Der Liechtensteiner Wohnungsmarkt ist in Bewegung

Irgendwo wohnen muss naturgemäss jeder. Die dabei gewählten Modelle – Miete, Eigentumswohnung oder Einfamilienhaus – sind ganz unterschiedlich und individuellen Bedürfnissen sowie finanziellen Möglichkeiten angepasst. Aber obwohl viel Wohneigentum leer steht, hält der Trend zum Bau von neuen Einheiten an. Ein Überblick über den Liechtensteiner Wohnungsmarkt und die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten für Mieter und Eigentümer. 

Text: Heribert Beck

Angebot und Nachfrage bestimmen den Leerstand
Gemäss der im Sommer vom zuständigen Amt veröffentlichten Gebäude- und Wohnungsstatistik gab es in Liechtenstein mit Stichtag 31. Dezember vergangenen Jahres 20 514 Wohneinheiten. Über 230 mehr als ein Jahr zuvor. Dennoch standen über 800 Wohnungen beziehungsweise – wenn auch deutlich seltener – Einfamilienhäuser leer. 

Wie Immobilienexperte und Deimag-Geschäftsführer Wilfried Strässer bereits vor einigen Monaten in der «lie:zeit» ausführte, handelt es sich bei den ungenutzten Wohnungen vor allem um Altbauten, bei denen eine rechtzeitige Sanierung verpasst worden ist. «Wir jedenfalls verzeichnen eine grosse Nachfrage nach den Objekten, die wir zum Kauf anbieten», hielt er fest.

Die Bevölkerung wächst – also wird gebaut
Der Grund dafür, dass weiterhin viel gebaut werde, ist gemäss Wilfried Strässer einfach und einleuchtend: «Liechtenstein ist eines der wenigen europäischen Länder, die ein jährliches, stetiges Bevölkerungswachstum verzeichnen. Dementsprechend ist auch immer eine Nachfrage vorhanden, und der Markt für Immobilienunternehmen ist alles andere als übersättigt.» Wichtig für die Kunden – ob nun Mieter oder Käufer – sei vor allem das Preis-Leistungs-Verhältnis. «Für Qualität wird auf jeden Fall immer gerne bezahlt – so jedenfalls unsere Erfahrung.» 

Strässers Geschäftspartnerin Michaela Thöny, bei Deimag Immobilien zuständig für die Vermietung, betonte an gleicher Stelle in der «lie:zeit», dass die Mietpreise vom Vermieter nicht mehr einfach so wunschgemäss gestaltet werden können, wie dies vielleicht früher einmal der Fall war. «Deshalb ist derzeit eher eine leichte Korrektur nach unten zu beobachten.»

Vaduz an der Spitze der Statistik
Interessant ist, dass sich gemäss Statistik ungenutzter Wohnraum vor allem in urbanen Gebieten – falls man in Liechtenstein von solchen sprechen kann – und weniger in ländlichen befindet. «Auf Gemeindeebene zeigt sich, dass der Anteil der nicht bewohnten Wohnungen unterschiedlich hoch ausfiel. In Vaduz lag dieser Anteil deutlich über dem Landesdurchschnitt», hält das Amt für Statistik fest. 

So waren am Stichtag in Vaduz rund 6 Prozent oder 179 der 2996 Wohnungen nicht bewohnt. Die tiefsten Anteile an nicht genutztem Wohnraum wurden demgegenüber in Ruggell mit knapp 2 Prozent (18 Wohnungen), in Gamprin mit etwas über 3 Prozent (23 Wohnungen), in Planken mit 3,8 Prozent (7 Wohnungen) und in Schellenberg mit ebenfalls rund 4 Prozent (17 Wohnungen) verzeichnet.

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Land fördert den Wohnungsbau in Liechtenstein

Bis zu 150 000 Franken als staatliche Förderung in Form eines zinslosen Darlehens können Bauherren oder Käufer von Eigentumswohnungen in Anspruch nehmen. Wer für diese Unterstützung infrage kommt, ist genau geregelt. Der Trend zum Bezug der Wohnbauförderung ist aber seit Jahren rückläufig. In den Jahren 2011 und 2012 gewährte das Amt für Bau und Infrastruktur gemäss Eveline Marxer vom Fachbereich Wohnbauförderung noch über 100 Darlehen. Seither gehen die Zahlen deutlich zurück. Im vergangenen Jahr waren es lediglich noch 44 ausbezahlte Darlehen. «Es kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Tendenz fortsetzt. Der starke Rückgang entstand durch die Abschaffung der Kindersubventionen im Wohnbauförderungsgesetz und die tiefen Zinsen, welche die Banken gewähren», sagt Eveline Marxer. Der gesamte aktuelle Darlehensbestand betrage rund 154 Millionen Franken.

