Das Ansehen des Parlamentes

Dr. Eike-Christian Hornig Forschungsbeauftragter Politik am Liechtenstein-Institut

Ich weiss, ich bin da komisch, aber ich habe mir schon immer gerne Parlamentssitzungen angeschaut. Dass ich mir auch gerne die Sitzungen des Landtags auf dem Landeskanal anschaue, liegt nahe, sorgt aber interessanterweise bei dem einem oder der anderen (aus Liechtenstein) für Erstaunen – zumal «als Deutscher», wie immer gesagt wird. 

Warum also? Neben meiner berufsbedingten Verrücktheit (zugegeben) halte ich diese Art des «Zeitvertreibs» für wertvoll an sich. Der wesentliche Grund ist, dass die Beobachtung einer Parlamentssitzung lehrreich dafür ist, wie Demokratie funktioniert. Neuzuseher mögen überrascht sein, wie förmlich und «verregelt» es bei einer solchen Sitzung zugeht. Das Gute im Landeskanal ist, dass keine Moderation in dem Moment einsetzt, wenn es um die Formalia geht. 

Demokratie hat viel mit Regeln zu tun. Es gibt einen festen Ablaufplan, Traktanden, Beschlüsse, Genehmigungen, Protokolle und Lesungen. Hier scheint die Kraft des Rechtes hervor. Es dient vor allen Dingen dem Schutz von Minderheiten- und Personenrechten, auch im Parlament. Zudem dauert es mit verschiedenen Lesungen relativ lange, bis Entscheidungen getroffen werden. Es geht darum, eine Leichtfertigkeit und Unbedachtheit bei der Gesetzgebung zu vermeiden. Eines der klassischen Argumente für ein repräsentatives Verfahren, und ich finde, es hat nicht an Wert verloren. 

Ein zweiter Grund, warum mir das Zusehen parlamentarischer Sitzungen so gefällt, ist das originär Politische. Parlamentarische Arenen sind Orte der Debatte. Mein Eindruck ist, dass im Landtag im Vergleich zum deutschen Bundestag tatsächlich eine Meinungsfindung und ein Meinungsaustausch stattfindet. Es werden nicht nur vorgefertigte Positionen vorgelesen, sondern es wird aufeinander eingegangen und geantwortet. Die Abstimmungsbilanz im Landtag weist ja im Durchschnitt auch grosse Zustimmungen zu den jeweiligen Vorlagen aus, was auf eine gemeinschaftliche inhaltliche Überzeugung hindeutet. Aber selbst wenn nicht: auch gut. Es gehört zur Politik dazu, dass gegenläufige Meinungen vertreten werden, debattiert wird. Zweifelsfrei hilft es dabei, wenn man unter 25 Abgeordneten ist und nicht unter 700. 

Der dritte Grund ist weniger politisch als praktisch. Einer Parlamentsdebatte zuzusehen, bildet einfach ungemein. Was sind gerade strittige oder wichtige Themen, die debattiert werden? Was sind die Positionen der Parteien? Wer kann eigentlich mehr überzeugen? Zugegeben, man kann nicht immer zuschauen, so viel Zeit hat kein Mensch, und die Zeitung der Wahl berichtet ja auch. Aber wenn man eine Sitzung verfolgt, bekommt man so viele Informationen, wie sie in der Zeitung gar nicht stehen können – und das ungefiltert. Dies hat auch mit Transparenz von Politik zu tun.

Der vierte Grund ist schliesslich, dass man einen Eindruck davon bekommt, dass Parlamente besondere demokratische Orte mit einer besonderen Aura sind. Klar wäre es besser, dies persönlich vor Ort zu erleben. Denn ein Parlament ist mehr als eine Ansammlung von Sitzen und ein paar Mikrofonen. Oftmals weisen parlamentarische Bauten schon eine besondere Architektur auf. Sie sollen eine Erhabenheit ausstrahlen, die signalisiert, dass es um mehr geht als um den einzelnen Abgeordneten oder ein Traktandum. Zudem führt ein Präsidium die Sitzung und es gibt einen Gong und Fahnen. 

Traditionen und Symbole sind Ausdruck eines grossen Ganzen, was sichtbar wird, wenn das Parlament zusammenkommt. Dies überhöht nicht die repräsentative gegenüber der direkten Demokratie, doch verdichten sich Volk und Gesetzgebung zu einem Zeitpunkt an einem Ort. Und wer das spüren möchte, sollte doch einfach mal eine Sitzung besuchen – oder zumindest den Landeskanal einschalten. Es wird bestimmt spannend …