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Wachstumsmonitor zeigt Herausforderungen trotz hohem Wachstum

Dr. Andreas Brunhart, Forschungsleiter Volkswirtschaft am Liechtenstein-Institut

Das Liechtenstein-Institut hat kürzlich erstmals den in Zukunft jährlich erscheinenden «Wachstumsmonitor» publiziert, welcher die langfristige Wachstumsentwicklung der liechtensteinischen Volkswirtschaft aus verschiedenen Blickwinkeln abbildet. 

Er zeigt, dass das Wirtschaftswachstum Liechtensteins nach nur schleppender Entwicklung im Nachgang der Finanzkrise 2008 / 09 in den Jahren vor Corona wieder äusserst positiv war, elementare Herausforderungen und Risiken bestehen aber. Welche Folgen die Corona-Krise auf das Wirtschaftswachstum hat, kann datenbedingt erst in den nächsten Ausgaben des Wachstumsmonitors analysiert werden.

Für die Messung von Wirtschaftswachstum existiert keine allgemeingültige Definition. In der öffentlichen und politischen Diskussion werden dafür üblicherweise klassische ökonomische Indikatoren herangezogen. Die wichtigsten sind die Kennzahlen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt. Diese Grössen besitzen hohe ökonomische Relevanz, sind historisch etabliert und international harmonisiert, was internationale und zeitliche Vergleiche ermöglicht. Sie decken jedoch nicht alle Wohlstandsfacetten ab. Zudem wurde in der Forschung darauf hingewiesen, dass es beim materiellen Wohlstand zu «Sättigungseffekten» kommt: Ab einem gewissen Niveau bringen weitere Wohlstandssteigerungen immer weniger zusätzliche tatsächliche Wohlfahrt.

In den letzten Jahren ist eine umfangreiche Literatur und eine Vielzahl an Konzepten entstanden, um Wohlstand und Wohlfahrt zu beurteilen. So zum Beispiel die Indikatoren der «Sustainable Development Goals» der UNO, zu denen sich auch Liechtenstein bekannt hat. Neben der Fokussierung auf ökonomische Aktivität, welche den Wohlstand generiert, werden dabei auch Aspekte wie beispielweise das individuelle Wohlbefinden der Bevölkerung oder der Umgang mit Ressourcen berücksichtigt.

Wachstum stellt nicht nur in der Messung, sondern auch in der individuellen Betroffenheit ein mehrdimensionales Phänomen dar. Diesem Umstand trägt auch der Wachstumsmonitor Rechnung. Er beinhaltet 72 Indikatoren, welche einerseits Kennzahlen des Wirtschaftswachstums erfassen, andererseits aber auch Faktoren abbilden, die das Wachstum beeinflussen. Diese Einflussfaktoren werden hierzu in den Bereichen internationales Umfeld, Arbeitsmarkt, Bildung/Innovation, Ressourcen/Nachhaltigkeit, Investitionen/Infrastruktur verortet. Jedem Indikator ist im Wachstumsmonitor eine ganze Seite mit Bewertung anhand eines Ampelsystems und Kommentierung gewidmet. Dabei werden Wechselwirkungen, Zielkonflikte und langfristige Wachstumsrestriktionen diskutiert. Der Wachstumsmonitor soll in diesem Zusammenhang nicht nur vorhandene Daten auswerten, sondern auch Datenlücken und vertiefteren Forschungs- und gesellschaftlichen Diskussionsbedarf identifizieren.

Der «Wachstumsmonitor 2020» stellt für Liechtenstein eine wieder positive Entwicklung der ökonomischen Aktivität und der Einkommen fest. Wohlstandsniveau, Zufriedenheit und Gesundheit sind nach wie vor extrem hoch im internationalen Vergleich. Gleichwohl hat sich das internationale ökonomische Umfeld verschlechtert und strukturelle Veränderungen wie der demographische Wandel betreffen auch Liechtenstein. Darüber hinaus geht das hohe Wohlstandsniveau in Liechtenstein gegenwärtig mit Kosten für die Umwelt und Risiken für die langfristige Tragfähigkeit einher. So schränkt der momentane Umgang mit räumlichen und natürlichen Ressourcen, welche im Kleinstaat Liechtenstein noch rarer als anderswo sind, nicht nur direkt das wirtschaftliche Wachstum für nächste Generationen ein. Er kann sich indirekt auch auf die Lebensqualität, damit auf die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Menschen und dadurch auf das langfristige Wachstumspotenzial negativ auswirken.

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