Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 25. Januar 2018

S.D. der Erbprinz sprach einige wichtige Zukunftsprojekte an, die es gilt einer Lösung zuzuführen. 

 

 

Anlässlich der Landtagseröffnung am 25. Januar 2018 hielt traditionsgemäss Erbprinz Alois die Ansprache, die sich vor allem mit den Herausforderungen sowie den Problemen der zukünftigen Finanzierung von Pflege und Betreuung im Alter befasste.

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete

Anlässlich der Landtagseröffnung vor einem knappen Jahr habe ich erwähnt, dass die neue Legislaturperiode die Chance bietet, nach Jahren des Reagierens eine neue Phase des zukunftsorientierten Gestaltens einzuleiten. Dabei habe ich auch potentielle Themenfelder angesprochen. Mit Freude habe ich festgestellt, dass sich der Landtag inzwischen mit einigen der von mir erwähnten Themenfeldern eingehend befasst hat. Eines dieser Themen möchte ich heute vertiefen.

Der Landtag hat an die Regierung ein von allen Parteien breit getragenes Postulat zur zukünftigen Finanzierung von Pflege und Betreuung im Alter überwiesen. Die Landtagsabgeordneten haben in ihrer Postulatsbegründung zu Recht auf die grossen Herausforderungen hingewiesen, die mit der zukünftigen Finanzierung von Pflege und Betreuung im Alter verbunden sind. Im Folgenden werde ich auf diese Herausforderungen sowie auf die Probleme des heutigen Finanzierungssystems näher eingehen und Ihnen einige Überlegungen für eine zukünftige Ausgestaltung der Finanzierung mitgeben.

Die Staatsausgaben für die Pflege und Betreuung im Alter gehören zu jenen mit dem stärksten Wachstum überhaupt. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Kosten in den nächsten Jahren weiterhin stark ansteigen werden. Dies zeigt nicht zuletzt auch eine Studie der Stiftung Zukunft.li.

Unser heutiges Finanzierungssystem für die Pflege und Betreuung im Alter ist für diese Entwicklung ungeeignet:

  • Es ist eine komplizierte und dadurch auch intransparente Mischfinanzierung aus Steuergeldern des Landes und der Gemeinden sowie aus Beiträgen der Krankenkassen und der Betroffenen selbst.
  • Die unbegrenzte Kostenerstattung im Krankenversicherungssystem gibt Anreize für eine nicht bedarfsgerechte Mengenausweitung und führt damit zu zusätzlichen Belastungen der Lohnnebenkosten.
  • Auch die Pflege und Betreuung der Wohlhabenden wird aus staatlichen Mitteln finanziert, was einer Verteilung von Steuergeldern mit der Giesskanne entspricht und nicht einer treffsicheren Zuteilung an jene, die die staatliche Hilfe wirklich benötigen.

Das heutige Finanzierungssystem beruht ausserdem weitgehend auf dem Umlageprinzip. Wegen der demographischen Entwicklung wird dies in den kommenden Jahren zu einer erheblichen Zusatzbelastung bei den Steuern und Krankenkassenprämien führen. Diese Last könnte so gross werden, dass das heutige Solidaritätssystem infrage gestellt und ein massiver Druck in Richtung Rationierung der Leistungen für die geburtenstarken Jahrgänge entstehen könnte. Die unerwünschte Folge davon wäre eine Zweiklassenbehandlung im Alter. Es ist eine wichtige Errungenschaft, dass wir heute eine sehr gute Alterspflege für alle haben – ob reich oder arm. Es muss unser Ziel sein, das auch in Zukunft leisten zu können.

Wir sollten daher möglichst bald die Finanzierung der Pflege und Betreuung im Alter auf ein System mit einem starken Element der Kapitaldeckung, also einem Ansparverfahren, umstellen. Die Umstellung sollte auch deshalb rasch erfolgen, weil aufgrund des Zinseszinseffektes ein Zuwarten eine rechtzeitige und ausreichende Kapitalbildung sehr erschwert.

Ebenso wie das erwähnte Postulat sehe ich grundsätzlich zwei Modelle für eine solche Umstellung auf ein starkes Element der Kapitaldeckung: ein individuelles Ansparverfahren wie es auch die Stiftung Zukunft.li vorgestellt hat und eine Versicherungslösung.

Beim individuellen Ansparverfahren muss obligatorisch ein individuelles Pflegekapital angespart werden. Das Pflegekapital wird mit Eintritt des Pflege‐ oder Betreuungsfalles zuerst für die damit verbundenen Kosten eingesetzt, bevor anschliessend oder auch bei nicht erfolgter Ansparung subsidiär das heutige Finanzierungssystem zum Einsatz gelangt. Tritt der Pflege‐ oder Betreuungsfall nicht ein, wird das Pflegekapital vererbt.

