Die Burg Gutenberg in Balzers gelangte im Jahr 1979 in den Besitz des
Landes Liechtenstein. Der Landtag bewilligte dafür einen Kredit von
3,8 Millionen Franken. Die mittelalterliche Burg hat nicht nur eine
wechselvolle Baugeschichte, sondern auch eine ebenso interessante
Geschichte der Besitzerwechsel.

Text: Günther Meier

Das Traktandum «Kauf der Burg Gutenberg in Balzers» war relativ rasch erledigt. Der Kreditantrag der Regierung von 3,8 Millionen Franken schien zwar einigen Abgeordneten etwas hoch, aber letztlich sprach sich der Landtag ohne Gegenstimme für die Bewilligung der Kaufsumme aus. Die Alternative wäre wohl gewesen, wie bei der kurzen Beratung durchschimmerte, dass die Verkäufer einen anderen Käufer gesucht hätten. Nun aber war das Land Liechtenstein im Besitz der stolzen Burg, nachdem sich auch die Gemeinde Balzers etliche Jahre um den Erwerb bemüht hatte. Der Abgeordnete Emanuel Vogt (FBP), langjähriger Vorsteher von Balzers, erwähnte in seiner Stellungnahme, die Gemeinde habe sich während ungefähr zehn Jahren intensiv um den Kauf bemüht. Offensichtlich aber war es in dieser Zeit nicht möglich, mit den Eigentümern zu einer Einigung zu gelangen. Emanuel Vogt zeigte sich im Landtag dennoch zufrieden: «Ich begrüsse den Kauf der Burg Gutenberg und freue mich aufrichtig, dass es nach diesen langen Jahren der Verhandlungen und der Unsicherheiten gelungen ist, dieses Wahrzeigen für Land und Gemeinde in öffentlichen Besitz zu führen.» Den Kaufpreis jedoch bezeichnete er als «äusserst hoch», womit er andeutete, dass die Verhandlungen zwischen den Eigentümern und der Gemeinde Balzers an finanziellen Forderungen gescheitert waren. Ein wenig aber sollte die Standortgemeinde nach seiner Meinung doch an der Burg teilhaben: Nach dem Kauf durch das Land Liechtenstein könnte der Gemeinde Balzers «ein Miteigentum und damit Mitverantwortung eingeräumt» werden.

Verhandlungspoker mit den Eigentümern
Auch der VU-Abgeordnete Franz Beck bezeichnete den von der Regierung nach langen Verhandlungen ausgehandelten Kaufpreis von 3,8 Millionen Franken als «recht ansehnlich» und als «sehr viel Geld». Dabei erwähnte er nicht, dass die Preisvorstellungen der Eigentümer ursprünglich bei 7 Millionen Franken lagen. Trotz seiner leisen Kritik am Kaufpreis sprach sich Beck für den «Rückkauf eines unserer bekanntesten Wahrzeichen des Landes» aus und zeigte Verständnis für den Wunsch der Gemeinde Balzers nach Mitbesitz. Regierungschef Hans Brunhart stellte in seiner Antwort klar, dass die Eigentümer in den Verhandlungen immer wieder betont hätten, die Burg nur dem Land Liechtenstein verkaufen zu wollen. Auf den zwar nicht konkret formulierten, aber doch angedeuteten Vorwurf, das Land habe die Gemeinde bei den Kaufverhandlungen nicht miteinbezogen, erklärte der Regierungschef: «Es war in der letzten Phase der Verhandlungen nicht mehr möglich, weitere Kreise einzubeziehen – und die Regierung musste einfach mal sagen, ob sie kaufen will oder nicht.» Die Eigentümer hätten nach den dreijährigen Verhandlungen klar zu verstehen gegeben, wenn es jetzt nicht klappe, sei die Gelegenheit zum Kauf vorbei. Man kann davon ausgehen, dass einige Abgeordnete über den Verhandlungspoker informiert waren, weshalb dieses Thema nicht weiter ausdiskutiert wurde.

Mit der Kaufsumme ging aber nicht nur die Burg Gutenberg in den Besitz des Landes Liechtenstein über, sondern auch die Kapelle und die Ökonomiegebäude sowie der Umschwung im Ausmass von 5672 Klaftern. Ausserdem waren in der Kaufsumme die Einrichtungsgegenstände der Burg enthalten, die unter Denkmalschutz standen. Die Besitzer bzw. Verkäufer der Burg, die Triesner Schauspielerin Hermine Kindle, die verheiratet war mit dem Mexikanischen Filmproduzenten Miguel de Contreras-Torres, erhielten das Wohnrecht auf der Burg, das im Jahr 2001 mit dem Tod der Besitzerin erlosch.

