Heinz Girschweiler vom Jazz überrumpelt

Heinz Girschweiler leitet seit 2004 den Churer Jazzchor «Arcas Syncopics». Der heute 55-jährige Trompeter und Chor-Dirigent wurde vor Jahrzehnten quasi vom Jazz überrumpelt.

Du hast eine Ausbildung in klassischer Trompete und Kirchenmusik. Wie bist du zum Jazz gekommen?
Heinz Girschweiler: Als ich etwa 20 Jahre alt war, haben mich Freunde in Zürich an ein Konzert des amerikanischen Jazz-Trompeters Miles Davis mitgenommen. Ich kannte ihn nicht! Da stand ich plötzlich – wie betäubt – einer komplett neuen musikalischen Welt gegenüber. Seither hat mich der Jazz gepackt und nie mehr losgelassen.

Was fasziniert dich?
Jazz ist nicht nur eine Musikrichtung mit spannenden Harmonien und Rhythmen, Jazz ist ein Lebensgefühl. Ich bin immer von Neuem fasziniert von der Unmittelbarkeit des Moments, in dem die Musik entsteht. Es ist ein Leben im Hier und Jetzt. Hinzu kommt, Jazz ist sehr persönlich, die Musik drückt Befindlichkeiten aus. Am Anfang waren Unterdrückung, Armut und Sklaverei wichtige Themen, später hatte die Musik auch eine politische Stossrichtung, weil Musiker und Musikerinnen unter der Rassentrennung und der Ausgrenzung litten.

2003 warst du knapp drei Monate in New York wegen des Jazz.
Es war eine Zeit, in der ich mich auf die Suche nach dem Jazz machte und das auch auf Video dokumentierte. Ich hatte das Glück, viele grossartige Musikerinnen und Musiker zu hören und ihnen teilweise auch persönlich zu begegnen. In dieser Zeit lernte ich auch den bekannten Trompeter Roy Campbell jr. kennen. Er wurde ein Mentor für mich und spielte mit seiner Band später einige Konzerte in Chur. Diese Erfahrung, dass uns die Liebe zur Musik verbindet und dabei Unterschiede wie Hautfarbe, Herkunft oder Lebensgewohnheiten unwichtig werden, gehört zu meinen prägendsten Erfahrungen. New York ist da als Einwandererstadt ein Vorbild für die Welt.

Jazz gilt als elitär und als Musik für Intellektuelle. Was sagst du dazu?
Das ist natürlich kompletter Unsinn. Soll Musik nur Konsumgut sein, oder darf sie auch mehrdimensional sein und damit Geist, Körper und Seele ansprechen? Wenn jemand als elitär beschimpft wird, nur weil er sich intensiv mit einer Sache auseinandersetzt, habe ich sehr Mühe damit.

Dein Jazz-Chor in Chur heisst «Arcas Syncopics». Gibt es überhaupt eine Chor-Tradition im Jazz?
Jazz war immer Instrumentalmusik. Das Singen ist deshalb auch ein Stück weit geprägt vom instrumentalen Denken, zum Beispiel in den Scatgesängen. Es gab aber schon früh Gesangsgruppen wie die Boswell-Sisters oder die Mills-Brothers, die mit Ihren Stimmen Instrumente imitierten aber auch Stücke entwickelten, die sich auch für einen Jazzchor wunderbar eignen. In einem Jazzchor zu singen bedeutet für Sänger und Sängerinnen eine grosse Herausforderung. Wenn es dann gut klingt, ist es eine tolle und lohnenswerte Erfahrung!

Was bedeutet live gespielte Musik für dich?
Live-Musik ermöglicht uns, einen einzigartigen Moment im Dasein wirklich zu erleben. Wer das Leben nicht verpassen will, sollte Live-Musik hören.

Das Gespräch führte Philipp Lischer. Er singt seit 2010 im Jazzchor «Arcas Syncopics».

 

Short Stories of Jazz Part II – Body and Soul: Konzertdaten

Premiere: Samstag, 9. Februar 2019 20:00 Musikcontainer Uster (swissjazzorama)

Aufführungen Chur: Samstag, 30. März 2019 20:00 Postremise Chur
Sonntag, 31. März 2019 17:00 Postremise Chur

Weitere Aufführungen in Graubünden: Sonntag, 10. Februar 2019, Kurhaus Bergün
Samstag, 16. Februar 2019, Kulturschuppen Klosters
Sonntag, 17. Februar 2019, Kulturzentrum Nairs (Scuol)