100‘000 Franken als Einkommensgrenze
«Die Förderungsmittel werden volljährigen Personen mit Wohnsitz in Liechtenstein gewährt, die das liechtensteinische Landesbürgerrecht oder die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes besitzen oder aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen gleichgestellt sind», sagt die Expertin. Gleichgestellt und damit förderungsberechtigt sind demnach auch Schweizer Staatsangehörige. «Antragsteller und deren Ehegatten oder eingetragene Partner, die jeder für sich oder gemeinsam bereits über familiengerechtes Wohneigentum in Liechtenstein verfügen, sind von einer Förderung ausgenommen.» Die geförderten Objekte seien für den Eigenbedarf vorgesehen. «Bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen werden die Förderungsmittel gewährt, wenn das – gemäss Wohnbauförderungsgesetz zusammengesetzte – Einkommen, welches sich aus dem Durchschnitt der vergangenen zwei Jahre ergibt, 100 000 Franken nicht übersteigt. Die Ausrichtung von Förderungsmitteln ist fristgerecht zu beantragen», sagt Eveline Marxer.

1000 Franken pro Quadratmeter
Die Förderung eines Objektes richtet sich nach der Grösse. «Das Darlehen entspricht bei einer Mindest-Nettowohnfläche von 60 Quadratmetern einem Betrag von 60 000 Franken. Es erhöht sich bei jedem weiteren vollen Quadratmeter um jeweils 1000 Franken, sodass bei einem Objekt mit der höchstzulässigen Nettowohnfläche von 150 Quadratmetern das Darlehen 150 000 Franken beträgt.» 

«Die Tilgung des zinslosen Darlehens beginnt unter Vorbehalt der Vermietung des Objektes im fünften Jahr nach Auszahlung des Darlehens», sagt Eveline Marxer. Die jährliche Tilgungsrate beträgt bei einem Einkommen bis 100 000 Franken drei Prozent. Diese Einkommensgrenze erhöht sich für jedes minderjährige Kind sowie für jedes volljährige, nicht erwerbstätige Kind, das eine Schule besucht, sich in einer Berufslehre befindet oder dauernd erwerbsunfähig ist, und sofern der Antragsteller für den Unterhalt des Kindes aufkommt, um 5000 Franken. Das Einkommen von Personen, die miteinander verheiratet sind oder in eingetragener Partnerschaft leben, wird zusammengerechnet.

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Hypotheken ermöglichen das Eigenheim

Die Kunden der drei grossen Liechtensteiner Banken, Landesbank, LGT und VP Bank, haben ein Hypothekenvolumen in Höhe von einigen Milliarden Franken für den Bau oder Kauf von Eigenheimen aufgenommen. Genaue Kriterien sollen dabei Überschuldungen vermeiden.

«In den letzten drei Jahren sind wir im Durchschnitt mit einem Hypothekenvolumen von 150 Millionen Franken gewachsen, was ungefähr 200 Hypothekenkunden pro Jahr entspricht. Aktuell haben wird knapp 7’000 Hypothekenkunden», sagt Manfred Pfammatter, Leiter Finanzierungen Liechtenstein bei der Landesbank. «Unser Kreditvolumen hat sich in den vergangenen Jahren langsam, aber stetig erhöht. In Liechtenstein beträgt es derzeit rund 1,5 Milliarden Franken», sagt auch Franz Hilbe, Bereichsleiter Finanzierungen der LGT. Bei der LLB sind es 4,9 Milliarden Franken, bei der VP Bank 3,3 Milliarden. Letztere bezieht die Zahlen aber auf die gesamte Unternehmensgruppe und nicht nur auf den Standort Liechtenstein, wie Patrick Cavelti, Leiter Kundenberatung Commercial, erläutert.

