Der Zollvertrag Liechtenstein-Schweiz trat am 1. Januar 1924 in Kraft. Liechtenstein war damit in den schweizerischen Wirtschafts- und Währungsraum eingebunden. Das Gesetz über den Schweizer Franken als offizielle Währung folgte erst Monate später. Als Zahlungsmittel war der Franken aber schon vorher im Umlauf. Das von der Regierung herausgegebene Notgeld konnte sich nicht durchsetzen.
Text: Günther Meier
Das Fürstentum Liechtenstein kündigte am 2. August 1919 – nach dem einstimmigen Beschluss des Landtags – den seit 1852 bestehenden Zollvertrag mit Österreich. Der bis zum Ersten Weltkrieg geschätzte Zollvertragspartner reagierte prompt auf eine Art, die das Land vor ernste Probleme stellte. Liechtenstein wurde auf 1. September 1919 zum Zoll-Ausland erklärt, womit neu für die liechtensteinischen Ausfuhren eine österreichische Importbewilligung erforderlich wurde und zudem die Entrichtung einer Zollgebühr anfiel. Das kleine Land zwischen der Schweiz und Österreich war damit zu einem eigenen Zollgebiet geworden, musste eigene Zolltarife ausarbeiten und eine eigene Grenzwache aufstellen. Zwar hatten zu diesem Zeitpunkt schon erste Gespräche mit der Schweiz über einen Zollanschluss stattgefunden, doch bis zur Unterzeichnung des schweizerisch-liechtensteinischen Zollvertrags dauerte es noch vier Jahre.
Kein Geld für die Golddeckung einer eigenen Währung
Nicht nur der Aufbau des eigenen Zollgebiets stellte Liechtenstein vor Probleme, auch die ungeklärte Währungsfrage bereitete Kopfzerbrechen. Als Folge des Ersten Weltkriegs war der Wert der österreichischen Währung zuerst massiv gesunken und anschliessend wurde sie durch eine Hyperinflation praktisch wertlos: Vor dem Krieg war die österreichische Krone noch 1 zu 1 mit dem Schweizer Franken umgewechselt worden, am Kriegsende erhielten die Liechtensteiner für 100 Kronen nur noch 30 Franken – und dann ging es weiter abwärts zum Nullpunkt. In dieser Zeit entstand die Idee für eine eigene liechtensteinische Währung. An die Herausgabe eigener Banknoten war nicht zu denken, weil dem Staat das Geld für die Golddeckung der Währung fehlte. Die Regierung liess Gutachten erstellen, die Varianten aufzeigten, was in der Währungsfrage gemacht werden könnte. Eine dieser Varianten bestand darin, eine Bank aus der Schweiz zur Gründung einer Agentur in Liechtenstein zu bewegen, die das Land mit schweizerischem Geld versorgen könnte. Eine andere Variante befasste sich mit der Ausgabe von eigenen liechtensteinischen Banknoten, die auf Schweizer Franken lauteten: Zur Realisierung sollte die Landesbank wie eine schweizerische Kantonalbank ausgebaut werden, die bis zur Errichtung der zentralen Schweizerischen Nationalbank zur Ausgabe von Banknoten berechtigt waren. Diese Pläne zerschlugen sich allerdings schnell, denn weder die Schweiz noch Banken in der Schweiz zeigten die entsprechende Bereitschaft, das erforderliche Geld für die Deckung der liechtensteinischen Banknoten zur Verfügung zu stellen. Nicht einmal das Notangebot Liechtensteins, den Waldbestand als Pfand einzusetzen, konnte die vorsichtigen Geldinstitute in der Schweiz zu einer langfristigen Anleihe bewegen. Die Schweizerische Nationalbank zeigte sich in einer Stellungnahme skeptisch, ob das Land mit einer liechtensteinischen Frankenwährung die Wirtschaftslage verbessern könnte: «Wir sind der Ansicht, dass die Ausgabe von liechtensteinischen Banknoten in Franken an sich nicht ausreichen würde, die gewünschte Wirkung auszuüben, dass sich das gesetzte Ziel vielmehr nur durch verschiedene währungspolitische und wirtschaftliche Massnahmen erreichen lässt.»
Keine Begeisterung für das Notgeld
Nach der Kündigung der Zoll- und Währungsunion mit Österreich wurde die Einfuhr von österreichischem Geld stark eingeschränkt. Deswegen entstand ein Mangel an Kleingeld, den die Regierung durch die Ausgabe von Notgeld zu beheben versuchte. Zur Ausgabe gelangten je 200’000 Scheine der Wertstufen 10 Heller, 20 Heller und 50 Heller. Der Landtag hatte auch beschlossen, die gleiche Stückzahl von 1-Krone-Noten drucken zu lassen, den Beschluss aber mit dem Vorbehalt versehen, die Ausgabe sollte nur dann erfolgen, wenn die Herstellungskosten nicht zu hoch seien. In Anbetracht der wesentlich höheren Herstellungskosten und weil zur Abgrenzung von den Heller-Noten kein geeigneter Entwurf vorlag, verzichtete die Regierung. Zu Sammlerzwecken wurden bei der Druckerei in Wien weitere 30’000 Stück der Heller-Scheine in Auftrag gegeben. Offensichtlich herrschte im Land die Überzeugung, die Scheine würden wie Briefmarken gesammelt. Das «Liechtensteiner Volksblatt» wagte in einem Kommentar gar die Prognose: Weil es sich um eine Neuheit handle und die Scheine «künstlerisch sehr schön» seien, werde es sicher eine grosse Nachfrage bei den Sammlern geben. Aber nicht einmal diese konnten sich für die Heller-Noten begeistern, auch nicht im Sinne von Raritäten, weil in der Eile des Drucks vergessen wurde, ein Datum auf die Scheine zu drucken.
