«Wir sind offen für sinnvolle Investitionen»

Thomas Banzer, FBP Präsident (Foto: Michael Zanghellini)

In Fortsetzung unserer Reihe «Die lie:zeit im Gespräch mit den Parteipräsidenten» veröffentlichen wir nachfolgend das Interview mit Thomas Banzer, Präsident der Fortschrittlichen Bürgerpartei Liechtensteins. Themenschwerpunkt sind das von der VU lancierte «Bürgerpaket», das Verhältnis zwischen den beiden Regierungsparteien, Verkehrsprobleme, das Gesundheitswesen u.a.m.   

Interview: Herbert Oehri

 

Herr Banzer, im ersten Jahresdrittel wurden bereits zwei Koalitions-Ausschüsse der Regierungsparteien einberufen. Bewegt sich das Vertrauen in das Koalitionspapier, unter welchem die Unterschriften der FBP und VU stehen, auf so dünnem Eis?

Thomas Banzer: Nein, keineswegs! Dass sich die Koalitionspartner treffen und über aktuelle Themen austauschen, ist nichts Ungewöhnliches. Im Gegenteil. Es ist in meinen Augen sogar sehr positiv, wenn Koalitionspartner miteinander das Gespräch suchen, sich abstimmen und gelegentlich auch inhaltliche Differenzen am Tisch klären. Problematisch wird es meines Erachtens erst dann, wenn man eben nicht mehr miteinander an einen Tisch sitzen kann oder gar nur noch über Anwälte kommuniziert. In der Politik geht es um den Dialog. Diesem stellen wir uns offen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.

Im Zusammenhang mit dem von der VU lancierten «Bürgerpaket» war die Reaktion von Seiten des Regierungschefs wie auch in dessen unmittelbarem Umfeld, insbesondere von Ihnen als Parteipräsident, doch sehr heftig. Sie bewerteten diesen Vorstoss des Koalitionspartners als wörtlich «staatsschädigend» und «absolut verantwortungslos». Stehen Sie noch zu diesen Aussagen und wenn ja, wie soll es weitergehen?

Die VU hat in ihrer Medienmitteilung zur Lancierung des sogenannten «Bürgerpakets» einige Vorschläge in den Raum gestellt, welche für mich – und auch für weitere Personen in Liechtenstein, nicht nur innerhalb der FBP – nur einen Schluss zulassen: Jetzt sollen nach intensiven Jahren zur Erreichung eines ausgeglichenen Staatshaushalts wieder die Schleusen geöffnet werden. Schaue ich mir die Themenbereiche genauer an, so wird mehr oder weniger deutlich beschrieben, dass es sich um jährlich wiederkehrende Staatsausgaben handeln würde. Und das alles auf der Basis eines knapp positiven Betriebsergebnisses (11 Mio. Franken) sowie eines ausserordentlich guten Finanzergebnisses. Dieses finanzielle Fundament ist für mich zu fragil, um jetzt laufende, jährlich wiederkehrende Kosten aufzubauen. Würden wir dies tun, befürchte ich, dass schon bald neue Sparpakete notwendig würden. Dagegen wehre ich mich, und dagegen hat sich der Regierungschef gewehrt. Wir wollen stattdessen nachhaltig in die Zukunft investieren. 

Noch einmal klar und deutlich: Wir lehnen nicht zwingende Erhöhungen laufender und jährlich wiederkehrender Ausgaben, welche unter dem Strich für den einzelnen Bürger bzw. die einzelne Bürgerin nur wenig bringen, entschieden ab, da wir befürchten, dass diese schon in naher Zukunft zu neuerlichen Massnahmenpaketen führen würden. Dies gilt es zu verhindern und dafür stehen wir ein. Gleichzeitig sind wir aber offen für sinnvolle Investitionen bzw. Einmalzahlungen, welche für die Bevölkerung nachhaltig eine Verbesserung bringen, ohne den Staatshaushalt jährlich zu belasten.

Der Zank zwischen der FBP und dem VU-Vizeregierungschef weist auf einen tieferen Riss zwischen den Koalitionsparteien hin.

Aus meiner Optik handelt es sich nicht um einen Zank zwischen dem VU-Vizeregierungschef und der FBP, sondern in erster Linie um Differenzen zwischen
Daniel Risch und zweier unserer Fraktionsmitglieder. Daraus einen Riss zwischen zwei Parteien abzuleiten, ist weit hergeholt. 

