Liechtenstein-Bild: Modern, selbstbewusst und integriert

Regierungschef Daniel Risch hielt am Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung ein Impulsreferat zum Thema «Europa und die Welt».

Die Corona-Pandemie dominiert erneut das öffentliche und gesellschaftliche Leben im Land. Regierungschef Daniel Risch setzt bei der Bewältigung grosse Hoffnungen in rasche Booster-Impfungen und einen baldigen hohen Immunisierungsgrad. Auf Einladung der «Süddeutschen Zeitung» konnte er Mitte November aber auch gute Kontakte zu deutschen Spitzenpolitikern knüpfen und dabei für Liechtenstein sowie für die Liechtensteinische Initiative zur Bekämpfung des Menschenhandels werben.

Herr Regierungschef, wie charakterisieren Sie den designierten Bundeskanzler Olaf Scholz?
Regierungschef Daniel Risch:
Es wäre vermessen, jemanden bereits nach der ersten Begegnung zu charakterisieren. Den designierten Bundeskanzler nehme ich jedoch als sehr erfahrenen und besonnenen Politiker wahr. 

Sie haben Olaf Scholz Mitte November getroffen. Worüber tauschen sich der Liechtensteiner und der künftige deutsche Regierungschef beim Abendessen aus?
Das Gespräch hatte einen informellen Charakter und diente vorrangig dazu, sich in ungezwungener Atmosphäre persönlich kennenzulernen. Natürlich wurden dabei auch politische Themen rund um die Bildung der neuen deutschen Regierung, die Corona-Pandemie aber auch Liechtensteins Integration in Europa diskutiert.

Wie schätzen Sie die künftigen Beziehungen zwischen Liechtenstein und Deutschland auf der Grundlage des Treffens mit Olaf Scholz und weiteren Spitzenpolitikern auf Bundesebene ein?
Die drei Tage in Berlin waren intensiv aber aus liechtensteinischer Perspektive sehr gut. Eine Einladung zum Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung, zu einem der renommiertesten Wirtschaftskongresse in Deutschland, bietet eine sehr gute Möglichkeit, einerseits unser Land zu präsentieren und andererseits wertvolle Kontakte für die künftigen Beziehungen zwischen Deutschland und Liechtenstein zu knüpfen. Bei den Gesprächen herrschte durchwegs eine gute und positive Stimmung gegenüber Liechtenstein.  

Und wie beurteilen die deutschen Politiker Liechtenstein, fast 14 Jahre nach der Steuer- bzw. Steuerdatenaffäre?
Vorneweg ist zu sagen, dass die Möglichkeit, innerhalb so kurzer Zeit, deutsche Spitzenvertreter und Politgrössen von allen vier grossen deutschen Parteien, darunter den designierte Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD, die designierte Aussenministerin Annalena Baerbock die Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Wissing, den Generalsekretär der FDP und designierter Bundes-Verkehrsminister, und Ralph Brinkhaus den Bundestagsfraktionsvorsitzenden der CDU, zu treffen, eher die Ausnahme bildet. Die positiven Entwicklungen auf dem Finanzplatz während der vergangenen rund zehn Jahre werden sehr positiv wahrgenommen und anerkannt. Liechtenstein wird als moderner, selbstbewusster und in Europa integrierter Kleinstaat gesehen. Alleine die Tatsache, dass die Süddeutsche Zeitung Liechtenstein zum Panel «Europa und die Welt» nach Berlin einlädt, zeigt, dass sich in den letzten Jahren viel getan hat. 

Sie haben in Berlin für die Liechtenstein-Initiative FAST und eine deutsche Beteiligung daran geworben. Was steckt hinter der Initiative und wie waren die Rückmeldungen an SZ-Gipfel?
Der Titel der Initiative «FAST» ist eine Abkürzung für «Finance Against Slavery and Trafficking». Die Initiative fokussiert auf die Bekämpfung von moderner Sklaverei und Menschenhandel. In diesem Bereich hat Liechtenstein, ausgehend von der UNO-Agenda 2030, im Jahr 2018 eine Initiative gestartet, die das Ziel verfolgt, den globalen Finanzsektor auf seine Möglichkeiten bei der Bekämpfung von Menschenhandel und Sklaverei aufmerksam zu machen. Wir wollen unser Know-how des Finanzplatzes bei der Aufdeckung von illegalen Finanzströmen im Kampf gegen das internationale Verbrechen einbringen. Bei der Vorstellung dieser Initiative anlässlich meines Impulsreferates habe ich auch die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesrepublik Österreich eingeladen, es den Ländern Australien, Norwegen und Niederlande gleichzutun, und die Initiative ebenfalls zu unterstützen. Bei der anschliessenden Podiumsdiskussion habe ich grossen Zuspruch und Respekt erfahren, allen voran von der EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion, Mairead McGuinness.

