Die geopolitische Lage, die US-Zollpolitik und protektionistische Tendenzen im Allgemeinen führen zu Unsicherheiten in der Weltwirtschaft und belasten die exportorientierte Wirtschaft Liechtensteins. Eine Umfrage bei den Mitgliedsunternehmen der Liechtensteinischen Industrie-und Handelskammer (LIHK) vom August 2025 bestätigt dabei die Betroffenheit von der US-Zollpolitik: Die Auslandumsätze von zwei Dritteln der LIHK-Industriemitgliedsunternehmen sind substantiell von der US-Zollpolitik betroffen. Die in den vergangenen Monaten erfolgte starke Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem US-Dollar belastet die liechtensteinischen Exporteure zusätzlich massiv.

Text: Klaus Risch, Fabian Frick, Dr. Maximilian Rüdisser

Weil Liechtensteins Industrie und warenproduzierendes Gewerbe mehr als 40 Prozent der Bruttowertschöpfung des Landes ausmachen, gefährden diese externen Effekte und daraus resultierenden Unsicherheiten den Wohlstand Liechtensteins mit möglichen weitreichenden Konsequenzen auf den Staatshaushalt und damit auch die zur Verfügung stehenden Mittel für beispielsweise Bildung, Infrastruktur und Gesundheitswesen.

Die erwähnte Umfrage unter den LIHK-Mitgliedsunternehmen zeigt auch, dass die Unternehmen nicht untätig sind und aktiv auf die aktuellen herausfordernden Rahmenbedingungen reagieren. Die Unternehmen geben unter anderem an, neue Märkte erschliessen, ihre Lieferketten anpassen und Effizienzsteigerungsmassnahmen umsetzen zu wollen.

 

Dr. Maximilian Rüdisser, Klaus Risch und Fabian Frick (v. l.)

Da die Massnahmen seitens der Unternehmen nicht ausreichen werden, um die für die Exportwirtschaft negativen externen Effekte inklusive der Stärke des Schweizer Frankens gegenüber dem US-Dollar abzufedern, tritt die LIHK mit vorliegendem Positionspapier mit sieben Massnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Liechtenstein an Regierung und Politik heran und bietet an, bei der Bearbeitung dieser Massnahmen mitzuwirken:

  1. Kurzarbeit stärken: Damit Unternehmen in Krisen Zeit erhalten, um sich an neue Rahmenbedingungen anzupassen und das betroffene Personal ohne erhebliche Lohneinbussen gehalten werden kann, soll die Kurzarbeitsbeantragung und -abrechnung administrativ vereinfacht und beschleunigt werden sowie die Auslegungspraxis, wann wirtschaftliche Gründe vorliegen, die zu einem unvermeidbaren Arbeitsausfall führen, erweitert werden. Diesbezüglich soll kurzfristig auch geprüft werden, wie die Regierung durch ihre im Arbeitslosenversicherungsgesetz normierte Verordnungskompetenz den Handlungsspielraum zu Gunsten der Unternehmen grösstmöglich ausnutzen kann.
     
  2. Ausbau des Netzwerks an Freihandelsabkommen: Der Abschluss zusätzlicher und die Erneuerung bestehender Freihandelsabkommen soll gemeinsam mit der Schweiz und den weiteren EFTA-Staaten vorangetrieben werden, um den Unternehmen den Zugang zu neuen Märkten zu erleichtern und damit eine stärkere Diversifizierung ihrer Auslandumsätze zu ermöglichen. 
  3. Deregulierung schnellstmöglich umsetzen und Prüfung der Aussetzung aktueller Regulierungsvorhaben: Die für Liechtenstein aufgrund der EWR-Mitgliedschaft relevanten Inhalte der Omnibuspakete der Europäischen Union in Sachen Deregulierung sollen jeweils schnellstmöglich – und wenn möglich auch vor einer EWR-Übernahme – umgesetzt werden. Zudem soll die Regierung prüfen, welche aktuellen Regulierungsvorhaben sistiert oder verschoben werden können.
     
  4. Internationale Steuerpolitik aktiv begleiten: Verschiedene Länder, darunter die USA, China und Indien, haben angekündigt, die OECD-Mindeststeuer nicht umzusetzen. In Deutschland und der Schweiz könnte eine partielle Aussetzung der OECD-Mindeststeuer geprüft werden. Diese Entwicklungen in Deutschland und der Schweiz sowie allenfalls weiteren europäischen Ländern sollen aktiv verfolgt werden, um schnellstmöglich handeln zu können, falls Deutschland, die Schweiz und weitere Staaten entscheiden, die OECD-Mindeststeuer partiell oder gänzlich auszusetzen.
     
  5. Einsetzen einer Arbeitsgruppe Standortattraktivität: Zur systematischen und mittelfristigen Stärkung des Wirtschaftsstandorts Liechtenstein soll eine Arbeitsgruppe unter Einbezug der Wirtschaftsverbände eingesetzt werden. Diese Arbeitsgruppe soll unter anderem im Kontext allfälliger Mehreinnahmen durch die OECD-Mindeststeuer verschiedene Massnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Liechtenstein – beispielsweise in den Bereichen Nachhaltigkeit, Innovation und Vorsorgeeinrichtungen – erarbeiten und zur Umsetzung bringen.
     
  6. Attraktive Energie- und Wasserversorgung sowie moderne und stabile Netze und Infrastruktur: Unternehmen sind auf eine verlässliche Energieversorgung und stabile Netze für Energie, Wasser und Kommunikation zu wirtschaftlich tragbaren Preisen angewiesen. Diesen zentralen Standortattraktivitätsfaktoren ist durch entsprechende Projekte und Massnahmen Rechnung zu tragen. Die Erhöhung der Grenzwerte für Mobilfunkantennen soll geprüft werden, damit eine stabile Kommunikation und das Arbeiten über das Mobilfunknetz in Liechtenstein und im Grenzgebiet ohne Netzunterbrüche und ohne damit verbundene Kosten möglich sind.
     
  7. Keine zusätzliche finanzielle Belastung: Zur Verhinderung einer weiteren Verteuerung der Arbeit und damit auch zur Verhinderung einer Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland sollen mittelfristig weder neue Steuern und Sozialabgaben erhoben, noch bestehende Steuern und Sozialabgaben erhöht werden.

Für vertiefende Gespräche zu den Massnahmen steht die LIHK jederzeit zur Verfügung. Wirsind überzeugt, dass Regierung und Politik mit einer konsequenten Bearbeitung und Umsetzung der sieben Massnahmen einen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts und Sicherung des Werkplatzes Liechtenstein im Wohle der gesamten Volkswirtschaft leisten können.