Frühe Besiedlung des Burghügels
Nun war das Land Liechtenstein seit 1979 im Besitz einer Burg, erbaut auf einem markanten Hügel, der offenbar schon in der Frühgeschichte der Menschheit ein Anziehungspunkt war. Laut Darstellung im Historischen Lexikon führt die älteste Spur, ein Kugelbecher mit Tiefstichverzierung, zurück in die mittlere Jungsteinzeit, also etwa 4500 Jahre vor Christus. Funde belegen die Spuren von Menschen in der Bronzezeit, etwa 15./14. Jahrhundert vor Christus. Auch aus der Eisenzeit, die auf das 8. bis 6. Jahrhundert vor Christus datiert wird, sind Fundstücke erhalten, vor allem Schmuckstücke. Die Römer machten auf ihrem Expansionsdrang nach Norden ebenfalls Halt auf dem Burghügel, wie Keramik, Schmuck und Münzen belegen.

Während die Besiedlung des Burghügels durch Funde belegt werden kann, fehlen für die Burg selbst genauere Angaben. Die Entstehung der Burg, die im Laufe der Zeit ausgebaut wurde, wird für das 12. Jahrhundert angenommen. Wahrscheinlich wurde die Burg dort gebaut, wo sich vorher eine Kapelle samt Friedhof befanden. Wie die Burg im Mittelalter ausgesehen hat, lässt sich nur erahnen, denn das heutige Bauwerk ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach den Plänen des Architekten Egon Rheinberger entstanden, der die Überreste der Burg gekauft hatte. Im Buch «Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechtenstein – Oberland» schreibt Autorin Cornelia Herrmann: «Nach historistisch geprägten Vorstellungen des Bauherrn entstand eine Burg im romantischen Geist der Burgenrenaissance der Jahrhundertwende.»

Gemeinde Balzers ersteigerte 1824 die Burg
Bevor Egon Rheinberger im Jahr 1905 die Ruine auf dem Burghügel kaufte und zur mittelalterlichen Burg auf- und ausbaute, gab es eine Reihe von Vorbesitzern. Laut Historikern gehörte die Burg ab dem Jahr 1266 den aus Graubünden stammenden Freiherren von Frauenberg, die das Bauwerk wahrscheinlich auch errichten liessen. Der mit den Habsburgern verbündete Ulrich von Ramschwag eroberte 1309 die Burg, die fünf Jahre später in den Besitz der Habsburger überging – und rund 500 Jahre zu deren ­Besitztum zählen sollte. Burg Gutenberg stand als Vorposten der Habsburger immer wieder im Schussfeld kriegerischer Auseinandersetzungen. Beispielsweise im Alten Zürichkrieg, als das Bauwerk beschädigt und wieder aufgebaut wurde. Im Jahr 1499 belagerten im Schwabenkrieg die Bündner und Eidgenossen die Burg, konnten sie aber nicht einnehmen. Gut 200 Jahre nach diesen Kriegsereignissen wurde die Burg nicht mehr bewohnt und zerfiel langsam zur Ruine, nicht zuletzt, weil die Balzner für ihren Hausbau immer wieder Steine der zerfallenden Burg holten.

1824 versteigerte Österreich die in kaiserlichem Besitz befindliche Burg Gutenberg. Die Gemeinde Balzers erhielt als meistbietende Partei den Zuschlag. Die Freude über den Besitz der Burg währte allerdings nicht lange. Schon 30 Jahre später wurde Fürstin Franziska von Liechtenstein, die Mutter des späteren Fürsten Johann II., die neue Burgherrin: Quellen berichten von einem Verkauf von Burg und Burghügel an die Fürstin, andere Quellen von einer Schenkung an das Fürstenhaus Liechtenstein. Die Fürsten von Liechtenstein befassten sich seit Mitte des 19. Jahrhundert mit dem Gedanken, die Ruine zu einer Sommerresidenz auszubauen, doch kam es nie zur Verwirklichung.

