Lesermeinung von Markus Sprenger, Triesen zum Thema: «Tag der Demokratie» am Liechtensteinischen Gymnasium
Es ist bekannt: In Liechtenstein schweigt man offiziell, aber kritisiert im Hintergrund – möglichst anonym. Das mag bequem sein, ist aber fatal. Eine Demokratie lebt davon, dass Menschen mit eigenem Namen und eigener Stimme auftreten. Wer seine Meinung delegiert, trainiert Selbstzensur.
Der Wirbel um den «Tag der Demokratie» am Liechtensteinischen Gymnasium illustriert das exemplarisch. Eltern trugen ihre Kritik nicht selbst vor, sondern liessen einen Landtagsabgeordneten vorlaufen. So erschien ein Parteienbeitrag unter dem Namen des Landtagsabgeordneten Martin Seger – inklusive rechtlicher Behauptungen, die sich später als unzutreffend erwiesen. Nicht die Debatte stand im Vordergrund, sondern die Angst, für das offene Wort Nachteile zu kassieren.
Seit vielen Jahren beobachte ich in Liechtenstein: Es fehlt oft an Courage, und die Furcht vor Benachteiligung ist real – etwa bei Stellenbewerbungen, Beförderungen, der Vergabe öffentlicher Aufträge oder im Umgang mit Behörden. Im Kleinstaat sind die Wege kurz und die Abhängigkeiten oft kürzer; wer aneckt, gilt schnell als «schwierig». Also flüstert man statt zu sprechen, schiebt vor statt einzustehen. Aus Öffentlichkeit wird Hinterzimmer, aus Verantwortung Stellvertretung. Die lauteste Meinung dominiert – nicht zwingend die beste.
Dabei hat das Gymnasium klar gemacht, worum es ging: nicht um Gleichsetzungen, sondern um das Erkennen demokratiegefährdender Muster. Gerade solche kontroversen Einordnungen müssen Schule und Gesellschaft aushalten können. Vertrauen in Institutionen entsteht nicht, wenn Kritik verstummt, sondern wenn sie fair, sachlich und ohne Drohkulisse geäussert werden kann.
Es handelt sich nicht um ein Erkenntnis-, sondern um ein Mutproblem. Wer seine Stimme auslagert, gewöhnt sich an Unfreiheit im Kleinen – und Unfreiheit im Kleinen wird zur Haltung im Grossen.
Demokratie beginnt nicht im Landtag, sondern im Alltag: beim offenen Wort mit Klarnamen, beim Respekt gegenüber Andersdenkenden – und beim Willen, Widerspruch nicht zu bestrafen, sondern als Dienst am Gemeinwesen zu verstehen.
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