Wie setzt sich die Finanzierung der Spitalkosten zusammen?

Dr. Hansjörg Marxer: "Ein OKP-Vertrag bedeutet lediglich eine staatliche Anerkennung, die es neben einer korrekten Tarifanwendung zum Beispiel erlaubt, Blutprodukte direkt von Feldkirch zu beziehen, anstatt aus dem wesentlich weiter entfernten St. Gallen."

 

Mit dem SwissDRG-System wurde in der Schweiz die Abrechnung stationärer Spitalaufenthalte per 1. Januar 2012 neu geregelt. Analog zum Abrechnungssystem Tarmed für ambulante Behandlungen wurde für den Bereich der stationären Spitalbehandlungen eine schweizweit geltende Systematik eingeführt.

Von Dr. Hansjörg Marxer

Das SwissDRG-System wurde mit einer geringen Verzögerung auch in Liechtenstein eingeführt. Die DRG-Systematik gilt für Behandlungen im Rahmen der Grundversicherung, ist aber auch die Grundlage bei der Kostenberechnung im Bereich der Zusatzversicherungen. DRG steht auf Deutsch für «diagnosebezogene Fallgruppen». Das Konzept ist sehr komplex, kann aber vereinfacht so dargestellt werden:

Hier steht das Spital …

Auf der einen Seite steht das Spital, das zur Behandlung der Patienten eine gewisse Infrastruktur und entsprechend ausgebildetes Personal zur Verfügung stellt. Aufgrund des Leistungsangebots (Infrastruktur, Personal etc.) eines Spitals ergibt sich eine Grundpauschale, die «Base Rate», die noch weiter differenziert werden kann. Vorhalteleistungen, wie zum Beispiel das Angebot eines Notfalls, werden in der Regel separat von der öffentlichen Hand abgegolten. Die Grundpauschale beträgt in der Region etwa 9‘600 Franken.

… und dort steht der Patient

Auf der anderen Seite steht der Patient, der wegen einer Erkrankung in Spitalpflege muss. Seine Erkrankung wird einer Diagnosegruppe zugeordnet. Für die einzelnen Diagnosegruppen wird – abhängig vom mittleren Behandlungsaufwand – ein Kostengewicht festgelegt, das zum Beispiel bei einer Arthroskopie am Erwachsenen 0.597 beträgt, bei der Implantation einer Kniegelenksprothese 1.965. Die Base Rate entspricht dem Betrag, der für die Behandlung eines Falls mit dem Kostengewicht 1.0 vergütetet wird. Aus Base Rate und Kostengewicht ergibt sich der Endpreis.

Möglicherweise hat ein Patient zusätzlich zur Haupterkrankung (Hauptdiagnose) noch weitere Erkrankungen (Nebendiagnosen). Wenn ein gesunder Zwanzigjähriger eine Blinddarmoperation benötigt, ist dies bezüglich medizinischer Risiken oder potentieller Probleme für ein Spital weniger aufwendig als ein Achtzigjähriger mit zusätzlichen Erkrankungen (Nebendiagnosen), wie zum Beispiel Bluthochdruck und Zuckerkrankheit, dessen Betreuung viel mehr pflegerischen und therapeutischen Aufwand erfordert. Das bedeutet, dass therapeutisch relevante Nebendiagnosen infolge eines höheren Aufwands zu höheren Fallkosten führen, was beim Kostengewicht berücksichtigt wird.

Preisberechnung für Spitalbehandlung

Aus dieser Systematik ergibt sich letztlich die Berechnung des Preises für eine Spitalbehandlung. Dieser beträgt zum Beispiel bei einer Meniskusresektion ohne Nebendiagnosen in unserer Gegend bei einem ordnungsgemässen Tarif etwa 5‘500 Franken. Dieser Betrag umfasst alle im Spital erbrachten Leistungen wie Operation, Pflege, Aufenthalt, Röntgen und Medikamente, um nur einige zu nennen. Das bedeutet, dass ein Spital für eine Meniskusresektion bei einem Patienten ohne weitere Probleme den Betrag von 5‘500 Franken erhält, ein Betrag, dem eine umfassende Berechnung der effektiv durch die Behandlung ausgelösten Kosten zugrunde liegt. Mit anderen Worten: Das ist der ortsübliche, sachgerechte Preis für diese Behandlung.