Das Notgeld gelangte am 5. Januar 1920 zur Ausgabe. Die Heller-Scheine aber erfreuten sich keiner grosse Beliebtheit, sondern wurden nur zur Not gebraucht. Die Bevölkerung wollte auch kein Zahlungsmittel aus Österreich. Gefragt war nur noch der Schweizer Franken, was das «Volksblatt» zum Seufzer veranlasste: «Niemand will mehr Kronen an Zahlungsstatt nehmen, alles will Franken.» Offiziell blieb das Heller-Notgeld bis zur offiziellen Einführung des Schweizer Frankens im Umlauf, verlor jedoch schon kurz nach seiner Herausgabe an Wert. Die Bevölkerung wartete nicht auf die Politik, sondern führte im täglichen Umgang den Franken als Zahlungsmittel ein. Wie aus damaligen Inseraten in den Zeitungen hervorgeht, gab es bereits einige Liechtensteiner, die sich als Geldwechsler versuchten: «Kaufe Franken zum höchsten Kurs» oder «Wir zahlen wieder den höchsten Preis für Schweizer Franken». Für die Regierung wurde zum grossen Problem, wie die in den Haushalten noch vorhandenen Kronen in Franken umgetauscht werden könnten. Dazu wurde angeordnet, am Montag, 8. März 1920, eine Zählung durchzuführen. Der Plan wurde streng geheim gehalten, die Grenze schon am Sonntagmittag gesperrt, damit kein Geld ins Ausland gebracht oder von dort eingeführt werden konnte. Die Notenzählung ergab eine Summe von etwas über 9 Millionen Kronen, womit unter Einrechnung der Spareinlagen bei der Liechtensteinischen Landesbank rund 34 Millionen Kronen vorhanden waren. Während sich die Politik mit der Umwechslung beschäftigte, hatte die Bevölkerung bereits den Weg in den Schweizer Franken eingeschlagen. Die Währungsfrage habe sich schon weiterentwickelt, schreibt der Historiker Rupert Quaderer in der Festschrift der Liechtensteinischen Landesbank zum 150-Jahre-Jubiläum: «Der Schweizer Franken hatte sich in der Praxis nämlich bereits durchgesetzt. Im täglichen Handel gab es Waren fast nur noch gegen Franken zu kaufen.»
Sogar die Hebammen verlangten Schweizer Franken
Mit der Benützung der schweizerischen Währung im täglichen Leben setzte die Bevölkerung die Währungsfrage auf eigene Faust durch. Wer etwas kaufen wollte, musste Schweizer Franken in der Tasche haben. Damit wurde auch der Staat zum Handeln gezwungen: Für den Staatshaushalt galt immer noch die österreichische Währung, die Staatsangestellten, Lehrer und Geistlichen erhielten deshalb ihren Lohn in Kronen, die niemand annehmen wollte. Sogar die Hebammen, berichtete das «Volksblatt», würden «nur mehr gegen Franken ihres Amtes walten». Als auch die Gemeinden dazu übergingen, die Gebühren in Franken zu berechnen, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Staat nachziehen musste. Beispielsweise verlangte die Gemeinde Vaduz für eine Eheschliessung – die Brauteinkaufstaxe – statt der vorher üblichen 140 Kronen nun 140 Franken. Zwar tadelte die Regierung zuerst die Gemeinden für ihre Eigenmächtigkeit, ohne gesetzliche Grundlage diese Änderung umzusetzen, legte dann aber selbst das Gesetz betreffend «Umwandlung der Kronenbeträge in Schweizer Franken in den Gesetzen und Verordnungen über Steuern, Stempel, Taxen und sonstigen Gebühren» vor. Damit vollzog die Regierung eine Kehrtwende, bevor die offene Währungsfrage gelöst worden war. Dem Landtag machte die Regierung diese Änderung 1920 mit dem Argument schmackhaft, der Schweizer Franken habe sich «schon seit längerer Zeit eingebürgert». Offiziell war zu diesem Zeitpunkt noch die österreichische Krone die Landeswährung, allerdings nur noch auf dem Papier, wie die Regierung bemerkte.
Einführung des Frankens erst nach dem Zollvertrag
Vor diesem Hintergrund war das Gesetz über die Einführung des Schweizer Frankens als gesetzliche Währung in Liechtenstein nur mehr ein formeller Akt. Vor allem auch deshalb, weil die Schweiz signalisiert hatte, keine Vorbehalte dagegen zu haben. Ein Gesetzesentwurf lag zwar schon 1923 vor, doch der Landtag behandelte das Gesetz erst nach dem Inkrafttreten des Zollanschlussvertrags zwischen der Schweiz und Liechtenstein am 1. Januar 1924. Der Grund für diese Verzögerung dürfte gewesen sein, dass Regierung und Landtag mit dem Zollvertrag beschäftigt waren. Aber am 11. April 1924 verabschiedete der Landtag einstimmig das Gesetz über die Einführung der Frankenwährung. Es bestimmt klar und eindeutig schon im ersten Paragrafen: «Die ausschliesslich gesetzliche Währung ist der Schweizerfranken als Liechtensteiner Franken.»