Welche weiteren Themen waren in Berlin von Bedeutung?
Mir war es persönlich wichtig, den Teilnehmern zu vermitteln, dass Liechtenstein über die Mitgliedschaft im EWR voll in Europa integriert ist und einen grossen Teil der Rechtsvorschriften aus Brüssel übernimmt. Auch die Tatsache, dass Liechtenstein mit seiner wirtschaftsliberalen Haltung und dank guter Rahmenbedingungen über eine breit diversifizierte und international sehr erfolgreiche Wirtschaft verfügt, vermittelt man als Regierungschef dieses Landes natürlich
gerne.  

Während Sie aussenpolitisch erfreuliche Botschaften haben, steckt Liechtenstein genau wie seine Partnerstaaten mitten in der vierten Welle der Corona-Pandemie. Wird sich das Land wirtschaftlich weiterhin so gut schlagen wie in den bisherigen Wellen?
Ja, die neue Welle trifft auch Liechtenstein heftig. Ich habe schon Mitte November ausgeführt, dass für uns alle kein angenehmer Winter bevorsteht. Die Infektionszahlen der letzten Wochen sind auf sehr hohem Niveau und die Regierung sah sich im November veranlasst, die Massnahmen zu verschärfen. Gleichzeitig war es uns ein Anliegen, die Booster-Impfungen für alle, die das möchten, sehr rasch bereitzustellen. Wir dürften weltweit eines der wenigen Länder sein, die bis Weihnachten allen Personen, deren Impfung mehr als sechs Monate zurückliegt, ein Booster-Angebot gemacht haben. Daneben sind die ersten und zweiten Impfungen und die natürliche Immunisierung – mit hoffentlich milden Verläufen – der Weg, wie wir bis im Frühling eine hohe Immunisierung erreichen werden. Das Ziel der Regierung ist es nach wie vor, die Menschen und die Wirtschaft zu schützen. Aus wirtschaftlicher Sicht kann festgehalten werden, dass wir, gesamthaft gesehen, bis heute gut durch die Pandemie gekommen sind. Ich bin überzeugt, dass dies dank unserer diversifizierten und stabilen Wirtschaft und aufgrund gezielt eingesetzter Massnahmen auch in Zukunft der Fall sein wird.

Anlässlich des Empfangs im Museum für Kommunikation: Regierungschef Daniel Risch neben dem designierten Bundeskanzler Olaf Scholz und gegenüber der designierten Aussenministerin Annalena Baerbock.

Neben den wirtschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen von Covid-19 geben vor allem die gesellschaftlichen zu reden. Wie sehen Sie die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft und wie kann diese verhindert bzw. wie können die entstandenen Risse gekittet werden?
Die Regierung war immer gewillt, dass Verbindende vor das Trennende zu stellen, und wir haben stets an die Solidarität der Menschen appelliert. Eine Krise, wie es die Covid-19-Pandemie zweifelsohne ist, stellt alle Menschen vor grosse Herausforderungen. Diese zu stemmen, benötigt einen Kraftakt von uns allen, unabhängig ob geimpft oder ungeimpft. Der Feind, den es zu bekämpfen gilt, ist das Virus und nicht andersdenkende oder andershandelnde Menschen. Mir als Regierungschef ist ein respektvoller und verständnisvoller Umgang untereinander wichtig. Wir müssen diesbezüglich die Tatsache, dass man sich kennt, zum Vorteil nutzen. 

Die vergangenen Wochen mit dem Klimagipfel in Glasgow und der Klimademo in Vaduz haben auch gezeigt, dass Corona den Klimaschutz zwar aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt, dass er aber nicht an Bedeutung verloren hat. Wie schlägt sich Liechtenstein in dieser Angelegenheit bisher und wo wird das Land noch mehr tun oder tun müssen?
Obwohl Corona aufgrund der akuten Gefahr momentan höchste Priorität besitzt, hat auch der Klimawandel einen hohen Stellenwert. Die fortschreitende Klimaerwärmung zeigt deutlich auf, dass die Uhr bereits nach 12 steht und ein schnelles Handeln zur Schadensbegrenzung notwendig ist. Liechtenstein nimmt seine Verantwortung zur Erfüllung der ökologischen UNO-Nachhaltigkeitsziele, kurzs SDGs, und des Pariser Klimaabkommens wahr und kommt damit seinen internationalen Verpflichtungen nach.   

Eine beinahe obligatorische Frage im Advent: Was wünschen Sie Liechtenstein und seiner Bevölkerung zum Weihnachtsfest und zum Jahreswechsel?
Wie ausgeführt, sind es erneut schwierige Zeiten für uns alle. Daher wünsche ich mir, dass die Advents- und Weihnachtszeit auch dazu genutzt wird, sich auf die wesentlichen Dinge im Leben zu besinnen. Ich bin überzeugt, dass wir uns mehrheitlich darüber einig sind, auf einem der privilegiertesten Flecken der Erde daheim zu sein.  

Und welche persönlichen Wünsche haben Sie für Ihre erste Weihnacht als Regierungschef?
Dies ist unabhängig von meiner aktuellen Funktion: Ich wünsche mir für die Menschen in unserem Land Gesundheit, Zusammenhalt und Zuversicht.