Wirtschaftsaussichten 2018: Champagnerlaune?

Frühling ist auch die Zeit des Rückblicks und des Ausblicks auf die wirtschaftliche Entwicklung. Dabei fällt das Fazit erfreulich aus: Der US-Konjunkturmotor erhöht die Tourenzahl, die Wirtschaft in der Eurozone wächst dynamisch, auch die grossen Schwellenländer entwickeln sich positiv, und die einheimische Wirtschaft erhält Rückenwind. 

Text: Peter Eisenhut, Präsident der Stiftung Zukunft.li

 

Die US-Wirtschaft legte in der zweiten Hälfte des Jahres an Dynamik zu und läuft seither mit viel Schwung, insbesondere dank den steigenden Konsumausgaben. Die Arbeitslosenquote in den USA ist auf ein 17-Jahres-Tief gefallen. Die Eurozone überraschte insgesamt mit einem Wachstum von rund 2,4 Prozent. Das ist das höchste Wachstum seit Ausbruch der Eurokrise. Ein Blick auf einzelne Euro-Länder zeigt, dass in Deutschland Hochkonjunktur herrscht: Sowohl die Exporte als auch die Investitionen haben kräftig angezogen. Auch Spanien gehört zu den Konjunkturlokomotiven. Von Frankreichs Präsident werden wachstumsfördernde Reformen erwartet, so dass die Wirtschaft an Tempo zulegen sollte. In Italien scheint sich der Aufschwung langsam zu festigen, wobei das Land nach den jüngsten Wahlen gespalten bleibt. Grossbritanniens Wirtschaft hat seit der Brexit-Abstimmung einen kleinen Dämpfer erlitten. 

Gemeindesaal Gamprin-Bendern. Wirtschaftsausblick 2018.
Thomas Lorenz, Adrian Hasler.
Foto: Paul J. Trummer

Euro feiert Comeback des Jahres
Der Euro meldete sich 2017 glanzvoll auf der internationalen Bühne zurück. Nach einem drastischen Kurseinbruch zwischen Mitte 2014 und Frühjahr 2015 und einer anschliessenden zweijährigen Seitwärtsbewegung feiert die europäische Gemeinschaftswährung ein eindrucksvolles Comeback. Den Geist aus der Flasche gelassen hat die Europäische Zentralbank, als sie Mitte 2017 laut über einen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik nachgedacht hat. Damit erwischte sie viele Devisenmarktakteure auf dem falschen Fuss und der Euro stieg innerhalb von acht Tagen von 1,10 auf 1,15. (vgl. Abbildung 1). Die über Erwarten gute Konjunktur stützte die Erstarkung des Euro. Zudem wurde die Allianz rechter EU-Gegner insbesondere in den Niederlanden und in Frankreich zurückgebunden. So kam es nicht zu einer Spaltung der EU, sondern zu einem Schulterschluss. Der Glaube an eine «Europäische Wachstumsstory» kehrte zurück – auch bei den Anlegern in Liechtenstein und der Schweiz, die ihr Kapital wieder vermehrt in der Eurozone anlegen. Einiges spricht dafür, dass der Euro auch im 2018 weiter an Stärke gewinnt. Allerdings verdecken die gute Konjunktur und die tiefen Zinsen die nach wie vor ungelösten strukturellen Probleme in der Eurozone. Fortschritte und Einigkeit in wichtigen wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen sind notwendig, um zukünftige Eurokrisen zu vermeiden.

Abbildung 1

Liechtenstein mit Rückenwind
Und wie geht es Liechtenstein? Die liechtensteinische Volkswirtschaft hat von diesem breit abgestützten Wachstum der Weltwirtschaft Rückenwind erhalten. Sie dürfte 2017 ein ansehnliches Wachstum erreicht haben, davon zeugen die guten Jahresabschlüsse vieler Unternehmungen. Mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung schlägt sich auch der stärkere Euro in den Büchern der Exporteure nieder. Legten die Exporte im vergangenen Jahr noch um 1,5 % zu, starteten sie in den ersten beiden Monaten mit einem hohen Zuwachs von 6 % in das neue Jahr. Mit einem Exportumsatz von rund 102’000 Franken pro Beschäftigten und Jahr ist Liechtenstein eine besonders starke Exportregion (vgl. Abbildung 2). Liechtenstein erzielt zudem Jahr für Jahr beachtliche Handelsbilanzüberschüsse, letztes Jahr belief sich der Überschuss auf 1,4 Milliarden Franken. Der wichtigste Absatzmarkt ist Europa, rund die Hälfte aller Exporte geht in die Länder der Eurozone. Dabei zeigt sich eine hohe Wechselkurssensibilität der liechtensteinischen Exporte, d. h., dass die Ausfuhren in die Euroländer stark mit den Schwankungen des Eurokurses korrelieren (vgl. Abbildung 3). Deutschland ist das wichtigste Absatzland, auf dem zweiten Platz folgen die USA. Sollten die Strafzölle der USA zu einem eigentlichen Handelskrieg führen, wären die Weltwirtschaft und Liechtenstein stark davon betroffen. Der US-Präsident täuscht sich nämlich, wenn er sagt, «Handelskriege sind gut und leicht zu gewinnen». Sie sind nämlich schlecht und leicht zu verlieren.