Bei der Versicherungslösung werden die Kosten für den Pflege- oder Betreuungsfall durch eine Versicherung getragen. Aus den vorher dargelegten Gründen sollte unbedingt eine Versicherungslösung mit Kapitaldeckung gewählt werden, wobei ein gewisses Mindestmass an Umlagedeckung durch Steuermittel dennoch weiter benötigt würde.

Auch bei einer solchen Versicherungslösung muss ein Pflegekapital bis zu einer gewissen Höhe angespart werden. Ausserdem wäre darauf zu achten, dass die Versicherungslösung sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Bereich mit vom Grad der Pflegebedürftigkeit abhängigen Taggeldern operiert. Ansonsten bestünde die Gefahr einer Mengenausweitung, die nicht dem Bedarf der Pflegebedürftigen entspricht.

Beide Modelle der Kapitaldeckung haben ihre Vor- und Nachteile und können vermutlich auch in verschiedenste Varianten unterteilt werden. Das individuelle Ansparverfahren liesse sich als zusätzliches Element zum heutigen Finanzierungssystem wahrscheinlich leichter einführen. Mit einer Versicherungslösung könnte hingegen das heutige Finanzierungssystem mit all seinen Problemen viel weitergehender oder auch zur Gänze abgelöst werden. Da bei weitem nicht alle im Alter Pflege oder Betreuung benötigen, wäre zudem die Vorsorge über eine Versicherungslösung grundsätzlich effizienter. Die Regierung wird die verschiedensten Varianten und ihre Vor‐ und Nachteile in ihrer Postulatsbeantwortung jedoch sicherlich noch genauer beleuchten. Beide Modelle sollten ohne Anstieg der Lohnnebenkosten für die Unternehmen konzipiert werden, weil diese erst unlängst durch Erhöhungen im Bereich der Altersvorsorge betroffen waren. Hingegen könnten die Unternehmen von sinkenden oder weniger stark wachsenden Krankenkassenprämien profitieren, wenn die Krankenkassen nicht mehr oder nur noch in geringem Mass zur Finanzierung der Pflege und Betreuung im Alter beitragen müssen.

Je nachdem, wie umfassend die Modelle das heutige Finanzierungssystem ablösen sollen, muss eine entsprechend grosse Kapitalbildung erfolgen. Besonders im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld wäre es dabei wichtig, durch geeignete Vorschriften eine langfristig effiziente und gut diversifizierte Kapitalbildung sicherzustellen.

Bei der Festlegung der Höhe des anzusparenden Kapitals darf auch nicht im Vordergrund stehen, dass dieses unter allen Umständen und bei intensivster Pflege über lange Zeit ausreichen muss. Eine derartige Summe wäre viel zu gross und würde sehr wahrscheinlich die Bereitschaft zum Ansparen dieses Kapitals aufgrund der hohen Belastung während der Erwerbstätigkeit verringern.

Vielmehr soll ein Kapital in einer vernünftigen Höhe angespart werden, welches ausreicht, die durchschnittlichen Pflegekosten oder einen grossen Teil davon zu tragen. Wenn die Kosten dann im Einzelfall höher sind, sollen diese von der Allgemeinheit getragen werden. Die Solidargemeinschaft soll somit primär für diejenigen Fälle bemüht werden, in denen eine überdurchschnittlich aufwendige Pflege benötigt wird.

Um – vor allem im Falle einer Versicherungslösung – die Pflichtbeiträge niedrig zu halten, sollte mit der Kapitalbildung schon in möglichst jungen Jahren begonnen werden und der Staat die Eintrittsgenerationen bei der Kapitalbildung unterstützen. Dazu müsste der Staat die Kapitalbildung für alte Personen, die dazu nicht mehr in der Lage sind, zu Gänze oder zumindest weitgehend übernehmen. Hingegen könnte die staatliche Unterstützung bei jüngeren Eintrittsgenerationen nach dem Alter abgestuft Schritt für Schritt abnehmen.

Eine solche staatliche Unterstützung der Eintrittsgenerationen müsste aus den Staatsreserven finanzieren werden. Im Grunde wäre dies jedoch nur eine Vorwegnahme von Ausgaben, für die der Staat in der Vergangenheit nicht vorgesorgt hat, die er aber in Zukunft sowieso übernehmen müsste.

Meiner Ansicht nach wäre eine solche Umstellung auf eine nachhaltige Finanzierung der Pflege und Betreuung im Alter auch eine der besten Investitionen im Sinne eines erfolgreichen zukunftsorientierten Gestaltens. Wir hätten rechtzeitig eine der grossen Herausforderungen der demographischen Entwicklung gelöst und könnten uns danach besser ihrer vielen anderen Herausforderungen widmen.

Ich hoffe, der breite Konsens im Landtag, dass wir uns mit der Finanzierung der Pflege und Betreuung im Alter rechtzeitig befassen müssen, wird auch zu einem breiten Konsens über eine wirklich nachhaltige Lösung führen. Für Ihre verantwortungsvolle Aufgabe wünsche ich Ihnen viel Kraft, Weisheit und Gottes Segen!