Die Verhandlungen zur Erhöhung des Taxpunktwertes (TPW) zwischen dem Liechtensteinischen Krankenkassenverband (LKV) und der Ärztekammer (LAEK) sind gescheitert, da die Tarifpartner unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Im Tarmed, dem einheitlichen Ärztetarif, ist jeder einzelnen ärztlichen Leistung eine bestimmte Anzahl Taxpunkte zugeordnet. Die Taxpunkte sagen aus, wie aufwändig eine Leistung ist (je aufwendiger, desto mehr Taxpunkte). Der Taxpunktwert (TPW) wiederum legt den Preis des Taxpunktes fest. Um den Tarif einer ärztlichen Leistung in Schweizer Franken zu ermitteln, müssen die Taxpunkte der Leistung mit dem Taxpunktwert multipliziert werden. Steigt der TPW, so steigt der Preis für jede einzelne ärztliche Leistungen ebenfalls.
Hintergrund und Entwicklung in der Schweiz
Aktuell steht eine TPW-Erhöhung von 0.83 auf 0.86 im Raum. Im Tarifvertrag wird die grundsätzliche Bemessung am regionalen Niveau (Tarifregion Ostschweiz; u.a. Kanton St. Gallen) aufgeführt. Im Kanton St. Gallen forderten die ambulant selbständig tätigen Ärzte bereits seit Jahren eine Anhebung des TPW, während sich die Krankenkassenverbände dagegen aussprachen. Der ursprünglichen Forderung nach einen TPW von 1.0 oder mindestens 0.9 rückwirkend bis 2019 wurde nicht stattgeben, stattdessen wurde mittels Beschluss der St. Galler Regierung vom 02.07.2024 ein TPW von 0.86 fixiert. Dieser Beschluss wurde den Tarifpartnern erst Ende August 2024 zur Kenntnis gebracht, woraufhin die Verhandlungen zwischen LAEK und LKV starteten.
Eine Anhebung des TPW auf mindestens 0.86 wird seitens der LAEK als gerechtfertigt und längst überfällig betrachtet. Die grundsätzliche Orientierung am regionalen Niveau wird so-dann dahingehend verstanden, dass die Taxpunktwertanpassung diskussionslos zu übernehmen sei. Spielraum wird einzig hinsichtlich des Einführungszeitpunktes gesehen. Der LKV streitet eine grundsätzliche Orientierung am regionalen Niveau nicht ab, jedoch kann und darf dies nicht das einzige Kriterium bei einer Neuverhandlung des TPW sein. In Anbetracht der aktuellen Kostenentwicklung sind weitere Faktoren zu berücksichtigen.
Auswirkungen auf Kosten und Prämien
Es ist aus sozialer und gesamtgesellschaftlicher Sicht nicht vertretbar, die ohnehin bereits hohen Gesundheitskosten weiter zu erhöhen, insbesondere zugunsten einer Berufsgruppe, die zu den am besten bezahlten Leistungserbringern gehört.
Die TPW-relevanten Kosten für ambulante Ärzte beliefen sich 2023 auf rund CHF 40 Millionen. Eine Anhebung des TPW von 0.83 auf 0.86 und somit um knapp 4% würde – ohne Berücksichtigung einer in den letzten Jahren anhaltenden Mengenausweitung – zu Mehrkosten von CHF 1,5 Millionen für das Jahr 2025 führen. Ebenfalls in Diskussion und absehbar sind weitere Preissteigerungen bei den Spitälern, dem grössten Kostenblock. Ärzte und Spitäler machen jährlich 75% der Gesamtkosten aus.
Es ist wichtig zu betonen, was die Folgen solcher Preisentwicklungen sind. Die Prämienerhöhungen sind stets ein Ergebnis der Kostensteigerungen. Höhere Kosten führen also zwangläufig zu höheren Prämien. In den letzten Jahren waren die Prämienerhöhungen primär auf Mengenausweitungen zurückzuführen. Der «Ausweg» über die Reserven, wie von der LAEK ausgeführt, ist kein gangbarer Weg, zumal die zwingend zu haltenden Reserven nicht zur Finanzierung einer TPW-Erhöhung vorgesehen sind. Hinzu kommt, dass während der Prämienfestsetzung für 2025 die geforderte TPW-Erhöhung noch nicht bekannt war, und daher in den Prämien 2025 nicht berücksichtigt sind. Wäre der Forderung nach einer TPW-Erhöhung diskussionslos entsprochen worden, dann wäre eine Prämienerhöhung für 2026 bereits heute ein unumstösslicher Fakt. Eine TPW- Erhöhung hat direkten Einfluss auf die Prämien. Um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, müsste die Bevölkerung deutlich weniger den Arzt auf-suchen oder der Staatsbeitrag erhöht werden.
Gesellschaftliche und soziale Verantwortung
Die Forderung der Ärztekammer nach einer Anhebung auf regionales Niveau lässt die aktuelle Kostenentwicklung weitestgehend unberücksichtigt. Die Prämienbelastung der Bevölkerung ist bereits jetzt eine der grössten Herausforderungen für viele Haushalte. Das zeigt auch die Anzahl der Gesuche für Prämienverbilligungen, dieses Jahr rund 7460 (13.5% mehr als im Vorjahr), was gut 22% der versicherungspflichtigen Bevölkerung entspricht.
Die ambulanten Ärzte gehören zu den Top 2 der Gesundheitskostenverursacher. Die Einkünfte der ambulant tätigen Ärzte sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Statistiken belegen, dass sich die Zahl der Topverdiener (über CHF 900’000) zwischen 2019 und 2023 verdoppelt hat. Im Vergleich zu zahlreichen weniger kostenintensiven Leistungserbringern, deren Tarif bewusst tief gehalten oder über einen gewissen Zeitraum sogar gesenkt wurde (z.B. Physiotherapeuten), erscheint es auch aus dieser Perspektive nicht vertretbar, dass ausgerechnet bei den zwei grössten Leistungserbringergruppen (OKP-Ärzte und Spital) einer Anhebung des TPW beigepflichtet wird.
Fazit
Eine Erhöhung der Entschädigung für Ärzte und fürs Spital ist ein falsches Signal. Die Auflistung, weshalb einer Anhebung des TPW nicht beigepflichtet werden kann, sind mannigfaltig. Der LKV hat daher auch die Regierung ersucht, die aktuellen Entwicklung insb. die Kostensteigerung in den letzten Jahren und nicht erreichte Kostenziele als weitere Faktoren miteinzubeziehen. Vielmehr sollten alle Akteure – einschliesslich der Ärzteschaft – ihren Beitrag dazu leisten, die Kostenentwicklung zu kontrollieren und eine solidarische Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Jede Entscheidung zugunsten einer Kostensteigerung sollte umfassend begründet und transparent gemacht werden, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten.
Abschliessend und in Anbetracht der Tatsache, dass per 01.01.2026 der TARMED durch den TARDOC abgelöst wird und dass in diesem Zusammenhang generell Anpassungen fällig sind, erachtet es der LKV durchaus vertretbar, wenn der TPW für das Jahr 2025 nicht angehoben wird und stattdessen nach der Einführung des TARDOC per 01.01.2026 erneut zu prüfen wäre.