Grundsätzlich ist es Sache des VU-Vizeregierungschefs Daniel Risch, ob er eine Aussage aus einem politischen Schlagabtausch mittels einer Privatklage vor Gericht ausfechten will oder nicht. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass ich dieses Vorgehen, also politische Gegner mittels Anwalt mundtot machen zu wollen, nur mit einem Kopfschütteln quittieren kann. 

Es handelt sich nicht um einen Zank zwischen den KOALITIONSPARTEIEN.

Thomas Banzer,
FBP-Präsident

Herr Banzer, gehen wir zu einem ganz anderen Thema, das man auch mit «Wein in alten Schläuchen» bezeichnen könnte, nämlich die S-Bahn
FL–A–CH. Wie bewerten Sie dieses Projekt?

Die FBP hat schon früher betont, dass sie diesem Projekt positiv gegenübersteht. Dies aber unter den damaligen Bedingungen, sprich v. a. der damals ausverhandelten Kostenteilung mit Österreich. Durch die Absage Österreichs an das gemeinsame Finanzierungskonzept ist das Projekt ins Stocken geraten, und bislang wurde vom Vize-
Regierungschef keine neue Lösungsvariante vorgelegt. Sobald von Daniel Risch ein konkreter Weg vorgestellt wird, werden wir uns damit befassen. Aktuell liegt aber meines Wissens nichts vor. Es kursieren Ideen, und es werden «Konzepte in Aussicht gestellt». Letzteres gerade anlässlich der Landtagssitzung von vorletzter Woche. Auf dieser Basis ist eine seriöse Auseinandersetzung nicht möglich und damit auch keine abschliessende Meinungsbildung. Ich beobachte die Entwicklungen aber gespannt und hoffe, dass Daniel Risch schon bald ein konkretes Projekt vorstellen wird und nicht bloss wieder ein Papier mit vielen Möglichkeiten. 

Die S-Bahn FL–A–CH würde einen Lückenschluss zwischen Feldkirch und Buchs bilden, was sie heute schon ist – vielleicht in Zukunft nur etwas schneller und mit höherem Takt. Wie sieht die FBP den «S-Bahn FL–A–CH»-Einbezug des Liechtensteiner Oberlands: Schaan-Vaduz-Balzers-Sargans? 

Ohne auf die Details einzugehen, möchte ich festhalten, dass es bei der S-Bahn FL–A–CH um wesentlich mehr geht, nämlich um die Schaffung eines grenzüberschreitenden regionalen S-Bahn-Netzes mit zeitgemässem Angebot und Haltestellen. Beim Einbezug des Liechtensteiner Oberlands sind noch viele grundsätzliche Fragen offen, und es wäre unseriös, ohne konkret vorliegende Fakten hierzu eine Aussage zu treffen. Das wären lediglich Spekulationen – und von diesen gibt es aktuell bereits genügend. Der Ball liegt hier momentan klar beim Verkehrsminister und Vize-Regierungschef Daniel Risch. Von ihm erwarte ich jetzt eine klare Richtung bzw. einen entsprechend klaren Vorschlag. 

Themawechsel ins Gesundheitswesen: Unter dem ehemaligen Gesundheitsminister Dr. Martin Meyer setzte die FBP auf die Strategie, Liechtenstein als Gesundheitsstandort zu stärken und zu profilieren. Mittlerweile läuft’s jedoch in die Gegenrichtung: Liechtenstein macht nicht nur der Spital-Protektionismus der Schweizer Nachbarschaft – insbesondere der Spitalregion Werdenberg/Grabs – zu schaffen, sondern auch die interne Struktur der Spital- und Klinik-Angebote. Wie sehen Sie die Spitalzukunft Liechtensteins im Kontext der regionalen Spitalregion? 

Ich bin keineswegs der Ansicht, dass die damalige Aussage angesichts des grossen potenziellen Marktvolumens, Liechtenstein als Gesundheitsstandort zu etablieren, der aktuellen Spitaldiskussion entgegensteht. Man muss zwischen der Grundversorgung der Bevölkerung und dem privaten Markt unterscheiden. Die Grundversorgung geht zu Lasten der OKP, und da müssen die Kosten im Sinne der Allgemeinheit im Auge und v. a. im Griff behalten werden. Gegen privat finanzierte Gesundheitsinstitutionen spricht hingegen nichts, und ich bin mir sicher, dass damals Privatkliniken und ähnliche Institutionen Hintergrund der Aussage waren. Es ging mit Bestimmtheit nicht darum, einen Markt auf Basis von OKP-Leistungen, welche durch alle getragen werden,
aufzubauen.

