«Die Pandemie bleibt ein wichtiges Thema»


Viele aussenpolitischen Herausforderungen sind durch das Coronavirus medial etwas in den Hintergrund gerückt. Weniger bedeutend geworden sind sie aber nicht. Erbprinz Alois gibt im Interview einen Einblick, was Pandemie, globale Mindeststeuer, Klimawandel und Ost-West-Konflikt für Liechtenstein bedeuten und wie der Kleinstaat sich einbringen kann. 

Durchlaucht, zuerst eine persönliche Frage: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie in diesen Zeiten der Corona-Pandemie?
S.D. Erbprinz Alois von Liechtenstein:
Glücklicherweise geht es uns vergleichsweise sehr gut. Meine Frau, meine Kinder, meine Eltern und ich sind bisher vom Virus verschont geblieben und mittlerweile auch alle geimpft. Da die Kinder ihre Schule bereits abgeschlossen hatten, waren wir in dieser Zeit auch nicht wie viele Eltern von den teilweise erheblichen Zusatzbelastungen der Kinderbetreuung betroffen.

Klima, Gesundheit, Frieden, Sicherheit und Terrorbekämpfung, Bildung, Ernährungssicherheit, Migration, Gleichberechtigung. Die Liste der bestimmenden Themen der internationalen Aussenpolitik ist seit Jahrzehnten in etwa die gleiche. Die Pandemie hat die Gesundheit zwar verstärkt in den Fokus gerückt. Wo aber sehen Sie auf lange Sicht die grössten Herausforderungen und den dringendsten Handlungsbedarf?
Die Bewältigung der Pandemie bleibt ein wichtiges aussenpolitisches Thema. Einerseits benötigen wir internationale Anstrengungen, um auch in den Entwicklungsländern den Virus in den Griff zu bekommen. Dies ist wiederum wichtig, damit wir die Gefahr von neuen Mutanten des Virus bei uns erheblich vermindern können. Andererseits braucht es eine Reform der WHO und weitere Massnahmen auf internationaler Ebene, um besser auf zukünftige Pandemien vorbereitet zu sein. Dringender Handlungsbedarf besteht hinsichtlich des Klimawandels, damit wir nicht wie bei der Pandemie die nötigen Schritte verpassen. Ansonsten sind die Spannungen zwischen den Grossmächten eine grosse Herausforderung, die aufgrund der schwierigen geopolitischen Lage und einem zunehmenden Protektionismus auch Kleinstaaten wie Liechtenstein betreffen.

Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich die führenden Industrienationen auf wichtige Pfeiler einer globalen Digitalsteuer geeinigt. Grosskonzerne sollen auf der ganzen Welt eine Mindeststeuer von 15 Prozent bezahlen. Der britische Finanzminister Rishi Sunak sprach von einem historischen Entscheid und erklärte, die Reform mache das Steuersystem «fit für das globale digitale Zeitalter». Welche Auswirkungen sehen Sie diesbezüglich auf Liechtenstein zukommen?
Die genauen Auswirkungen dieser Mindeststeuer sind momentan nur schwer zu beurteilen, weil deren Details noch nicht vorliegen. Auch ist noch unsicher, ob im US-Senat dafür überhaupt die notwendige Zustimmung erreicht werden kann. Angesichts des riesigen Finanzierungsbedarfs der meisten Staaten infolge der Pandemie müssen wir aber jedenfalls mit einem zunehmenden Druck der grossen Hochsteuerländer zulasten des Steueraufkommens der anderen Staaten rechnen.

Wie hat sich die weltweite Kooperation Ihres Erachtens entwickelt und welchen Einfluss hat der neue US-Präsident Joe Biden auf den Multilateralismus? Welche Chancen eröffnet dies für Liechtenstein und welche Herausforderungen ergeben sich?
In den letzten Jahren hat die weltweite Kooperation zwischen den Staaten Rückschritte gemacht. Der neue US-Präsident setzt erfreulicherweise wieder auf den Multilateralismus. Ob sich daraus auch ein inhaltlich bedeutungsvoller Multilateralismus ergeben wird, ist aber noch offen und hängt auch vom Verhältnis unter den Grossmächten ab. Für Liechtenstein ist der Multilateralismus im Normalfall sehr positiv, weil es dadurch international viel eher zu einer regelbasierten Zusammenarbeit zwischen den Staaten kommt. Wenn hingegen die Grossmächte versuchen, ihre Interessen jeweils nur einseitig durchzusetzen, wird das Umfeld für kleine Staaten schwieriger.

Dringender Handlungsbedarf besteht hinsichtlich des Klimawandels, damit wir nicht wie bei der Pandemie die nötigen Schritte verpassen. 

S. D. Alois von und zu Liechtenstein, Erbprinz

Weniger harmonisch als zwischen den Vertretern der G7 ist das Verhältnis seit Bidens Amtsantritt zwischen den USA und Russland. Welche Entwicklungen erwarten Sie diesbezüglich und welchen Einfluss könnte das Ost-West-Verhältnis auf Liechtenstein haben?
Leider macht es momentan nicht den Eindruck, dass sich in absehbarer Zeit das Verhältnis zwischen den USA und Russland wesentlich verbessern wird. Auch diese geopolitischen Spannungen sind für Liechtenstein nachteilig, aber vielleicht etwas weniger als jene zwischen den USA und China.

Die Liechtensteiner Delegation mit dem Erbprinzenpaar an der Spitze wurde von Bundespräsident Ueli Maurer in Bern-Kehrsatz herzlich begrüsst.

Eher gespannt ist derzeit auch das Verhältnis der Schweiz zur EU bzw. umgekehrt. Was bedeutet dies für Liechtenstein und welche Auswirkungen auf die Beziehungen zum Zollvertragspartner sowie zu den EWR-Partnern sind allenfalls zu erwarten?
Liechtenstein hat mit dem Zollvertrag einerseits und dem EWR andererseits sowie vieler weiterer Abkommen mit der Schweiz und der EU einen sehr guten Weg der europäischen Integration gefunden. Wenn sich die Regelungen in der Schweiz in Zukunft zunehmend von jenen in der EU unterscheiden, wird es für Liechtenstein schwieriger, einen parallelen Weg der europäischen Integration zu gehen. Sollte sich aufgrund eines gespannten Verhältnisses zwischen der Schweiz und der EU die Wirtschaft in der Schweiz schlechter entwickeln, wären wir auch davon negativ betroffen, weil die Schweiz einer unserer wichtigsten Handelspartner ist. Allerdings bin ich zuversichtlich, dass sich geeignete Regelungsmechanismen zwischen der EU und der Schweiz finden lassen, bevor es zu stärker spürbaren Auswirkungen kommt.

Der internationale Einfluss der Liechtensteiner Aussenpolitik ist naturgemäss gering. Wo soll der Staat seine begrenzten Ressourcen Ihres Erachtens am zweckmässigsten einsetzen?
Als Kleinstaat sind wir viel mehr als Grossstaaten auf offene Grenzen, einen möglichst freien Zugang zu den wichtigsten Absatzmärkten und eine regelbasierte internationale Zusammenarbeit angewiesen. Gleichzeitig hat Liechtenstein als Kleinstaat weder die militärische noch wirtschaftliche Macht, seine Interessen international durchzusetzen. Durch eine gute Nachbarschaftspolitik sowie einen gezielten Einsatz unserer Ressourcen in internationalen Organisationen können wir aber in Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Staaten einiges zu einer Verbesserung der für uns wichtigsten internationalen Rahmenbedingungen beitragen.


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