Die Gemeinde Eschen-Nendeln denkt räumlich in grossen Dimensionen, wenn es darum geht, wie ihr Zentrum in 20 oder 30 Jahren aussehen soll. Einer der Hintergründe ist mit dem «Gross Bretscha» eine Eschner Besonderheit, wie Vorsteher Tino Quaderer ausführt. Im Interview geht er ausserdem auf die punktuelle Einführung von Tempo 30 und die Senkung des Gemeindesteuerzuschlags ein.

Interview: Heribert Beck

 

     Tino Quaderer, Gemeindevorsteher von Eschen-Nendeln

«Erklärtes Ziel des Gemeinde-
rates ist es, den Steuerzuschlag spätestens für das Veranlagungsjahr 2026 von aktuell 160 auf das gesetzliche Minimum von 150 Prozent zu senken.

Herr Gemeindevorsteher, am Eschner Neujahrsapéro haben sie die Ziele skizziert, die Sie zusammen mit dem Gemeinderat für Eschen-Nendeln verfolgen. Ein wichtiger Punkt, den Sie angesprochen haben, war die Entwicklung des Dorfzentrums. Welche Vision und welche Ziele verfolgen Sie?
Gemeindevorsteher Tino Quaderer: Der Gemeinderat hat vergangenen Oktober den Prozess «Zukunftsbild Eschner Zentrum» angestossen. Dabei geht es darum, die langfristige Entwicklung unseres Zentrums hinsichtlich Siedlung, Verkehr, Nutzungen und Landschaft strategisch zu planen. Wie soll das Zentrum in 20 oder 30 Jahren aussehen, was soll an Nutzungen vorhanden sein und was braucht es, um dieses Zukunftsbild, das derzeit erarbeitet wird, erreichen zu können? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen wir uns in diesem Prozess.

Wichtig ist dabei, dass wir sowohl räumlich als auch thematisch einen übergeordneten und erweiterten Blick auf das Zentrum werfen, quasi vom Dorfplatz und den Zentrumsbauten bis zur Essanestrasse. Das bedeutet unter anderem, dass in diesem Prozess auch weitere Themen wie beispielsweise Entwicklungsperspektiven für das Gebiet «Gross Bretscha» mitbehandelt werden, dass meines Erachtens in Liechtenstein eine Besonderheit darstellt.

Wieso ist das Gebiet «Gross Bretscha» aus Ihrer Sicht eine solche Besonderheit in Liechtenstein?
Das Gebiet «Gross Bretscha» besteht aus über 80’000 Quadratmetern an grösstenteils noch unbebauter, aber bereits einzonierter Wohnzone A und befindet sich mitten im Zentrum von Eschen, in unmittelbarer Gehdistanz zu Einkaufsmöglichkeiten, Verwaltung, Saal, Kirche und Gastroangeboten et cetera. Ein solches Potenzial an vorhandener Wohnzone mitten im Zentrum ist mir in keiner anderen Gemeinde bekannt. Daher wollen wir im Zuge der Entwicklung des «Zukunftsbildes Eschner Zentrum» auch die Frage beantworten, wie wir als Gemeinde dieses enorme Potential bestmöglich und vor allem strukturiert entwickeln können.

Wie möchten Sie die Entscheidungsträger vom Gemeinderat über die Bevölkerung bis hin zur Wirtschaft in diesen Prozess einbinden?
Wichtig ist uns in diesem Prozess ein breiter Einbezug der Bevölkerung. Daher haben wir bereits verschiedene Gefässe zur Beteiligung, beispielsweise von Kindern, Vereinen, Wirtschaftstreibenden oder einzelnen Quartieren durchgeführt. Darüber hinaus wird es im weiteren Verlauf auch noch eine allgemeine Bevölkerungsbeteiligung und weitere Massnahmen geben. Jede und jeder ist eingeladen, an diesem für unsere
Gemeinde wichtigen Prozess mitzuwirken und mit uns die Zukunft des Zentrums zu gestalten.