Der Staat hat mit knapp dreissig Spitälern Verträge. Grundversicherte Patienten können nur in diesen Spitälern behandelt werden. Wenn Behandlungen in diesen Vertragsspitälern erfolgen, übernimmt der Staat bei einigen Spitälern zur Entlastung der Grundversicherung einen Teil der Behandlungskosten. In der Regel beträgt dieser «Staatsanteil» nach Schweizer Vorbild 55 %. Ein allfälliger Staatsbeitrag kann im Vertrag mit dem Spital festgesetzt werden. Ob bei einem Vertragsspital ein Staatsanteil ausgerichtet wird, ist eine politische Entscheidung und hat für den Patienten und für das Spital eigentlich keine Bedeutung: Der Patient hat seine Prämien bezahlt und erwartet, dass die Kosten übernommen werden. Das Spital hat seine Leistung erbracht und erwartet eine sachgerechte Honorierung. Wie viel davon von der Krankenkasse und wie viel allenfalls vom Staat bezahlt wird, ist weder für den Patienten noch das Spital von Bedeutung. Wenn ein Staatsbeitrag ausgerichtet wird, beteiligt sich der Steuerzahler mit an den Spitalkosten, andernfalls sind die Spitalkosten voll vom Prämienzahler zu finanzieren.

Ein OKP-Vertrag bedeutet also nicht automatisch, dass Staatsbeiträge fliessen müssen. Ein OKP-Vertrag bedeutet lediglich, dass ein Spital, das aufgrund einer strengen staatlichen Kontrolle der Qualitätsmassnahmen eine Betriebsbewilligung erhalten hat, für seine Leistungen zu ortsüblichen Tarifen honoriert wird. Ein OKP-Vertrag, der einem inländischen Betrieb die gleichen Bedingungen wie einem ausländischen Betrieb sichert, bedeutet nicht im Geringsten, dass staatliche Subventionen verlangt werden.

Ein OKP-Vertrag bedeutet lediglich eine staatliche Anerkennung, die es neben einer korrekten Tarifanwendung zum Beispiel erlaubt, Blutprodukte direkt von Feldkirch zu beziehen, anstatt aus dem wesentlich weiter entfernten St. Gallen. Diese Anerkennung bedeutet auch eine tarifliche Verbesserung bei den österreichischen Patienten, und nicht zuletzt würde sie die Türe für zusatzversicherte Patienten aus der Schweiz öffnen.

Der Staatsbeitrag entlastet die Krankenkassen

Ein Staatsbeitrag ist keine Unterstützung eines Spitals, sondern eine Entlastung der Krankenkassen: Bei Behandlungen von Vertragsspitälern mit Staatsbeitrag übernimmt der Staat einen vertraglich festgelegten Anteil zur Entlastung der Grundversicherung, was sich auf die Prämien der Allgemeinversicherten positiv auswirkt.

Die bisherigen Aussagen gelten für alle Patienten, unabhängig von der Art ihrer Versicherungen. Grundversicherte sind an OKP-Vertragsspitäler gebunden. Wer sich aber für eine kostspielige Privatversicherung mit dem Angebot «freie Spitalwahl in Liechtenstein und der ganzen Schweiz» entscheidet, nimmt an, dass er jedes geeignete Spital in Liechtenstein oder in der Schweiz bei voller Kostendeckung aufsuchen kann.

Unlauteres Verhalten der Privatversicherer

Die Weigerung der Privatversicherer (sprich: Versicherungsgesellschaften), den nicht ausgerichteten Staatsbeitrag gemäss Artikel 18 des Krankenkassenversicherungsgesetzes zur Sicherstellung der mit teuren Prämien erkauften «freien Spitalwahl» zu übernehmen, kann nur als im höchsten Mass unlauteres Verhalten bezeichnet werden. Wer über Jahre brav die teuren Prämien für eine private Zusatzversicherung unter dem Titel «freie Spitalwahl» bezahlt hat, muss sich schlicht betrogen fühlen, wenn eine teuer erkaufte Vertragsdeckung «freie Spitalwahl in Liechtenstein und der Schweiz» zum Beispiel für eine Behandlung in Bendern oder Fläsch nicht gilt. Die Versicherer nehmen sich nicht im Kleingedruckten, den «Allgemeinen Versicherungsbedingungen», sondern im Kleinstgedruckten, den «zusätzlichen Versicherungsbedingungen», das Recht heraus zu bestimmen, dass das Krankenkassengesetz für sie nicht gilt. Das heisst, dass sie entscheiden, für welche Spitäler die «freie Spitalwahl» gilt. Dieses Vorgehen ist nicht akzeptabel. Fair wäre es, das Produkt zum Beispiel «erweiterte Spitalwahl» zu nennen.