«Meine Motivation – Jugendlichen Gehör zu verschaffen»

Johannes Kaiser, Landtagsabgeordneter, im Gespräch mit der engagierten und initiativen jungen Erwachesenen Abril Valentina Villamizar (18) aus Triesenberg.

Abril Valentina Villamizar aus Triesenberg ist 18 Jahre alt und eine sehr engagierte, an der gesellschaftlichen Entwicklung sehr interessierte und unternehmensfreudige junge Frau. Sie ist im ersten Ausbildungsjahr der kaufmännischen Lehre mit BMS bei der Hilti AG, wirkt im Jugendrat Liechtenstein mit Begeisterung mit und zu ihren Hobbys zählen das Tanzen sowie der Sport in der Natur. Es ist höchst spannend, mit Abril Valentina über diverse Themen zu diskutieren.

Interview: Johannes Kaiser

Wie erlebst du die Corona-Zeit mit ihren einschneidenden gesellschaftlichen Massnahmen?
Abril Valentina Villamizar: Ich kann die Massnahmen natürlich nachvollziehen. In erster Linie geht es darum, die Älteren und Angehörige der Risikogruppen zu schützen. Allerdings bringt die Pandemie auch viele Herausforderungen mit sich. Aktuell arbeite ich zum Beispiel im Homeoffice – das funktioniert zwar, lässt aber den persönlichen Austausch, der vor allem während der Ausbildung wertvoll ist, vermissen.

Gerne wird das Lippenbekenntnis gegeben, dass die Jugend sowie deren Ausbildung eine der wichtigsten Ressourcen ist. Hast du Reformwünsche bzw. Vorschläge für Modernisierungen im Bildungssystem?
Als ich vor vier Jahren in Liechtenstein angekommen bin, habe ich schnell festgestellt, dass das Land über hervorragende Lehrkräfte sowie eine erstklassige Infrastruktur verfügt. Ich würde aber den Lehrplan flexibler gestalten und ein Modell einführen, das allen Schülern erlaubt, eine bedürfnisgerechte, individualisierte Schulbildung zu erhalten. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, Pflichtfächer wie die Naturwissenschaften, Deutsch und Englisch jeweils auf den Vormittag zu legen und den Nachmittag zu flexibilisieren. Das heisst, dass sich die Schüler je nach Interesse musischen Fächern wie Zeichnen oder Musik, Projektarbeiten für technisch Interessierte oder zusätzlichen Fremdsprachen wie Italienisch oder Russisch widmen könnten. Um die Lehrer zu entlasten, könnten Synergien genutzt werden, welche die moderne Technik bietet – zum Beispiel übergreifender Online-Unterricht für mehrere Schulen gleichzeitig in einem Wahlfach.

Du bist sehr engagiert im Jugendrat Liechtenstein. Was motiviert dich und wie erlebst du dieses politische Engagement?
Es freut mich besonders, dass uns von den Volksvertretern, den Medien und der Bevölkerung viel Wertschätzung entgegengebracht wird. Meine grösste Motivation ist es, den Jugendlichen Gehör zu verschaffen. Die Jugend ist von vielen aktuellen Themen direkt betroffen. Es ist wichtig, dass Ihre Anliegen in den politischen Entscheidungsfindungsprozess integriert werden.

Welchen gesellschaftspolitischen Themen sollte sich die Politik deines Erachtens dringend stärker annehmen? Wo erwartest du mehr Mut von den Volkvertretern?
Die eingetragene Partnerschaft für homosexuelle Paare war zwar ein guter Anfang, ich finde aber, es wäre Zeit, gleichgeschlechtliche Paare auf allen gesetzlichen Ebenen den heterosexuellen Paaren gleichzustellen. Ein weiteres Thema, das mehr Aufmerksamkeit von der Politik erfahren sollte, ist die Drogenproblematik in Schulen. Es gibt genügend Anzeichen für akuten Handlungsbedarf. Die liechtensteinischen Medien haben in der Vergangenheit bereits ausführlich darüber berichtet. Ich würde mir dazu eine landesübergreifende, lebensnahe Präventionskampagne wünschen. Besonders interessant wären sicherlich Erfahrungsberichte und Präsentationen von ehemaligen Süchtigen anstelle von sogenannten Experten.

Wie können die Politikerinnen und Politiker auf Landes- und Gemeindeebene der Jugend eine stärkere Stimme geben? Ist die Senkung des Wahlalters auf 16 ein Mosaikstein dazu?
Ich persönlich stehe der Senkung des Wahlalters kritisch gegenüber. Mit 16 Jahren gehen viele Jugendliche noch zur Schule oder sind gerade einmal im ersten Lehrjahr. Das heisst: Sie verfügen noch über fast keine Arbeits- und ungenügend Lebenserfahrung. Allerdings braucht es dringend Instrumente zur Partizipation und zur Schaffung von politischem Bewusstsein. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass Jugendliche beispielsweise durch spannende Workshops oder Projektwochen lernen, die demokratischen Prozesse zu verstehen, damit ihre Stimmen gehört werden.