Bis wann soll das «Zukunftsbild Eschner Zentrum» vorliegen?
Unser Ziel ist es, die Ausarbeitung des Zukunftsbildes bis nächstes Jahr abzuschliessen. Anschliessend geht es, ebenfalls im nächsten Jahr, darum, einerseits die geeigneten Massnahmen daraus abzuleiten und andererseits die Verknüpfung mit unseren Planungsinstrumenten und anderen Kernprozessen sicherzustellen. Insbesondere auch mit dem «Zukunftsbild Essanestrasse», das aufzeigt, welche Entwicklung die Gemeinde an der Essanestrasse anstrebt und welches Potenzial sich Investoren dort bietet. Zusammen sollen diese beiden zentralen strategischen Grundlagen die Entwicklung unserer Gemeinde in den nächsten Jahrzehnten prägen.

Mit dem «Zukunftsbild Essanestrasse» verfügt die Gemeinde über ein strategisches Leitbild für die langfristige Entwicklung der Hauptverkehrsachse.

Im März hat der Eschner Gemeinderat die Einführung von Tempo 30 in drei Gebieten beschlossen. Was sind nun die weiteren Schritte?
Genauso wie in anderen Gemeinden ist Tempo 30 auch bei uns schon seit mehreren Jahren immer wieder ein Thema. Sowohl Befürworter als auch Gegner haben sich in den vergangenen Jahren in verschiedener Form an die Gemeinde gewendet. Um dieser Ausgangslage gerecht zu werden, haben wir 2023 im Rahmen einer umfassenden Bevölkerungsbefragung auch die Meinung zum Thema Tempo 30 abgeholt. Dabei konnten wir zwei zentrale Erkenntnisse gewinnen: Erstens wäre eine generelle Einführung von Tempo 30 in Eschen-Nendeln nicht mehrheitsfähig und würde, analog der Entwicklung in anderen Gemeinden, vom Stimmvolk klar abgelehnt. Zweitens ist aus der Umfrage hervorgegangen, dass es aber verschiedene Gebiete gibt, in denen eine Mehrheit der Bevölkerung Tempo 30 wünscht. Teilweise wurde dieser Wunsch auch schon mit Unterschriftensammlungen an die Gemeinde herangetragen. Hinzu kommt, dass wir in verschiedenen Gebieten eine Problemstellung mit Schleichverkehr am Feierabend haben sowie teilweise mit der Verkehrssicherheit an neuralgischen Punkten.

Dies haben wir zum Anlass genommen, um eine detaillierte Analyse des ganzen Ortsgebietes zu erarbeiten. Das Ergebnis war ein umfassender Bericht einmal für Eschen und einmal für Nendeln, der die bestehende Verkehrssituation darlegt und vor allem aufzeigt, wie und wo Tempo 30 umgesetzt werden kann und was es für Massnahmen erfordern würde.

In welchen Gebieten wird Tempo 30 nun konkret umgesetzt und wie sieht der Zeitplan aus?
Auf Basis dieser beiden öffentlich zugänglichen Berichte wurde Eschen-Nendeln in neun Gebiete unterteilt. Aus diesen neun Gebieten hat der Gemeinderat drei Gebiete ausgewählt, in denen Tempo 30 in den Jahren 2026 und 2027 eingeführt werden soll. Die Auswahl basiert primär auf folgenden Kriterien: Schleichverkehr, Verkehrssicherheit, Akzeptanz in der Bevölkerung und Machbarkeit.

Konkret wurde in Nendeln das Gebiet zwischen Hauptstrasse und Bahnlinie mit verschiedenen Quartierstrassen ausgewählt. In Eschen ist es einmal das Gebiet rund um das Schulzentrum Unterland und andererseits das Gebiet Halde mit verschiedenen Strassenzügen. Geplant ist, dass noch vor den Sommerferien eine Informationsveranstaltung zum Thema stattfindet und anschliessend, nach den Sommerferien, der entsprechende Finanzbeschluss im Gemeinderat behandelt wird. Dieser wird dann nach entsprechender Beschlussfassung zum Referendum ausgeschrieben.