Sicherheit ist Pflicht
«Bei einer neuen Finanzierung beträgt die durchschnittliche Kreditsumme für ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung rund 700’000 bis 800’000 Franken», sagt Manfred Pfammatter. Um einen solchen Kredit zu bekommen, muss der Kunde bei der Landesbank einige Voraussetzungen erfüllen. «Bei einer Kreditsumme von 6’500’000 Franken müsste er cirka 115’000 Franken pro Jahr verdienen.» Entsprechende Sicherheiten natürlich vorausgesetzt. Hinzu kommt, dass Eigenmittel in Höhe von 20 Prozent der Bausumme eingebracht werden müssen.  

«Die kalkulatorische Tragbarkeit muss auf jeden Fall gegeben sein», hält Franz Hilbe von der LGT fest. «Diese berechnet sich aus einem angenommenen Zinssatz von 4,5 Prozent – der höher ist als der tatsächliche Zinssatz, um auch im Falle steigender Zinsen ausreichend abgesichert zu sein – sowie einem Nebenkostensatz von zirka 0,8 Prozent der Anlagekosten. Multipliziert man diese 5,3 Prozent mit der Kreditsumme von 650’000 Franken, ergibt das 34’450 Franken. Diese Summe darf nicht höher sein als 40 Prozent des jährlichen Nettoeinkommens. Dieses sollte somit mindestens 86’000 Franken betragen, andernfalls ist eine Kreditvergabe in dieser Höhe nicht möglich.» 

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Wobei Sicherheiten und Eigenmittel selbstverständlich auch bei der LGT Voraussetzungen für die Kreditvergabe sind.

Zinsbelastung hängt vom Modell ab
Die zinsliche Belastung im angenommenen Beispiel eines Kredits in Höhe von 650’000 Franken lässt sich nicht pauschal angeben. «Dies hängt von diversen Faktoren ab, wie beispielsweise der Wahl des Kreditproduktes», sagt Patrick Cavelti von der VP Bank. «Es kommt ganz darauf an, welches Hypothekenmodell der Kunde wählt», sagt auch Franz Hilbe. Bei einem Zinssatz von rund 1,5 Prozent betrüge die jährliche Belastung aber knapp 10’000 Franken.

Im Extremfall droht Versteigerung
Falls ein Kunde seinen Kredit nicht mehr bezahlen kann, geht es an die Sicherheiten. «Wenn ein Objekt nicht mehr tragbar ist und die Zinsen nicht mehr bezahlt werden können, kann die Bank die ausstehenden Beträge gerichtlich einfordern, was im Extremfall zum Verkauf des Hauses führen kann. Es kann zu einer Versteigerung des Hauses kommen, wobei sich die Bank das Recht vorbehält, das Haus ins Eigentum zu nehmen, sollte der Steigerungspreis nicht ausreichen, um die ausstehenden Beträge zu decken. In Liechtenstein kommt es allerdings sehr selten vor, dass eine Bank ein Haus ins Eigentum nimmt», sagt Manfred Pfammatter. 

In Fällen von Zahlungsunfähigkeit «versuchen wir, gemeinsam mit dem Kunden eine für beide Seiten zufriedenstellende und für den Kunden umsetzbare Lösung zu finden. In seltenen Fällen muss aber die Hypothek gekündigt werden und sogar die Verwertung der Liegenschaft mittels Zwangsversteigerung erfolgen. Wir als Bank haben kein Interesse daran, Liegenschaften in Eigenbesitz zu nehmen», sagt Franz Hilbe im Namen der LGT.

«Bauboom lässt nach»
Darüber, ob sich der Leerstand an Wohnungen in Liechtenstein auf die Hypothekarnachfrage ausgewirkt hat, herrschen unterschiedliche Meinungen bei den drei Banken. «Wir bemerken, dass der Bauboom seit zwei, drei Jahren nachlässt», sagt Manfred Pfammatter. «Einen direkten Zusammenhang zwischen Hypothekarnachfrage und Wohnungsleerständen sehen wir nicht», hält Patrick Cavelti fest. Und Franz Hilbe sagt: «Wir sehen keine sinkende Nachfrage nach Hypotheken.»

Einen direkten Zusammenhang zwischen Hypothekarnachfrage und Wohnungsleerständen sehen wir nicht.
Patrick Cavelti

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