Abbildung 2
Abbildung 3

Industriemotor läuft rund – Baumotor stottert
Die Konjunkturumfrage bei Liechtensteiner und Ostschweizer Industriefirmen vom Januar 2018 fällt erfreulich und sehr ähnlich aus. Ermutigend ist vor allem, dass nach einer langen Durststrecke – gekennzeichnet von Margendruck und Frankenstärke – sich nun auch die Ertragslage wieder verbessert, vornehmlich bei Industriebetrieben in Liechtenstein (vgl. Abbildung 4). Die Baufirmen in Liechtenstein beurteilen die konjunkturelle Entwicklung vorsichtiger als ihre Branchenkollegen auf Schweizer Seite (vgl. Abbildung 5). In kurzer Frist scheint die Dynamik in der Bauwirtschaft etwas nachgelassen zu haben, auch wenn sich die 2017 erteilten Baubewilligungen nach wie vor auf einem hohen Niveau bewegen. Die Ertragssituation im Bau ist angespannt und der Druck auf die Margen hoch – auch aufgrund der hohen Konkurrenz. 

Abbildung 4
Abbildung 5

Finanzdienstleistungen auf Wachstumskurs – Sorgenfalten im Detailhandel
Das erfreuliche internationale Umfeld hat auch die Banken beflügelt. Sie berichten von hohen Neugeldzuflüssen und markanten Gewinnsteigerungen. In der Treuhandbranche ist der Himmel zwar noch nicht ganz so blau, aber die Wolkendichte hat deutlich nachgelassen. Weniger gut läuft es im Detailhandel, jedenfalls deuten die Daten aus der Schweiz und der Ostschweiz darauf hin. Die Einkaufslandschaft befindet sich im Umbruch. Der Online-Handel ist im Aufschwung und bedrängt den stationären Handel zusehends. In der digitalen Welt spielt geografische Nähe keine Rolle, das Angebot ist global, die Preistransparenz ist beinahe vollkommen. Traditionelle Geschäfte mit Kundenkontakt sind nur dann zukunftstauglich, wenn sie gegenüber dem Online-Shopping einen Mehrwert schaffen. Gemäss Ansichten der Detailhändler sollte der Tiefpunkt nun aber durchschritten sein.

« …die Wirtschaft hat den Franken-Schock hinter sich gelassen, und die Auftragsbücher sind gut gefüllt.»

Knackpunkt Produktivität
Zusammengefasst präsentiert sich die Konjunktur in Liechtenstein erfreulich, und die Aussichten sind rosig. Allerdings gibt es einen «Tolggen» im Reinheft der liechtensteinischen Volkswirtschaft: Die Entwicklung der Produktivität. Von 2000 bis 2015 ist die Wertschöpfung nur aufgrund der zunehmenden Beschäftigung gewachsen, die Produktivität – also der Output pro Arbeitsstunde – ist gesunken bzw. hat stagniert (vgl. Abbildung 6). Damit fehlt dem Wirtschaftsprozess das Elixier zur Steigerung des Bruttonationaleinkommens (BNE) pro Kopf, der wichtigsten wirtschaftspolitischen Zielgrösse Liechtensteins. Ein Schlüsselfaktor zur Steigerung der Produktivität sind Investitionen in die Infrastruktur, in das Bildungssystem, in die Produktionsprozesse, in die Forschung und Entwicklung und nicht zuletzt in die Mitarbeiter.

Abbildung 6

Zuversicht angesagt
Die Weltwirtschaft ist im Hoch, die Zinsen und die Inflation sind tief, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Exporte wachsen, die Wirtschaft hat den Franken-Schock hinter sich gelassen, und die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Also Zeit, um die Champagnerkorken knallen zu lassen? Eine gewisse Vorsicht ist allein schon deshalb angebracht, weil die Zukunft nun mal ungewiss ist, und über Ungewisses lässt sich nichts mit Gewissheit sagen. Zuversicht ist angesagt, Euphorie aber fehl am Platz. Denn Champagnerlaunen sind gefährlich, und je länger sie andauern, desto gefährlicher werden sie. Allzu oft folgt darauf eine Katerstimmung.