Ärztekammer: Regierung hält an Entsolidarisierung im KVG fest

Aerztekammerpräsidentin Dr. Ruth Kranz-Candrian ist schon wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Diesmals geht es den Behörden um zu wenig hoch angegebenes Einkommen aus dem Jahre 2012!

In Stichworten zum Inhalt des nachfolgenden Beitrages der Ärztekammer Liechtenstein:

  • 20% Selbstbehalt straft Kranke zugunsten Gesunder ab
  • Kündigungsregelung nicht ausreichend konkretisiert
  • Tarmed soll Mehrheit im Landtag sichern
  • Ärztekammer legt dem Landtag konkrete Abänderungsvorschläge vor

Die Regierung hat vor kurzem die Vorlage zur 2. Lesung der KVG-Revision verabschiedet. Der Landtag wird diese in seiner Oktober-Session abschliessend beraten. Die Ärztekammer befürwortet einzelne Anpassungen nach der 1. Lesung, ortet jedoch weiterhin Handlungsbedarf.

Stossend ist aus Sicht des Patienten die Anhebung des Selbstbehalts von heute 10% auf neu 20%. Trotz massiver Kritik in der Vernehmlassung hält die Regierung an dieser Mehrbelastung für Patienten fest. Rentner sollen jedoch weiterhin einen Selbstbehalt von10% bezahlen, an dieser Stelle hat die Regierung die Vorlage entschärft, um die grosse Lobby der Senioren zu besänftigen. An der Anhebung des Selbstbehalts für die übrigen Versicherten hält die Regierung jedoch weiterhin fest. Dadurch werden Menschen, welche oft medizinische Leistungen benötigen, verstärkt zur Kasse gebeten. Die zusätzlichen Mittel werden verwendet, um die Prämie zu senken. Profiteure sind vor allem junge, gesunde Versicherte. Neu gilt also, dass kranke Menschen Gesunde entlasten. Diesem Verständnis von Solidarität kann sich die Ärzte-kammer nicht anschliessen und fordert die Beibehaltung des heutigen 10%-igen Selbstbehalts.

Bei den OKP-Verträgen ist die Regierung aufgrund der grossen Kritik vor und während der 1. Lesung von einer Befristung abgegangen und hat statt dessen, wie von der Ärztekammer gefordert, ein Kündigungsrecht ausgearbeitet. Die Ärztekammer begrüsst diesen Paradigmenwechsel ausdrücklich, sieht jedoch bei der konkreten Ausgestaltung des Kündigungsrechts weiterhin Anpassungsbedarf. Einige der Kündigungsgründe sind zu offen formuliert und schaffen damit einen übermässigen Ermessenspielraum beim Kran-kenkassenverband, welcher mit grossem Willkürpotential einhergeht. Die Forderung nach klaren Kündigungsregeln ist nach Ansicht der Ärztekammer nicht ausreichend erfüllt, das Gesetz muss klar und unmissverständlich regeln, wann eine Kündigung gerechtfertigt ist. Das schafft nicht nur bei den Leistungserbringern Klarheit, sondern minimiert auch beim LKV die Gefahr von teuren und unnötigen Rechtsstreitigkeiten. Davon profitiert auch der Steuerzahler, da der LKV jährlich sechsstellige Summen vom Staat erhält.

Neu sieht die Regierungsvorlage die gesetzliche Einführung des schweizerischen Tarifs „tarmed“ in Liechtenstein vor, obwohl lediglich einzelne Abgeordneten dies von der Regierung eingefordert haben. Diese Abgeordneten haben jedoch ihre Zustimmung zum gesamten KVG von der gesetzlichen Einführung von „tarmed“ abhängig gemacht. Um diese Stimmen nicht leichtfertig zu verlieren, hat die Regierung sich dem Druck einer Handvoll Abgeordneten gebeugt und den „tarmed“ im KVG verankert, obwohl der Land-tag der Regierung im April 2014 die Kompetenz erteilt hat, den „tarmed“ auch gegen den Willen Tarifpartner einzuführen. Dieser Zick-Zack-Kurs zeigt deutlich, dass die Regierung alles daran setzt, das Gesetz mit allen Mitteln durchzuboxen.

Die Einführung von „tarmed“ ist aus gesundheitspolitischer Sicht unnötig und verlagert sämtliche Steuerungsmöglichkeiten in die Schweiz. Der Liechtensteiner Arzttarif ist ab 1. Oktober preiswerter als der „tarmed“, fehlbare Leistungserbringer können gemäss Staatsgerichtshof-Urteil vom Sommer auch ohne „tarmed“ wirksam sanktioniert werden, darüber hinaus ist „tarmed 2.0“ noch nicht fertig erarbeitet. Liechtenstein soll sich nun verpflichten, „tarmed“ per Gesetz einzuführen, obwohl dessen Ausgestaltung und Auswirkungen noch nicht bekannt sind. Die Ärztekammer hält dieses Vorgehen für unverantwortlich, auch im Hinblick auf die Aussagen des schweizerischen Krankenkassenverbundes santésuisse, dass „tarmed 2.0“ Mehrkosten in Höhe von 5% bringen könnte.

Die Ärztekammer hält zusammenfassend fest, dass „tarmed“ keine Vorteile bringen wird, die Krankenkassenprämien womöglich deutlich ansteigen lässt und Liechtenstein sämtliche Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand gibt. Die Ärztekammer hofft darauf, dass die Mehrheit des Landtags nicht auf diesen Zug aufspringt, nur weil einzelne Abgeordnete eine persönliche Vorliebe für den tarmed haben und dies seit zehn Jahren gebetsmühlenartig betonen.

Abänderungsvorschläge
Die Ärztekammer kommt ihrer Verpflichtung als wichtiger Partner im Gesundheitswesen nach und hat den Abgeordneten konkrete Abänderungsvorschläge unterbreitet. Diese sollen die verbleibenden Schwachstellen der KVG-Revision ausmerzen und beinhalten im wesentlichen die oben genannten Punkte.