Unabhängig davon erachte ich es als wichtig für unser Land, dass wir weiterhin ein Landesspital betreiben. Dies ist für mich persönlich wichtig. Über das medizinische Angebot, welches dieses Spital im Sinne eines «Landesspitals» abdecken soll, oder welches der beste Standort wäre, dies muss in der aktuell laufenden Detaildiskussion von verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und im Sinne einer gut funktionierenden Grundversorgung der liechtensteinischen Einwohnerschaft wohlüberlegt definiert werden. Zentral ist für mich, dass wir uns auf die Bereiche konzentrieren, welche häufig sind und in welchen wir die erforderlichen Qualitäts- und Quantitätsstandards sicherstellen können. Gerade im Gesundheitsbereich ist die Qualität für mich der zentrale Schlüsselfaktor. Aussagen von einzelnen Abgeordneten im Landtag von vorletzter Woche, wonach man nicht nur aufgrund der Qualität entscheiden sollte, ob künftig ein Angebot in Liechtenstein angeboten wird oder nicht, erachte ich als äussert heikel. Persönlich werde ich im Anlassfall lieber qualitativ hochwertig und, wenn wir das in Liechtenstein nicht gewährleisten können, im Ausland behandelt, als einfach in Liechtenstein. 

Wie kann der Geldtransfer im Gesundheitswesen ins Ausland in unverhältnismässiger Millionenhöhe gestoppt und der volkswirtschaftliche Gewinn im Inland generiert werden? 

Ich möchte zu Beginn klar betonen, dass es nicht möglich ist, alle Fälle – und damit alle damit verbundenen Gelder – zurück nach Liechtenstein zu holen. Für unser Land ist es essenziell, dass wir die Behandlung für unsere Einwohnerinnen und Einwohner sicherstellen können, und zwar in allen Disziplinen. Da es nicht sinnvoll ist, alles im Inland, zum Teil für nur wenige Fälle, zu unterhalten, kaufen wir Leistungen ein und bezahlen auch dafür. Das ist richtig so, und ich halte dies für unser Land absolut für sinnvoll und wichtig.

Einige Fälle, welche aktuell ins Ausland überwiesen werden, könnten aber durchaus wieder zurück nach Liechtenstein geholt werden. In meinen Augen ist das auch relativ einfach machbar. Werden alle (oder wenigstens die meisten) Operationen, die bereits heute in Vaduz gemacht werden könnten, in Vaduz und nicht wie aktuell üblich z. B. in Grabs durchgeführt, wäre ein grosser Teil der Fälle und damit der Wertschöpfung wieder zurück im Land. Dies hat in erster Linie aber nicht die Politik in der Hand, sondern der jeweils zuweisende Arzt. Dieser schlägt in aller Regel dem Patienten den Operationsort vor. Es wäre auf jeden Fall – quasi als erster Schritt – wünschenswert, wenn diese Zuweisungen wieder vermehrt nach Vaduz erfolgen würden.

«Gute Rechnung, gute Freunde», besagt ein Sprichwort. So weit, so gut, wenn dies gegenseitig übereinstimmend verstanden wird. Bei der Quellensteuer für Schweizer Grenzgänger, der DBA-Quellenbesteuerungspraxis für Spitalangestellte sowie der Aktion von «Gleich langen Spiessen» im Gewerbewesen dies und jenseits des Rheins zog Liechtenstein in den Verhandlungen mit der Schweiz stets den Kürzeren. Wurden und werden Liechtensteins Interessen im Ausland hart genug vertreten? 

Das ist so nicht korrekt. Gerade die beiden von Ihnen angesprochenen Fälle haben Ihre Ursachen in einer geänderten rechtlichen Situation und nicht in einem «Verhandlungsergebnis». 

Ich bin überzeugt, dass die Regierung bzw. die Verhandlungsführer sich ihrer Verantwortung sehr bewusst sind, sie ihre Position klar vertreten und auch im Interesse unseres Landes hart verhandeln. Man muss aber immer auch im Auge behalten, dass jeweils zwei Parteien am Verhandlungstisch sitzen und nur dann ein Abschluss eines Vertrages erfolgt, wenn in allen Punkten Einigkeit besteht. Es geht immer um Geben und Nehmen und noch vielmehr darum, Kompromisse zu finden. Realistisch betrachtet, ist unsere Verhandlungsmacht eher bescheiden – betrachten wir aber jeweils das gesamte Vertragswerk, so kann man mit den erzielten Ergebnissen in der Gesamtbetrachtung für unser Land durchaus zufrieden sein.