Schauspielerin wird 1951 Burgherrin
Hoffnung gab es erst wieder, als der Architekt Egon Rheinberger dem Fürsten die Burgruine im Jahr 1905 zum symbolischen Preis von 1000 Gulden abkaufte. Erste Erfahrungen mit dem Burgenbau hatte Rheinberger bei der Restaurierung der Stammburg der Liechtenstein in der Nähe von Wien sammeln können. Die Wiederherstellung und der Ausbau der Burg Gutenberg wurden in den Baujahren von 1905 bis 1912 zu seinem Meisterwerk. Egon und seine Frau Maria Rheinberger hatten die restaurierte Burg zu ihrem Wohnsitz erkoren. Die Geldentwertung im Ersten Weltkrieg veranlasste sie, in der Burg eine Gastwirtschaft einzurichten, die bald zu einem beliebten Treffpunkt der Balzner wurde. Wie Markus Burgmeier im Rahmen der Sonderausstellung «Die Burg Gutenberg im 20. Jahrhundert» schrieb, zählten aber auch Kurgäste aus Bad Ragaz zu den Besuchern der ritterlichen Schenke.

Egon Rheinberger bot die Burg Gutenberg mehrfach dem Land Liechtenstein zum Kauf an. Am 20. Juli 1949 befasste sich der Landtag mit einem Kaufangebot von 230’000 Franken, konnte sich aber nicht zu einer Entscheidung durchringen. In der kargen Nachkriegszeit vertraten wohl einige Abgeordnete den Standpunkt, das Land habe angesichts der knappen Landesfinanzen wichtigere Verpflichtungen als den Kauf einer Burg. Trotz Ablehnung des Kaufs herrschte aber im Land und der Gemeinde Balzers die Ansicht vor, es sollte verhindert werden, dass die Burg Gutenberg in den Besitz eines ausländischen Käufers gelange.

Zwei Jahre nach der negativen Entscheidung des Landtags gab es den erhofften Besitzerwechsel in inländische Hand. Für die Burg legten Hermine und ihr Mann Miguel de Contreras-Torres die Kaufsumme von 200’000 Franken auf den Tisch. Hermine war eine gebürtige Kindle aus Triesen, die als junge Frau nach Hollywood ausgewandert war und ihren Traum, Filmschauspielerin zu werden, verwirklichen konnte, Miguel ein Filmproduzent aus Mexiko, den Hermine bei Dreharbeiten kennengelernt hatte. Das Ehepaar Contreras-Torrres liess Renovationsarbeiten im Gebäude und im Aussenbereich durchführen, bewohnte die Burg aber nur in den Sommermonaten. In Balzers waren jedoch die Stimmen derjenigen nie verstummt, die Gutenberg gerne in öffentlichen Besitz überführen wollten. Mitte der 1960er-Jahre bemühte sich die Gemeinde um den Kauf der ritterlichen Liegenschaft, doch gelang es erst im Jahr 1979 dem Land Liechtenstein, die Burg Gutenberg zu erwerben. Das Ehepaar Contreras-Torres kehrte nach dem Verkauf nach Mexiko zurück. Miguel Contreras-Torres starb 1981, seine Frau Hermine 2001.

Auch der Reissverschluss-Erfinder wohnte auf Gutenberg
Zwischen den Eigentümern Rheinberger und Contreras-Torres gab es noch zwei kurzfristige Besitzer der Burg Gutenberg. Nachdem Egon Rheinberger überraschend im Jahr 1936 verstorben war, zog sich die Familie nach Vaduz zurück. Der deutsche Ingenieur Otto Haas, der eine Kleinschreibmaschine erfunden hatte, kaufte die Burg von der Erbengemeinschaft Rheinberger. Die Familie Haas wohnte einige Jahre auf Gutenberg, konnte aber nicht alle Bedingungen des Kaufvertrags erfüllen, womit die Burg an die Erbengemeinschaft zurückfiel. Auf die Familie Haas folgte Martin Othmar Winterhalter, der Erfinder der Reissverschlüsse, die unter der Marke «RiRi» verkauft wurden – RiRi stand für Rippen und Rillen. Nach Darstellung von Markus Burgmeier habe Winterhalter angefangen, sein Millionenvermögen zu verschleudern und habe durch groteske Aktionen im In- und Ausland von sich reden gemacht. Im Jahr 1951 liessen ihn die Geschwister entmündigen und für geisteskrank erklären – Gutenberg fiel an die Erbengemeinschaft Rheinberger zurück. Im Sommer 1951 gab es ein weiteres Zwischenspiel, als der Balzner Koch Arthur Vogt die von der Familie Rheinberger betriebene Gastwirtschaft auf der Burg kurzzeitig belebte. In den Sommermonaten herrschte jedes Wochenende auf Gutenberg reges Treiben mit Musik und Tanz, doch schon im Herbst wurde die Gastwirtschaft wieder geschlossen, weil die Burg in den Besitz des Ehepaars Contreras-Torres übergegangen war.