Aus Dicken werden „dünne Dicke“

Durch operative Eingriffe werden aus dicken Menschen "dünne Dicke", schreibt Ina Grizelj in ihrem Gastkommentar. (Foto: Shutterstock)

Eine Operation und einige Tage Krankenhaus – schon ist man viele Sorgen los. Zumindest ist das die Hoffnung vieler Personen, die schon lange an Übergewicht leiden.

Ina Grizelj ist Ernährungswissenschaftlerin.
Ina Grizelj ist Ernährungswissenschaftlerin.

Obwohl Chirurgen behaupten, dass der Eingriff das einzige Mittel sei, um das Gewicht zu reduzieren und auch reduziert zu halten, bieten die Verkleinerung des Magens oder das Einsetzen eines Magenbands keine ursächliche Therapie. Diese Operationen machen in der Regel aus einem Dicken einen «dünnen Dicken». Wirklich gesund wird dieser durch den Eingriff nicht, auch wenn gewisse positive Stoffwechseleffekte, vor allem bei Diabetikern, nicht zu leugnen sind.

Abgesehen davon, dass sich die eigentlichen Ursachen des Übergewichts, z.B. eine Depression, durch eine Operation nicht in Luft auflösen, müssen lebenslang Vitamine und Spurenelemente eingenommen, die neue Situation gemeistert und die schlaff in Lappen herunterhängende Haut akzeptiert werden.

Mit «konservativen Methoden» wie Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie lassen sich Resultate erzielen, die durchaus mit einer Operation vergleichbar sind. Es wird nicht nur ein Eingriff an einem gesunden Organ mit möglichen lebensbedrohliche Komplikationen vermieden, die Betroffenen lernen auch den richtigen Umgang mit Lebensmitteln, arbeiten an den Ursachen ihrer Probleme und bauen Bewegung in ihren Alltag ein – alles wesentliche Bestandteile einer gesunden Lebensführung.

Operationen sind ein lukrativer Markt

Der chirurgische Eingriff mag in manchen Fällen empfehlenswert sein, wird aber bei vielen Patienten durchgeführt, ohne dabei die konservativen Methoden ausgeschöpft zu haben. Besonders fragwürdig werden Operationen bei Jugendlichen: Sind sie sich der lebenslangen Konsequenzen, die so ein Eingriff mit sich bringt, tatsächlich bewusst? Unbestritten ist hingegen, dass diese medizinischen Eingriffe zur Gewichtsreduktion – angesichts des hohen statistischen Anteils der «Dicken» – einen grossen und lukrativen Markt darstellen.

Voraussetzung für eine langfristige Gewichtsabnahme ist die richtige Herangehensweise jedes einzelnen Therapeuten an den Patienten sowie die Einbettung in ein umfassendes, konsequentes Programm mit kalorienreduzierter Ernährung, angepasster Bewegung und individueller Verhaltenstherapie während mindestens zwei Jahren. Selbst die schwankende Motivation, das grösste Problem der Betroffenen, kann in einem gut funktionierenden Netz von Betreuern aufgefangen und wieder aufgebaut werden.

Welchen Weg der Betroffene geht, entscheidet er selbst. Es zahlt sich jedoch immer aus, mit professioneller Unterstützung alle Möglichkeiten der konservativen Methoden auszunutzen, bevor man sich unter das Messer legt.

 

Ina Grizelj als Ernährungswissenschaftlerin
und Ernährungsberaterin