Der Gemeinderat hat beschlossen, in den Jahren 2026 und 2027 in drei von neun untersuchten Gebieten Tempo 30 einzuführen, so auch um das SZU. Foto: ©Paul J. Trummer

Erwarten Sie ein solches Referendum zu Tempo 30 respektive welche Rückmeldungen haben Sie auf den Grundsatzbeschluss des Gemeinderates erhalten?
Tempo 30 ist ein recht kontroverses Thema, und es würde mich nicht überraschen, wenn gegen Ende des laufenden Jahres dann auch das Stimmvolk in Eschen-Nendeln damit befasst wird. Daher war es dem Gemeinderat immer wichtig, eine ausgewogene Lösung zu verabschieden, die nicht flächendeckend ist, sondern primär dort Massnahmen vorsieht, wo diese aus Gründen wie Schleichverkehr, Verkehrssicherheit, Akzeptanz bei der Bevölkerung im Gebiet und dergleichen hergeleitet werden können. Daher hat sich der Gemeinderat aus den neun analysierten Gebieten letztlich für die Umsetzung von Tempo 30 in den drei genannten Gebieten ausgesprochen.

Eschen-Nendeln profitiert inzwischen auch vom horizontalen Finanzausgleich. Wie steht es um Ihr Ziel, den Gemeindesteuerzuschlag auf 150 Prozent zu senken und wann darf die Bevölkerung mit dem Erreichen dieses Ziels rechnen?
Die Anpassung des Finanzausgleichs, in die wir in den letzten Jahren viel Vorarbeit investiert haben, ist wichtig und hilft Gemeinden wie Eschen-Nendeln sehr. Insbesondere da wir im Jahr 2024 parallel dazu auch noch ein erfreuliches Bevölkerungswachstum von fast 130 Personen verzeichnen konnten, was sich natürlich ebenfalls positiv auf die Leistungen aus dem Finanzausgleich auswirkt. Vor diesem Hintergrund haben wir im vergangenen Jahr bereits eine erste Reduktion des Gemeindesteuerzuschlags umsetzen können und mit der aktuellen Steuererklärung für das Jahr 2024 wird bereits die zweite Reduktion auf nunmehr 160 Prozent wirksam. Erklärtes Ziel des Gemeinderates ist es, den Steuerzuschlag spätestens für das Veranlagungsjahr 2026 von aktuell 160 auf das gesetzliche Minimum von 150 Prozent zu senken.

Man muss an dieser Stelle aber ganz klar sagen, dass wir trotz angepassten Finanzausgleichs am Ende des Tages weniger Geld zur Verfügung haben werden als zuvor. Schliesslich investieren wir die Mehreinnahmen nahezu vollständig in die Steuersenkungen, und parallel dazu steigen die gesetzlichen Beitragsleistungen enorm an, die wir beispielsweise im Alters-, Sozial- und Bildungsbereich erbringen müssen. Daher scheint es für mich unumgänglich, dass früher oder später die besondere Situation von Gemeinden mit Doppelstruktur, wie Eschen-Nendeln oder eben auch Mauren-Schaanwald, im Finanzausgleich berücksichtigt werden muss.

Mit welcher Begründung braucht eine Gemeinde mit Doppelstruktur mehr Geld? Oder ist Ihre Gemeinde einfach nicht sparsam genug?
Wenn man sich den Sach- und Personalaufwand der Gemeinden pro Einwohner anschaut, stellt man schnell fest, dass beispielsweise Eschen-Nendeln zu den sparsamsten Gemeinden Liechtensteins zählt. Dennoch haben wir pro Kopf signifikant weniger freie Mittel zur Verfügung als die meisten anderen Gemeinden.

Das liegt daran, dass wir infolge der Doppelstruktur mit räumlich getrennten Ortsteilen viele Basiskosten doppelt leisten müssen: Schule, Kindergarten, Kirchenwesen, Dorfsaal und vieles mehr. Mit anderen Worten haben wir durch den zweiten Ortsteil ähnliche Herausforderungen wie die kleinen Gemeinden. Letztere erhalten aber einen Kleinheitszuschlag im Finanzausgleich, um die Herausforderungen der Kleinheit zu meistern. Doppelgemeinden wie Eschen-Nendeln oder Mauren-Schaanwald erhalten jedoch nichts Vergleichbares für ihren zweiten Ortsteil, durch den sie mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind, welchen die kleinen Gemeinden ebenfalls gegenüberstehen.

Dorfzentrum Nendeln: Kirche St. Sebastian …
… und Vereinshaus sowie Treffpunkt Clunia.
Beim Sportpark Eschen/Mauren hat im Februar eine umfassende Sanierung gestartet, die bis 2026 dauern wird.
Foto: ©Paul J. Trummer