Coronavirus: Neue Publikation des Liechtenstein-Instituts

«Der Zollvertrag und die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus»

Liechtenstein ist durch den Zollanschlussvertrag von 1923 (ZV) eng an die Schweiz gebunden. Gestützt auf ihn gelangen in Liechtenstein neben der Zollgesetzgebung viele weitere Schweizer Erlasse wie das Epidemiengesetz (EpG) und Erlasse zur wirtschaftlichen Landesversorgung zur Anwendung. Bei ihrer Anwendung kommt Liechtenstein gemäss Art. 6 ZV dieselbe Rechtsstellung wie den Kantonen zu. Wegen Liechtensteins Souveränität fragt es sich nun aber, was dies für die vom schweizerischen Bundesrat auf Art. 6 und 7 EpG gestützten Massnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus bedeutet. Wie gezeigt wird, entfaltet die in Art. 6 EpG für die besondere Lage und die in Art. 7 EpG für die ausserordentliche Lage vorgesehene Kompetenzverschiebung von den Kantonen zum Bund keine Wirkung gegenüber Liechtenstein.

Trotzdem muss Liechtenstein alle Schweizer Massnahmen gegen das Coronavirus im Bereich der Zollvertragsmaterien befolgen, also vor allem die Vorgaben zum Personen- und Warenverkehr und zur Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern. Einen grösseren Spielraum hat Liechtenstein bei den übrigen Massnahmen, vor allem bei denen gegenüber der Bevölkerung (wie Umstellung auf Fernunterricht, Durchsetzung von Versammlungsverboten).

Wie ein Vergleich (mit Stand der Rechtsetzung vom 18. April 2020) der liechtensteinischen COVID-19-Verordnung vom 13. März 2020 mit der COVID-19-Verordnung 2 der Schweiz vom 13. März 2020 zeigt, weichen Liechtensteins Regeln vor allem im Bereich der Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen von den Schweizer Regeln ab. Überdies werden ab dem 27. April 2020 in Liechtenstein mehr Einkaufsläden und Märkte für das Publikum geöffnet als in der Schweiz. Solange dabei ein gleichwertiger Schutz der Gesundheit gewährleistet ist, ist dies zulässig.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die COVID-19-Verordnung vom 13. März 2020 und ihre Änderungen in Liechtenstein vor dem Staatsgerichtshof angefochten werden können, während die bundesrätliche Verordnung und ihre Revisionen in der Schweiz nicht anfechtbar sind. Diese Untersuchung zeigt auf, dass es an einer Norm fehlt, die das gleichzeitige Inkrafttreten von dringlich erlassenen Bestimmungen vorsieht, die in der Schweiz und in Liechtenstein wegen der Verpflichtungen aus dem Zollanschlussvertrag gleichzeitig in Kraft treten sollen.


Die vollständige Publikation können Sie hier lesen:

Schiess Rütimann, Patricia M. (2020): Der Zollvertrag und die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus. Wie Schweizer Recht via Zollanschlussvertrag und Epidemiengesetz in Liechtenstein Anwendung findet. Bendern | PDF Download (872,29 KB)