Abkommen mit der Schweiz: Mässiges Verhandlungsgeschick

Die Regierung hat am 31. Oktober 2017 ein neues Abkommen mit der Schweiz genehmigt, welches bereits am 21. August unterzeichnet wurde. Durch das Abkommen soll der bisherige «Notenwechsel» ersetzt werden, was den Zugang zu Leistungserbringern im Ausland massiv erweitert. Dadurch wird die Bedarfsplanung ausgehebelt. Das hat der LKV, welcher als einziger zu einer Stellungnahme eingeladen war, festgestellt, und er befürchtet, dass Leistungserbringer ins Rheintal abwandern könnten. Fazit: Die Bedarfsplanung ist mit dem Abkommen nicht kompatibel.

Von Johannes Kaiser, Landtagsabgeordneter

Für die Öffentlichkeit wie für den Landtag ist der Bericht erst seit dem 7. November verfügbar, sodass den Abgeordneten einmal mehr kaum Zeit bleibt, sich fundiert mit der Thematik zu befassen, da der Landtag bereits im Dezember abschliessend über das Abkommen befinden soll, ohne dass – wie bei Staatsabkommen üblich – eine Vernehmlassung stattgefunden hätte oder in einer ersten Lesung eine grundsätzliche Diskussion möglich gewesen wäre.

Nachsehen bei der Quellensteuer für Grenzgänger
Erfahrungsgemäss hat sich Liechtenstein in Verhandlungen mit der Schweiz in den letzten Jahren – inklusive den Vorgängerregierungen – kaum behaupten können bzw. wurden von der Schweiz Regelungen einseitig und zum Nachteil Liechtensteins geändert. Erinnert sei an das DBA-Abkommen, mit welchem Liechtenstein erfolglos für die Schweizer Grenzgänger eine Quellensteuer einheben wollte. Dabei erhebt die Schweiz ihrerseits ganz selbstverständlich von allen anderen Anliegerstaaten (Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien) die Quellensteuer. Seitdem flossen bezüglich der Staatskasse einnahmeseitig viele Millionen Franken «Rhein-ab».

Schlechte Besteuerungspraxis für rund 100 Liechtensteiner/-innen
Zum jüngsten Beispiel einer für Liechtenstein negativen Vereinbarung, der neuen Besteuerungspraxis (DBA-Quellensteuer) für Spitalangestellte und BZB-Lehrkräfte aus Liechtenstein, musste wiederum der Landtag mit einer Interpellation an die Regierung aktiv werden. Mit dieser Vereinbarung werden in Liechtenstein wohnhafte Grenzgänger dieser Institutionen steuerlich massiv stärker belastet als vorher. Die Begründung der Schweiz, dass Liechtenstein an diese Institutionen keine Beiträge mehr zahle, ist nicht stichhaltig, mindestens nicht für die Spitäler, da einerseits nach wie vor direkte Beiträge des Landes an die Kosten von Liechtensteiner Patienten entrichtet werden und andererseits nach wie vor Investitionen über die in den Fallpauschalen enthaltenen Investitionsanteile mitfinanziert werden.

Zugang zu allen ambulanten Leistungserbringern in den Kantonen St. Gallen und Graubünden
Vor diesem Hintergrund erscheint Skepsis angebracht, ob die Interessen der Liechtensteiner Versicherten und Steuerzahler in diesem Abkommen und dessen Verhältnis zu den übrigen Regelungen der OKP adäquat berücksichtigt sind. Das Abkommen soll grundsätzlich dem Liechtensteiner Versicherten den Zugang zu allen ambulanten Leistungserbringern inklusive Ärzten in den Kantonen St. Gallen und Graubünden ermöglichen, bzw. seine Krankenkasse muss die Kosten dieser Leistungen übernehmen, und umgekehrt den Versicherten aus St. Gallen und Graubünden den Zugang in Liechtenstein. Eine Ausnahme bilden die Leistungserbringer, für die es in Liechtenstein eine Bedarfsplanung gibt (Ärzte, Psychotherapeuten, Chiropraktiker). Hier zahlen die Kassen nur, wenn der betreffende Leistungserbringer einen OKP-Vertrag hat.

Die Mengenausweitung des Gesundheitsministers Richtung Schweiz
Da es in der Schweiz die Bedarfsplanung nicht gibt, kann dort jeder Leistungserbringer mit einer Bewilligung der zuständigen Amtsstelle über die Kassen in der OKP abrechnen. Bezogen auf Ärzte bedeutet das, dass der Liechtensteiner also neu in ganz St. Gallen und Graubünden freie Arztwahl hat, groteskerweise aber nicht in Liechtenstein. Der Versicherte bekommt plötzlich Zugang zu 500 bis 600 Ärzten statt den bisher rund 20 in der Schweiz, hat aber in Liechtenstein nach wie vor nur Zugang zu den bisherigen rund 60 OKP-Ärzten, nicht aber zu den rund 50 Ärzten ohne OKP. Für den Zugang zu Letzteren bezahlt der Versicherte monatlich zusätzlich 40 Franken Prämie. Bisher bekam er dafür die freie Arztwahl im In- und Ausland (zu Tarifhöhe FL), neu nur noch dafür, dass er diese auch in Liechtenstein hat. Umgekehrt haben Schweizer Patienten in Liechtenstein nur Zugang zu Ärzten mit OKP-Vertrag. Die grenzüberschreitende Gesundheitsregion wird vom Gesundheitsminister zum Vorteil der Schweiz mengenmässig in Richtung Schweiz erweitert. Die Bedarfsplanung ist somit mit dem neuen Abkommen nicht kompatibel und müsste konsequenterweise ganz abgeschafft werden.