landesbibliothek,
die organisierte Gruppe der Befürworter und allen voran das ‹Liechtensteiner Vaterland› mit seiner parteiischen und einseitigen Berichterstattung waren eine beachtliche Gegnerschaft. Beim ‹Liechtensteiner Vaterland› mussten wir immer wieder feststellen, dass eine ausgewogene und unparteiische Berichterstattung durch deren Journalist Gary Kaufmann bei weitem verfehlt wurde.» Der seinerzeitige Chefredaktor – Patrik Schädler arbeitet ja inzwischen nicht mehr beim «Vaterland» – hat dann ein Sapperlot verfasst, in dem er uns öffentlich mitteilte, dass man unsere Reaktion auf das «Alter der Referendumsführer zurückführen» könnte, und meinte zusätzlich: «Doch das würde viel zu kurz greifen.» Solche persönlichen Diffamierungen und Diskreditierungen sollten in einem seriösen Blatt keinen Platz haben. Wenn jemand dünnhäutig reagierte, war es das «Vaterland», das gerne austeilt, aber nicht gerne einsteckt.

Haben Sie darauf reagiert?
Ja, nämlich wie folgt: «Innert kürzester Zeit haben wir es auf nicht weniger als drei Sapperlots gebracht. Das zeigt, wie emotional sich gewisse Redaktoren bei ihrer journalistischen Tätigkeit verhalten. Die persönlichen Beleidigungen von Noch-Chefredaktor Patrik Schädler, zielen auf unser Alter ab, um gleich noch auszuholen: Was aber viel zu kurz greifen würde. Solche Animositäten sind einer von Steuergeldern massiv unterstützten Zeitung nicht würdig.»

Das hat dann der Richter wohl aufgegriffen, als er sagte: «Wer austeilt muss auch einstecken können»?
Ja, das ist gut möglich. Fragt sich nur, wer angefangen hat mit dem Austeilen. Wir hatten kein Interesse daran, uns schlecht mit dem «Vaterland» zu stellen. Das entwickelte sich erst, als wir feststellen mussten, dass die Berichterstattung nach unserer Meinung völlig einseitig verlief und oft mit reinen Behauptungen gearbeitet wurde – so wie oben aufgeführt. Was hätten wir denn tun sollen, wenn uns von Journalisten wie Gary Kaufmann unterstellt wird, es «sei bedauerlich, was für Unwahrheiten die Projektgegner verbreiten». Wenn wir als Lügner bezeichnet werden, dann sollte man wenigstens sagen, was die Unwahrheit war. Das konnte das «Vaterland» aber nie. Es blieb schlichtweg bei den allgemeinen Beleidigungen und anderen Behauptungen. Wir haben immer die Fakten zu unseren Aussagen offengelegt. Das darf man wohl auch von seriösem Journalismus erwarten?

Sind Sie schlechte Verlierer, was Ihnen ja auch noch unterstellt wurde?
Nein, das sind wir sicher nicht. Wir haben öffentlich geschrieben, dass wir das Ergebnis als klares Votum der Bevölkerung akzeptieren – konkret: «Wir akzeptieren den Beschluss und wünschen dem Projekt einen guten Verlauf. Den Befürwortern gratulieren wir zum Sieg.»

Ausserdem sind Karlheinz Ospelt und Christoph Pirchl noch am Abstimmungssonntag zu den Befürwortern des Umbaus in die Landesbibliothek gefahren und haben ihnen persönlich zum Abstimmungsergebnis gratuliert, unter anderem Bürgermeister Florian Meier und dem Stiftungsratspräsidenten Pascal Seger sowie Geschäftsführer Daniel Quaderer. Es folgte ein gutes Gespräch, das über eine Stunde dauerte. Mit diesen Personen gab es auch keine Probleme. Man hat sich mit Argumenten ausgetauscht und sich nicht auf persönlicher Ebene beleidigt.

Gehen Sie nun in Berufung?
Nein. Aber wir hätten nicht einmal eine schriftliche Begründung des Urteils bekommen, wenn wir nicht Berufung angemeldet hätten. Bei der ganzen Sache geht es uns einzig und allein um die Antwort auf die Frage, wie weit das «Vaterland» bei Unterstellungen und Beleidigungen gehen darf. Klar ist nun, dass das Vaterland uns unterstellen durfte, dass wir die Bevölkerung in die Irre führen wollten. Die Hürden für Verleumdung wurden vom Landgericht sehr hoch angelegt. Journalisten haben demnach kaum Grenzen, wenn sie auch künftig gegen einzelne Personen vorgehen und dürfen ihnen Dinge unterstellen, die offenbar nicht belegt werden müssen. Unter diesen Umständen wird sich wohl mancher überlegen, ob er noch bereit ist, die demokratischen Instrumente von Referendum und Initiative zu nutzen. Immerhin hatten wir weit über 500 Unterschriften gesammelt. Man kann sich fragen, ob mit solcher Berichterstattung der Demokratie ein Bärendienst erwiesen wird. Nun wurde die Pressefreiheit einmal mehr hochgehalten. Das müssen wir so zur Kenntnis nehmen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.